"Heute ist Österreich schutz- und wehrlos"
Die angekündigte Strukturreform hat nicht die Zielsetzung, die Aufgaben des Bundesheeres bestmöglich zu erfüllen, sondern an das verfügbare Budget anzupassen, also zu reduzieren. Dafür gibt es jedoch keine Legitimität – das wäre ein Bruch der Verfassung durch die Bundesregierung." Drastische Worte waren Dienstag bei der Pressekonferenz der Plattform wehrpolitischer Verbände zu hören. Jene Plattform mit insgesamt 300.000 Mitgliedern, die zur Aufrechterhaltung der Wehrpflicht gegründet wurde, warnt nun vor einem drohenden Zusammenbruch der Armee.
Erich Cibulka, Chef der Offiziersgesellschaft: "In wenigen Monaten wird das Bundesheer seine Rechnungen nicht mehr bezahlen können." Niemand käme auf die Idee, Feuerwehren oder Rettungsdiensten die Autos wegzunehmen, deren Reparatur nicht mehr zu bezahlen oder das Geld für Benzin zu streichen. Beim Bundesheer sei das aber bereits Realität.
Vizeleutnant Paul Keller von der Unteroffiziersgesellschaft beklagt, dass viele Berufssoldaten ihren Job aufgeben, weil die weiterführenden Kurse gestrichen wurden. Sogar teuer ausgebildete Eurofighterpiloten würden die Zulassungen verlieren, weil sie bei dem marginalen Flugbetrieb nicht mehr auf die geforderten Flugstunden kämen.
Schutzlos
Die Kritiker sind sich einig: Ein Grenzsicherungseinsatz wie im Jahre 1991 sei heute nicht mehr möglich. Angesichts der Annexion der Krim durch Russland und die Gefahr einer Ausweitung der Krise auf Moldawien fürchten die Vertreter der Wehrverbände, dass ein Grenzsicherungseinsatz wieder nötig werden könnte. "Heute wären wir aber in dieser Situation schutz- und wehrlos."
Die Verbände wollen insbesondere Kanzler Werner Faymann (SP) und Vizekanzler Michael Spindelegger (VP) in die Pflicht nehmen, die für die Sparvorgaben verantwortlich gemacht werden. "Während in vergleichbaren Ländern wie Schweden und Finnland intensiv über die Aufstockung des Verteidigungsbudgets und auch die Anschaffung moderner Waffensysteme diskutiert wird, wird in Österreich das Bundesheer still und heimlich zu Grabe getragen."
Verteidigungsminister Gerald Klug bezeichnete das Sparpaket zwar als "Herkulesaufgabe" für das Ressort, sieht aber die Einsatzfähigkeit nicht gefährdet. Man müsse aber das Bundesheer auf die "militärisch einsatzwahrscheinlichen Aufgabenstellungen" reduzieren (siehe unten).
Dass das Bundesheer "auf Zeit mit diesem Budget nicht mehr finanzierbar" sei, verlautbarte Verteidigungsminister Gerald Klug (SPÖ) schon vor mehreren Wochen. Er gab dem Generalstab den Auftrag, die Auswirkungen der Einsparungen zu analysieren. Das Ergebnis ist alarmierend: Ab Herbst kann nicht einmal mehr die Benzinrechnung bezahlt werden.
Das Bundesheer hatte schon bisher keinen Spielraum mehr. Bei einem Gesamtbudget von 1,948 Milliarden Euro gehen 1,3 Milliarden für Personalkosten drauf. Der Investitionsbereich wurde heuer auf null gesetzt. Das bedeutet, dass nicht einmal mehr eine abgebrochene Zeltstange ersetzt werden kann. Keine Hoffnungen gibt es auch für Bauprojekte wie in der Kaserne Melk. Dort verrottet nun teures Pioniergerät, weil die Garagen fehlen.
In Gefahr ist aber auch die Black-Hawk-Hubschrauberflotte. Es müsste dringend ein Update beim Hersteller Sikorsky im Umfang von 50 bis 80 Millionen eingeleitet werden. Sonst sind die Hubschrauber ab dem Jahr 2018 nachtblind, und spätestens 2020 verlieren sie die Flugzulassung. Geld dafür ist aber nicht in Sicht.
Finanzloch
Trotz des Verzichtes auf Investitionen tut sich aber dieses Jahr erstmals auch eine Finanzierungslücke von 355 Millionen auf. Das schlägt sich unmittelbar im laufenden Betrieb nieder.
Schon jetzt kann etwa die 7. Jägerbrigade in Klagenfurt nur mehr wenige Kompanien mit Fahrzeugen transportieren. Die Folge: Die Soldaten müssen zu Fuß gehen. Es entstehen wieder "Fußtruppen" wie zu Napoleons Zeiten. Das wird sich nach Erkenntnissen der Generalstäbler auch auf den Einsatz auswirken. Wohl wird das Bundesheer wie bisher in den Hochwassereinsatz gehen, aber in der Anfangsphase nur mit einem Fünftel der Kräfte. Der Rest der Truppe kommt später, weil zivile Autobusse angemietet werden müssen.
Reine Makulatur seien daher auch die Versprechen der Politik, den Grundwehrdienst und die Miliz attraktiver zu machen.
Überstandpersonal
Ein Licht am Horizont ist nicht in Sicht. Michael Bauer, Sprecher des Verteidigungsministeriums: "Die Einschnitte sind sehr schmerzhaft, aber es führt kein Weg daran vorbei." Heute will eine Plattform der wehrpolitischen Organisationen auf die "Demontage des Bundesheeres und die damit verbundene Bankrotterklärung der Wehrpolitik in Österreich" aufmerksam machen.
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