Reformdiskussion überschattet Rendi-Wagners Kür zur Klubchefin

Rendi-Wagner, Drozda vor der SPÖ-Klubsitzung am Montag.
SPÖ-Jugend und "Sektion 8" fürchten, Mitgliederbefragung werde ignoriert - Leichtfried wird im Klub Rendi-Wagners rechte Hand.

Die SPÖ kommt nicht zur Ruhe. Am Tag der offiziellen Kür der neuen Parteichefin Pamela Rendi-Wagner zur Klubobfrau durch den Parlamentsklub macht sich spürbarer Unmut über die abgesagte Organisationsreform breit.

Diese geht auf den abgetretenen Christian Kern zurück und soll auf Druck der Wiener SPÖ nun doch nicht auf dem Parteitag Ende November beschlossen werden. Die Entscheidung über die Doch-Nicht-Reform fiel in einer SPÖ-Präsidiumsklausur am Sonntag. Und daran regt sich nun Kritik.

Die traditionell kritische Wiener SPÖ-" Sektion 8" sieht die verschobene Parteireform hochproblematisch. "Nichts wurde in der SPÖ so lange und breit diskutiert wie Organisationsreformen. Es gibt keinen inhaltlichen oder organisatorischen Grund, diesen Minimalkompromiss zu kübeln. Es gibt nur einen machtpolitischen und, mit Verlaub, den haben wir satt", erklärte man auf Twitter.

Parteinachwuchs macht Druck

Die SPÖ-Jugendorganisationen üben in einem Schreiben an den Bundesparteivorstand ebenfalls heftige Kritik an der Verschiebung der geplanten Parteireform und kündigen Widerstand in den Gremien an. "Nach sechs Jahren ist es nun an der Zeit, die Reformen endlich zu beschließen", so die jungen Roten in ihrem Schreiben.

Unterzeichnet wurde es von der Vorsitzenden der Sozialistischen Jugend, Julia Herr, der Vorsitzenden der Studentenorganisation VSStÖ, Katharina Embacher, Junge Generation-Chefin Claudia O'Brien, Bettina Rehner von den Roten Falken und Mario Drapela von der roten Gewerkschaftsjugend in der FSG.

Man verweist auf mehr als 70 Prozent Zustimmung von knapp 38.000 Mitgliedern zur Organisationsreform. Die Änderungen seien "somit in Stein gemeißelt und dürfen nicht mehr zur Diskussion stehen".

Rendi-Wagner: Änderungen werden kommen

Wie viele ihrer Landesparteichefs betonte die neue Parteichefin Pamela , die Statutenreform sei nur verschoben. Bundesgeschäftsführer Thomas Drozda sieht derzeit andere Prioritäten, wie er vor der Sitzung sagte. Klare Prioritäten seien ein neues Parteiprogramm und Weichenstellungen für die EU-Wahl.

Am Montag wurde sie trotz aller Verärgerung bei Jugend und Parteibasis einstimmig zur Klubobfrau gewählt. In einer außertourlichen Fraktionssitzung hätten alle 60 anwesenden Funktionäre für die neue Parteichefin gestimmt, teilte ein Sprecher der Fraktion mit. Rendi-Wagner folgt damit auf Christian Kern und übernimmt auch die Agenden des bisherigen geschäftsführenden Klubchefs Andreas Schieder.

Reformdiskussion überschattet Rendi-Wagners Kür zur Klubchefin

Jörg Leichtfried.

Leichtfried in neuer Rolle

Der frühere EU-Parlamentarier Jörg Leichtfried wird künftig sozusagen ihre rechte Hand in der Fraktion sein. Er soll sich als ihr Stellvertreter um die Bereiche Präsidiale und Geschäftsordnung kümmern, hieß es. Rendi-Wagner selbst freute sich über die "enorme Zustimmung". Sie wolle mit ihrer Fraktion ein "starkes Gegengewicht zur Regierung" bilden.

Länder-Parteichefs wollen beruhigen

Nicht zufällig rückten auch die meisten SPÖ-Landesparteichefs aus, um die Entscheidung, die Organisationsreform auf die lange Bank zu schieben, zu verteidigen. Neben Rendi-Wagner und  konnte auch Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) die Aufregung über die Verschiebung nicht nachvollziehen.Der Burgenländer Hans Peter Doskozil sprach ebenfalls davon, dass es "legitim" sei, wenn Rendi-Wagner sich in dem Diskussionsprozess noch einbringen wolle.

Auch der niederösterreichische SPÖ-Chef Franz Schnabl sagte, er habe kein Problem mit der Verschiebung der Statutenreform. Für die Umsetzung der Öffnung der Partei und der Stärkung der Mitglieder sehe er keinen Zeitdruck. Für den steirischen SPÖ-Obmann Michael Schickhofer ist die Verschiebung der Organisationsreform wie für Doskozil eine "legitime Entscheidung" Rendi-Wagners.

"Total gut"

Auch Tirols SPÖ-Obfrau Elisabeth Blanik äußerte sich in diese Richtung. "Wenn es Bedenken gibt, ist es immer besser, wenn es noch eine Diskussion gibt." Auch Salzburgs Walter Steidl und Vorarlbergs Martin Staudinger betonten, es gebe keine Eile.

Am positivsten äußerte sich Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ). Sie finde die Schwerpunktsetzung auf die neue Vorsitzende, auf Inhalte und den EU-Wahlkampf "total gut", sagte sie zur Frage der Aufschiebung. Und: "Zwei Jahre Verschiebung tangieren uns nicht."

Oberösterreich: Befragung bleibt Richtschnur

In Linz versuchte man hingegen auf die Kritik von der Basis einzugehen. Für Oberösterreichs SPÖ-Geschäftsführerin Bettina Stadlbauer ist die Organisationsreform aber nicht abgesagt. Vielmehr werde es am 18. Oktober im Bundesparteivorstand eine "Feinjustierung" der Reform geben. Da werde entschieden, welche Teile der Reform bereits beim Parteitag Ende November und welche erst in zwei Jahren beschlossen werden. Richtschnur müsse jedenfalls die Mitgliederbefragung sein.

Kritiker: Machtpolitische Interessen im Vordergrund

Die Reform sei laut " Sektion 8" jedenfalls ein Kompromiss gewesen, den der bisherige Bundesgeschäftsführer Max Lercher nach viel Einsatz allen Beteiligten abgerungen habe. Der Vorschlag habe durchaus Luft nach oben, allerdings sei die Forderung nach einer Urabstimmung von Koalitionsverträgen bahnbrechend. "Quasi eine Versicherung gegen den Gusenbauer-Effekt 2007." Dem früheren Bundeskanzler Alfred Gusenbauer war damals vorgeworfen worden, bei den Koalitionsverhandlungen von der ÖVP über den Tisch gezogen worden zu sein.

Kerns Pläne sahen grundsätzlich vor, die Partei zu öffnen und einfache Mitglieder stärker mitbestimmen zu lassen. Nun soll die Reform auf Wunsch der Wiener SPÖ überarbeitet und erst am nächsten Parteitag in zwei Jahren umgesetzt werden.

Die "Amtszeit-Klausel" – nach zehn Jahren brauchen Nationalratsabgeordnete zwei Drittel interne Zustimmung, um weitermachen zu dürfen –, gegen die sich vor allem der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig wehrt, wird laut " Sektion 8" nur "symbolischen Effekt" haben. 66 Prozent seien ja keine echte Hürde, wenn es, wie in der SPÖ üblich, nur einen Kandidaten für eine Position gibt. "Es geht also um etwas Prinzipielles. Nichts soll sich ändern. Niemand soll sich ändern müssen. Niemand will Macht abgeben, am wenigsten an die Mitglieder", so die kritischen Genossen.

Wiener Bürgermeister gegen "Vereinsmeierei"

Ludwig, dessen Wiener Partei auf die Vertagung der Reform drängte, begründete dies am Montag damit, dass man den Fokus auf die neue Vorsitzende und die inhaltliche Ausrichtung und nicht auf "Vereinsmeierei" legen wolle. Diese Vorgangsweise habe man einstimmig im Bundesparteipräsidium beschlossen.

Zur deutlichen Kritik an der vorläufigen Absage der Reform, die unter anderem von der "Sektion 8" und den Jugendorganisationen gekommen war, meinte er: "Die Parteibasis ist eine sehr breite. Wir haben in Wien über 230 Sektionen, wenn sich da eine Sektion mit starker Unterstützung der Medien meldet, ist das noch nicht die gesamte Basis."

"Sektion 8": Undemokratische Personalentscheidungen

Die SPÖ operiere 2018 mit einer 130 Jahre alten Struktur. "Personaldiskussionen fallen hinter verschlossenen Türen, völlig unnachvollziehbar und mitunter ohne irgendeine erkennbare Strategie. Die, die hinter geschlossenen Türen entscheiden, verlangen aber blinde Loyalität von allen anderen. Vor allem von den Mitgliedern, die Beiträge zahlen, Hausbesuche machen und Überzeugungsarbeit leisten." Man fordere, die SPÖ vom Kopf auf die Füße zu stellen. Man wolle ein Ende der Einheitslisten und vielmehr Mitgliederabstimmungen.Kritisch wird von der "Sektion 8" auch angemerkt, dass das Ergebnis der Mitgliederbefragung "als bedeutungslos" beiseite geschoben werde.

SPÖ-Statutenreform für Rendi-Wagner nur verschoben

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