Doskozil zu SPÖ-Streit: "So geht man intern nicht miteinander um"
Der burgenländische Landeshauptmann über den parteiinternen Konflikt um die EU-Kandidatenliste, das Israel-Bekenntnis in der SPÖ und den VfGH-Spruch zu den ORF-Gremien.
KURIER:Herr Landeshauptmann, dass die Bundespartei Norbert Darabos den 5. Platz auf der EU-Kandidatenliste verweigert hat, wie sehr trifft das das Burgenland?
Hans Peter Doskozil: Ich will nicht beleidigt klingen, wir sind auch nicht beleidigt. Aber nicht nur ich, sondern auch unser gesamter Landesparteivorstand und viele darüber hinaus empfinden das als nicht fair. So geht man in einer Partei, in der man sehr viel auf Solidarität und Gerechtigkeit nach außen hin hält, intern nicht miteinander um. Man braucht schon eine gewisse Handschlagqualität. Weil genauso, wie man intern miteinander umgeht, so muss man auch der Bevölkerung entgegentreten. Deswegen ist das für mich schon eine gewisse Enttäuschung.
Sie haben nach dem Landesparteivorstand mit drei Worten benannt, was Ihnen in der Partei fehlt: Verlässlichkeit, Vertrauen, Berechenbarkeit. Das ist eine harte Ansage, wenn es um die eigene Partei geht.
Wir brauchen gar nichts beschönigen. Es war im Jahr 2018 ein Vorstandsbeschluss, wo man noch unter Bundesgeschäftsführer Thomas Drozda einen Berechnungsschlüssel für die Listenerstellung definiert hat. Ich war damals persönlich dabei. Ich will jetzt gar nicht mehr darüber diskutieren, dass unser Platz schon 2019 falsch berechnet worden ist. Aber wenn man sich nicht an objektive, selbst beschlossene Regeln hält und dann noch mit Argumenten diese falsche Vorgangsweise zu unterlegen versucht, trifft das genau zu, was ich gesagt habe.
Es wird auf der EU-Kandidatenliste der SPÖ kein burgenländischer Kandidat aufscheinen. Wie wollen Sie die Wähler motivieren, bei der EU-Wahl die SPÖ anzukreuzen?
Im Burgenland haben wir schon genug Möglichkeiten, die Wähler zu motivieren, indem wir ihnen genau vor Augen führen, wo die Europäische Union – insbesondere in der Förderpolitik – dem Burgenland etwas gebracht hat. Vor allem aus dem Ausschuss der Regionen heraus, wo wir einen Vertreter sitzen haben. Wie wir im Burgenland damit umgegangen sind und umgehen, das hat auch eine sehr starke sozialdemokratische Handschrift.
Beim Parteitag der SPÖ am 11. November in Graz werden Sie nicht dabei sein, weil gleichzeitig im Burgenland der Landesfeiertag begangen wird. Hat man diese Terminkollision nicht verhindern können?
Wenn man die Terminkollision verhindern hätte wollen, dann hätte man sie wahrscheinlich verhindern können. Mehr will ich dazu gar nicht sagen, weil ich bei der Terminfindung auf Bundesebene nicht eingebunden war. Ich habe am Landesfeiertag Verpflichtungen im Burgenland.
Grundsätzlich dazu: Was erwarten Sie sich als SPÖ-Landesparteiobmann von dem Parteitag in Graz?
Was ich mir gewünscht hätte, wäre, dass dort eine stärkere Einbindung der Mitglieder beschlossen würde. Eine Änderung der Statuten, dass der zukünftige Parteivorsitzende von den Mitgliedern gewählt wird und dass ein mögliches Koalitionsabkommen ebenfalls einer Mitgliederbefragung unterzogen wird. Dass da jetzt nur ein Teil abgeschwächt kommt, ist einerseits positiv, weil überhaupt etwas geändert wird, andererseits muss es mit einem weinenden Auge gesehen werden, weil nicht alles kommt. Es wäre jedenfalls ein Zeichen der Verlässlichkeit gewesen, wenn die Mitgliederbefragung so gekommen wäre, wie sie von Andreas Babler und mir beim Bundesparteitag im Juni angekündigt worden ist.
Wie stark ist eigentlich eine SPÖ-Bundespartei, wenn zwei so starke Landeshauptleute – Sie und Wiens Bürgermeister Michael Ludwig – in den obersten Gremien nicht vertreten sind?
Die Stärke einer Bundespartei definiert sich – so wie es bei uns in der Sozialdemokratie ist – nur zu einem geringen Teil darüber, wer ad personam in den Gremien sitzt. Vieles, was in den Gremien beschlossen wird, ist sehr oft schon vor den Sitzungen ausgemacht worden. Deswegen definiert sich für mich die Stärke einer Bundespartei mehr darüber, wie ich gegenüber den Wählern auftrete und wie die Wahlergebnisse sind.
Wie ist eigentlich momentan Ihr Verhältnis zum Wiener Bürgermeister Michael Ludwig?
Ich will gar nicht zu viel hineininterpretieren. Ich will aber auch nichts beschönigen. Es gibt bei persönlichen Beziehungen immer wieder Up und Downs. Das ist auch eine Art der persönlichen Beziehung, die eine Talsohle erreicht hat. Und irgendwie habe ich den Eindruck, dass diese Talsohle derzeit nicht durchschritten werden kann.
Konflikt um EU-Wahlliste
Ex-Minister Norbert Darabos sollte für die EU-Wahl 2024 aufgestellt werden. Im Burgenland hatte man damit gerechnet, dass er Platz fünf auf der Liste erhalten werde. In Wien teilte man ihm aber nur den 7. Platz zu. Deshalb stellt das Burgenland nun gar keinen Kandidaten auf.
Rückzug aus Wien
Hans Peter Doskozil ist in den SPÖ-Bundesgremien nicht mehr vertreten. Er wird jetzt aber seinen Vertrauten, Klubobmann Roland Fürst, in den Bundesparteivorstand entsenden.
Was derzeit in ganz Österreich, aber speziell in Ihrer Partei diskutiert wird, ist das Verhältnis zu Israel im Hinblick auf den aktuellen Konflikt im Nahen Osten. Sie haben vor Kurzem im Gedenken an den Warschauer Aufstand in Polen einen Kranz niedergelegt und dort auch das jüdische Museum besucht. Wie beurteilen Sie die Diskussion?
Da muss man schon klar sagen: Diejenigen, die sich nicht mit Israel solidarisch erklären, sondern in eine andere Kerbe schlagen und Israel sogar das Existenzrecht absprechen oder den Terrorangriff der Hamas relativieren, die haben aus meiner Sicht in einer Sozialdemokratie in Österreich nichts verloren. Die müssen ausgeschlossen werden. Und ich hoffe, dass man dem jetzt auch nachkommt.
In der EU wird stark über Asylpolitik diskutiert. In vielen Ländern steigt die illegale Migration, in Österreich geht sie zurück. Hier habe man es im Griff, wie Innenminister Gerhard Karner zuletzt sagte. Dennoch kommt Kritik aus dem Burgenland. Warum?
Ich weiß nicht, was der Innenminister im Griff hat. Höchstwahrscheinlich hat er es im Griff, wenn die Polizeimusik auftreten muss oder wenn er eine Inspektion eröffnet. Die Asylpolitik hat er aber bei Weitem nicht im Griff. Der größte strategische Fehler des vergangenen Jahres, den die ÖVP und speziell der Innenminister gemacht haben, ist die Verhinderung der Schengenerweiterung.
Ist das nicht ein Widerspruch, weil das Schengen-Veto gibt es ja, damit die EU ihre Außengrenzen in Zukunft besser schützt?
Ich weiß, dass es widersprüchlich klingt, aber: Den Beitritt von Bulgarien und Rumänien per se zu verhindern, um in der EU als Blockierer aufzutreten, mag zwar für die ÖVP politisches Kleingeld bedeuten, für eine restriktivere Asylpolitik, wie ich und wahrscheinlich auch die ÖVP sie verstehe, war es der größte Fehler. Sinnvoller wäre gewesen, zuzustimmen und das damit zu verknüpfen, dass an der Grenze zwischen Bulgarien und der Türkei das erste Verfahrenszentrum außerhalb der EU errichtet wird. Das wäre der erste Schritt zu dem gewesen, was nötig ist und seit Jahren beschworen wird: Asylverfahren außerhalb der EU-Grenzen abzuwickeln. Dafür wurde jetzt ein historisches Fenster verpasst. Außerdem werden wir in Österreich in Zukunft noch restriktiver werden müssen, offensichtlich sind wir als Zielland für Schlepper noch zu attraktiv.
Sie haben den Verfassungsgerichtshof eingeschaltet, weil die ORF-Gremien zu parteipolitisch besetzt wären. Der VfGH verlangt jetzt von der Regierung eine Neuregelung. Was erwarten Sie sich?
Ich hoffe, dass es zu einer Entflechtung von ORF und Politik kommt, dass der ORF selbstständig und jenseits der Parteipolitik agieren kann. Dass andererseits aber auch gesichert ist, dass er überlebt, dass er finanziert ist. Wir schauen uns jetzt genau an, was da herauskommt. Wir scheuen auch nicht einen zweiten Gang zum Verfassungsgerichtshof, wenn jetzt diese Neukodifizierung wieder dazu führt, dass die Regierungsparteien – gleichgültig welche Parteifarbe – in den ORF hineinregieren. Ich würde mir auch noch wünschen, dass man beleuchtet, wie viele offizielle Gelder in die Inseratenpolitik fließen. Natürlich gibt es gewisse Informationspflichten der öffentlichen Hand. Aber viel lieber wäre mir, dass das nach objektiveren und planbaren Regeln abläuft und ausgeschlossen ist, dass eine Berichterstattung davon abhängt, wie viele Gelder in ein Medium fließen.
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