Spannende Zeitreise durch 100 Jahre österreichische Geschichte
Mit seinem 1200-Seiten-Buch "Der Erste Weltkrieg und das Ende der Habsburgermonarchie" hat der Militärhistoriker Manfried Rauchensteiner Großes und Bleibendes geschaffen. Nun legt er nach und setzt auf 630 Seiten fort, wo sein Standardwerk über den Zerfall der Habsburgermonarchie geendet hatte.
In seinem neuen Buch "Unter Beobachtung. Österreich seit 1918" breitet Rauchensteiner die bewegte Geschichte unseres nun fast schon 100 Jahre alten neuen, kleineren Vaterlandes aus. Jahrelange Recherche in Bibliotheken und Archiven geben dem Buch eine Lebendigkeit, wie sie nur aus tiefer Sachkenntnis entstehen kann. Das Ergebnis ist ein sehr lesbares Buch, das immer wieder mit Details überrascht, die Altbekanntes in neuem Licht erscheinen lassen. Und mit tausenden Originalzitaten Vergangenes lebendig macht.
Neues, kleineres Land bettelarm
Überraschend schon die erste große Feststellung: Ende 1918 sah man in Österreich die Zukunft durchaus optimistisch. In der neuen, alten Hauptstadt Wien saßen die Banken und die Generaldirektionen der großen Unternehmen. Ein in vielen Jahrzehnten erprobtes Geben und Nehmen zwischen den Regionen des alten Reiches würde sich sicher fortsetzen lassen. Dachte man. Erst nach dem endgültigen Verlust der deutschsprachigen Teile von Böhmen und Mähren, der Untersteiermark und Südtirols zeigte sich, dass das neue Land bettelarm war. Und dazu von unversöhnlichen Parteigegensätzen geprägt, mit gewaltigen paramilitärischen Organisationen, die für einen Bürgerkrieg rüsteten. Und einer Regierung, die Anfang der Dreißigerjahre konsequent den Weg in die Diktatur ging.
Große beobachten Österreich mit Argwohn
Den Titel "Unter Beobachtung" hat Rauchensteiner mit Bedacht gewählt. Es scheint ihm, dass das kleine Österreich von den Großen immer wieder argwöhnisch betrachtet wurde und wird. Das beginnt bei dem mehrfach eingeforderten Verzicht auf einen Anschluss an Deutschland. Das geht weiter über ausländische Kommissare, die in den 1920er Jahren als Gegenleistung für Hilfsgelder den Umbau des Staates überwachten. Und endet bei dem Aufsehen, das die Waldheim-Jahre und die Hereinnahme der Haider-FPÖ in die Regierung in Europa erregten.Ein spannendes, ein lesenswertes Buch.
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