SPÖ auf der Suche nach dem Wunderwuzzi
Es ist der dritte Tag nach dem Tusch, also nach Christian Kerns Erklärung, dass er auf Raten zurücktritt, und die Sozialdemokratie ist nach wie vor in Schockstarre.
Man sucht einen Parteichef, oder genauer: eine Parteichefin. Gewichtige Rote wie Kärntens SPÖ-Chef Peter Kaiser forcieren diese Variante ganz hochoffiziell – wer, wenn nicht eine clevere Frau könnte von Seiten der Roten gegen die „soziale Kälte“ von Türkis-Blau anwettern?
Das Problem ist nur: Die mittlerweile fast logische Kandidatin, Ex-Bundesgeschäftsführerin Doris Bures, hat Parteigranden wie Wiens Bürgermeister Michael Ludwig mehrmals glaubhaft versichert, dass sie sich vieles im Leben noch vorstellen kann – aber auf keinen Fall Bundesparteichefin der SPÖ.
Die von Kaiser und gesellschaftsliberalen Wiener Spitzenfunktionären favorisierte Ex-Ministerin Pamela Rendi-Wagner hat zwar laut internen Daten der SPÖ-Bundes-Parteizentrale ausnehmend gute Werte was Beliebtheit und Themenkompetenz bei „Gesundheit“ und „Sozialem“ angeht.
Die ausgebildete Medizinerin verfügt aber – noch – über zu wenig Stallgeruch, als dass sie sich der breiten Unterstützung der Wiener Landespartei oder gar der Gewerkschaftsbewegung sicher sein könnte.
Scherbenhaufen
„Nur keine Experimente!“, lautet das Motto, das in der Sozialdemokratischen Gewerkschaftsfraktion FSG rund um FSG-Chef Rainer Wimmer und ÖGB-Boss Wolfgang Katzian ausgegeben wurde.
Die Beziehung zwischen Noch-Parteichef Kern und den Gewerkschaften ist mittlerweile nachhaltig zerrüttet. In der FSG spricht man von einem „riesigen Scherbenhaufen“, weil Kern zuletzt mit Interviews, Auftritten und vor allem seiner völlig überraschenden Demission die politische Dramaturgie der Gewerkschafter nachhaltig gestört, ja konterkariert hat.
Aus Sicht der SPÖ-Gewerkschafter ist klar: Es darf und soll keine Quereinsteiger an der Parteispitze geben. Maximale Verankerung in der Partei oder einer ihrer Teil-Organisationen geht vor.
SPÖ: Weiter Schockstarre in der Partei
Wobei das Anforderungsprofil, das das Präsidium dem neuen SPÖ-Chef bzw. der -Chefin gibt, fordernd bis gar nicht schaffbar ist: Er oder sie soll die Partei zunächst einmal beruhigen, zusammenhalten und die leidlichen Flügelkämpfe beenden.
Politische Erfahrung und Verwurzelung in der Struktur und Bewegung sind ebenfalls gefragt, zudem ein eloquentes und weltoffenes Auftreten, um in jenen Wählerschichten zu reüssieren, die etwa die Grünen mangels Präsenz nur schwer ansprechen können.
Und schließlich geht es den SPÖ-Granden auch darum, dass der oder die Neue an der Spitze Gerechtigkeit und Solidarität glaubwürdig verkörpert (siehe auch unten).
Fasst man all das zusammen, ist nicht weniger als ein Wunderwuzzi gefragt.
Gravitations- und Machtzentrum bei der Kandidatensuche ist die Wiener SPÖ. Und soweit KURIER-Recherchen ergeben haben, wird der Prozess der Nachfolger-Suche mittlerweile federführend von Partei-Routinierin Doris Bures geführt. „Bei ihr laufen die Fäden zusammen“, sagt ein hochrangiger Genosse.
Gibt es schon eine Short-List, also eine Aufzählung möglicher Kandidaten, über die abgestimmt werden soll?
Mitnichten. Am Donnerstag kursierten zahlreiche Namen, darunter auch jener von EU-Mandatarin Evelyn Regner, Gewerkschafter Roman Hebenstreit oder Ex-Minister Jörg Leichtfried.
Die Namen sind freilich mit besonderer Vorsicht zu genießen, denn noch ist nicht einmal klar, ob es definitiv eine Einzel- oder nicht möglicherweise sogar eine Teamlösung geben soll.
Auch wenn einflussreiche Genossen strikt dagegen sind, wird beispielsweise in der Gewerkschaftsbewegung noch darüber nachgedacht, ob nicht eine Interims- oder Zweier-Lösung an der Spitze zumindest bis zum EU-Wahltermin im Mai 2019 Sinn macht. „Dann hätte man mehr Zeit und könnte länger nachdenken, wer bei der nächsten Nationalratswahl als Spitzenkandidat für die SPÖ antritt“, sagt ein FSGler.
Latent schwingt bei allen Überlegungen mit, dass die Bundespartei auf keinen Fall jene Stellungs- und Positionskämpfe durchleben soll, die zuletzt in Wien zu beobachten waren. Nicht nur in der burgenländischen SPÖ warnt man davor, dass die Kür von Kandidatinnen wie Rendi-Wagner den Spalt in der Partei vergrößern könnte, weil die ausgebildete Medizinerin eben nicht für eine scharfe Haltung bei Sicherheits- und Asylfragen stehe, wie dies ein Hans Peter Doskozil verkörpere.
Die Zeit drängt jedenfalls. Denn in der Löwelstraße hieß es am Donnerstag: „Jeder Tag, den wir kopf- und führungslos sind, vergrößert den Schaden.“
Der gesuchte Wunderwuzzi müsste vereinfacht gesagt vier Typen vereinen:
Kommentare