Sozialversicherungs-Reform: Länder-Kassen toben

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Einsparungen in Höhe von einer Milliarde "illusorisch". Verfassungsklage gegen Kassenreform angekündigt.

Weniger Geld für Bürokratie und Funktionäre, mehr Geld für medizinische Leistungen für die Versicherten: Wer der Bundesregierung glaubt, kann die am Freitag vorgestellte Reform des heimischen Sozialversicherungssystems kaum schlecht finden.

Nur: Viele, die das System von innen kennen, glauben der Regierung nicht. Vor allem die Länder-Gebietskrankenkassen (GKK), die laut Regierungsplan zur Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) zusammengelegt werden sollen, rebellieren.

Besonders deutliche Worte findet der Obmann der steirischen GKK, Josef . Er spricht gegenüber dem KURIER von der "Ausschaltung der Selbstverwaltung", ja von einer "feindlichen Übernahme" und einem "massiven Anschlag" auf die Arbeitnehmer, deren Vertreter - "mit hanebüchenen Argumenten" - aus der Sozialversicherung hinausgedrängt werden sollen. In Zukunft würden die Arbeitgeber ihren Mitarbeitern erklären, "was für ihre Gesundheit angemessen ist", während sie selbst mit ihren Familien in einer anderen "Schmuckkästchen-Versicherung" versichert wären, tobt Harb.

Reform der Sozialversicherung präsentiert

Einsparungen "nicht nachvollziehbar"

Vor allem die von der Bundesregierung angekündigten Einsparungen in Höhe von einer Milliarde Euro seien eine Mogelpackung. Das sieht auch Jan Pazourek so. Für den Generaldirektor der nö. GKK ist die avisierte Milliarde durch das nicht-Nachbesetzen von Verwaltungsstellen "überhaupt nicht nachvollziehbar".

Österreichweit würden in der Verwaltung der Sozialversicherungen pro Jahr ungefähr 220 Personen in Pension gehen. Selbst, wenn diese Posten alle nicht nachbesetzt werden, "sind wir in 50 Jahren noch immer nicht bei ein Milliarde", sagt Pazourek. Außerdem würden ja die Dienstgeber-Beiträge zur Unfallversicherung reduziert, wodurch in Wahrheit Geld aus dem Gesundheitssystem abgezogen würde. Das sei "Sparen bei den Patienten und nicht im System".

Als "völlig illusorisch" bezeichnet auch Manfred Brunner, Obmann der Vorarlberger GKK - und damit einer von zwei ÖVP-dominierten Kassen - die vielzitierte Milliarde. Das Einsparungspotenzial sei insgesamt nicht annähernd so hoch: "Da müsste man geradezu alles zusperren". Der Hauptverband der Sozialversicherungsträger habe von möglichen Einsparungen durch Aufgabenbündelungen in der Höhe von 120 Millionen pro Jahr gesprochen, das scheine "realistisch", sagt Brunner. Darüber hinaus befürchtet auch der Vorarlberger Kassenchef Einsparungen "zu Lasten der Versicherten".

Und schließlich gibt es noch die offene Frage der durch die Zusammenlegung der Träger entstehenden Kosten. Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein ( FPÖ) hatte diese unter Hinweis auf die Zuständigkeit der Selbstverwaltung nicht angeben können. Der Niederösterreicher Pazourek befürchtet freilich entsprechende Kosten von einer halben Milliarde Euro - und darüber hinaus "auf lange Sicht eine weitere Verteuerung des Systems".

Bestes Beispiel dafür sei die 2003 erfolgte Zusammenlegung der Pensionsversicherungsträger für Arbeiter und Angestellte, die laut Rechnungshof neben unmittelbaren Fusionskosten von 200 Millionen bei der neu geschaffenen PVA auch einen stärkeren Anstieg der Verwaltungskosten als bei allen anderen SV-Trägern gebracht hätte, sagt Pazourek.

ÖGK ein "Moloch, der Geld verschlingt"

Und auch Josef Harb befürchtet anstatt Einsparungen einen zentralisierten "Moloch, der Geld verschlingt, das hat die Republik noch nicht gesehen".

Darum steht es für ihn auch "völlig außer Zweifel, dass wir Verfassungsklagen einbringen werden" - und geht auch davon aus, dass man innerhalb der Kassengemeinschaft zu einer gemeinsamen Position finden" werde. Mit seinem Kollegen aus Niederösterreich befindet er sich da auf einer Linie: Nach dem, was man bisher wisse, "wird es an mehreren Punkten verfassungswidrig sein" und man werde überlegen, in welcher Form man "das Höchstgericht anruft", sagt Pazourek.

Der Vorarlberger Manfred Brunner ist hingegen noch optimistisch, den Gang zum Verfassungsgerichtshof vermeiden zu können. "Da muss es eine Einigung geben", das sei eine "zwingende Notwendigkeit", wenn man wolle, dass man das System in Ruhe in die Zukunft führen wolle.

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