Regierung geht Folgen der Sanktionen an
Die Krise in der Ukraine und die damit einhergehenden EU-Sanktionen gegen Russland werden auch in der österreichischen Wirtschaft immer stärker spürbar. 2000 von 2400 MAN-Mitarbeitern in Steyr (OÖ) werden in den kommenden Monaten nicht Vollzeit, sondern nur zu 60 Prozent arbeiten, aber 90 Prozent ihres Nettolohns erhalten. Möglich sein wird dies durch eine Unterstützung des AMS. Der Lkw-Hersteller hat, wie berichtet, einen Antrag auf Kurzarbeit gestellt, weil die Firma um einen Großauftrag aus Russland umgefallen sein dürfte.
Gipfel im Kanzleramt
Kurzarbeit ist eines jener Instrumente, die sich laut Regierung in Zeiten der Wirtschaftskrise bewährt haben und daher auch nun wieder eingesetzt werden sollen – um die Folgen des Konflikts zwischen Russland und der Ukraine für die heimischen Betriebe und deren Mitarbeiter abzufedern. Darüber werden am Mittwoch die Regierungsspitzen mit den Chefs der Sozialpartner bei einem Gipfel im Kanzleramt reden. Es wird auch darum gehen, wie man den Unternehmen bei der Suche nach neuen Absatzmärkten helfen kann. Dass Kurzarbeit nun wieder in vielen Betrieben nötig werden könnte, glaubt Sozialminister Rudolf Hundstorfer nicht: "Russland ist nicht unser Haupt-Export-Land." Selbst bei MAN sei nur ein Teil der wirtschaftlichen Schwierigkeiten auf die Probleme mit Russland zurückzuführen.
Schelling: Entwarnung bei Auswirkungen
Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) sagt im Ö1-Morgenjournal, dass er im Rahmen des Gipfels ein Maßnahmenpaket vorstellen möchte. Drastische Auswirkungen auf das Budget erwartet er nicht.
Bundeskanzler Werner Faymann strich am Dienstag hervor, dass sich die kriegerische Auseinandersetzung zwischen der Ukraine und Russland aber auch ohne die Sanktionen der EU auf die Wirtschaft auswirken würde. Schließlich gebe es einen psychologischen Effekt. Firmen würden in Krisenregionen weniger investieren. Die Sanktionen würden nur fünf Prozent der Import-Export-Güter betreffen.
Dem widerspricht Wifo-Experte Oliver Fritz. Die EU-Russland-Sanktionen sowie Gegenmaßnahmen Moskaus könnten Österreich einen volkswirtschaftlichen Schaden von 775 Millionen Euro bescheren, was der Gefährdung von 11.000 Jobs entspreche, erklärte er gegenüber dem Standard (Mittwoch-Ausgabe).
Dass an Sanktionen kein Weg vorbei führt, steht für die Regierung außer Zweifel. "Als Wirtschaftsminister habe ich natürlich keine Freude mit den Sanktionen", sagte ÖVP-Vizekanzler Reinhold Mitterlehner. Diese seien aber praktisch alternativlos.
Auch Faymann betonte einmal mehr, dass die Ukraine ein souveräner Staat sei und man nicht akzeptieren könne, dass sich dort Soldaten aus dem Nachbarland aufhalten – unter fadenscheinigen Gründen ("Urlaub").
KURIER: Sie sind Aufsichtsratsvorsitzender von Russian Machines und gelten als Putin-Freund. Wie eng sind Sie mit dem russischen Präsidenten tatsächlich?
Siegfried Wolf: Wir haben ein sehr korrektes, wirtschaftlich respektiertes Verhältnis. Ich vertrete ein großes Unternehmen mit 200.000 Mitarbeitern. Da gibt es immer wieder die eine oder andere Begegnung. Aber Freundschaft ist sicher etwas anderes, Herr Putin sucht sich seine Freunde selbst aus.
Die EU hat die Verschärfung der Wirtschaftssanktionen gegen Russland vorläufig ausgesetzt. Halten Sie Sanktionen grundsätzlich für sinnvoll?
Sanktionen sind meiner Meinung nach nie zielführend. Sie helfen niemandem, sondern diskriminieren und fordern Gegensanktionen heraus. Man muss sehr gut überlegen, bevor man über Sanktionen überhaupt diskutiert. Es ist sicher besser, sich an den Verhandlungstisch zu setzen.
Russland droht Europa als Reaktion mit einem Überflugverbot. Die Situation schaukelt sich offenbar gegenseitig auf.
Ich halte es für absolut nicht zielführend, die wirtschaftlichen Sanktionen zu verschärfen. Ganz wichtig ist jetzt, dass der Waffenstillstand hält. Die Situation ist sehr gefährlich. Mit Sanktionen lässt sich die russische Föderation sicher nicht einschüchtern.
Aber der russischen Wirtschaft geht es alles andere als gut. Wie lange hält Russland verschärfte Sanktionen aus?
Russland geht es wie der EU. Beide sind nicht gerade von Wachstum geplagt und haben ähnlich niedrige Wachstumsraten. So um ein Prozent. Schon deshalb sollten wir eine Lösung finden. Die Friedensbemühungen müssen mit aller Vehemenz umgesetzt werden. Wir Europäer brauchen Russland und Russland braucht uns. Europa befindet sich immer noch im Kielwasser der USA, daraus sollte sich die EU befreien.
Kann eine Verschärfung der Sanktionen zum Bumerang für die EU werden?
Europa ist ein verlässlicher Energie-Abnehmer und das weiß Russland auch zu schätzen. Das Gasthema, Technologie und die Finanzwelt müssen aus der Sanktionsthematik herausgehalten werden, um einen volkswirtschaftlichen Fundamentalschaden zu verhindern. Wenn man über Sanktionen redet, die Russland wirklich treffen, dann sind das der Finanz- und der Technologiebereich. Das schmerzt am meisten. Kurzfristig Russland, aber langfristig auch Europa.
Der Lkw-Bauer MAN in Steyr kündigt Kurzarbeit für 2000 Mitarbeiter an, weil ein Russland-Auftrag wegbrach.
Denken wir daran, dass in Österreich insgesamt rund 55.000 Arbeitsplätze und 1250 Unternehmen von geschäftlichen Verbindungen mit Russland betroffen sind.
Sie sind Aufsichtsratsvorsitzender der Sberbank Europe mit Sitz in Wien. Wirken sich die Sanktionen schon auf die Bank aus?
Österreichs Regierung hat sehr positiv gehandelt, nicht bei allen Sanktionsbereichen mitzuziehen. Aber natürlich ist die Unsicherheit zu spüren. Kommt das nächste Sanktionenpaket, sind die Banken nicht mehr auszuschließen. Das ist dann sicher ein Thema für die Sberbank, aber auch für die österreichischen Banken in Russland.
Sie sprechen von Deeskalierung. Meinen Sie damit nur die EU oder auch Russland?
Auch Russland. Das Land hat das Gefühl, von Europa nicht ernst genommen zu werden. Das hat sich bei der Energiecharta gezeigt, wo Russland wieder ausgeladen wurde. Europa und Russland sind in einer Situation, in der wir die größten Probleme der Nachkriegszeit haben – Ägypten, Irak, Syrien, Libyen. Schon deshalb muss alles getan werden, natürlich von beiden Seiten, um zu deeskalieren. Der Wille dazu ist in Russland vorhanden, aber Europa muss jetzt zeigen, dass es Russland ernst nimmt. Bisher hat nur Putin eine Friedenslösung vorgelegt.
Halten Sie eine Zukunft der Ukraine als unabhängiger Staat für realistisch?
Ja, mit Unterstützung von Russland. 78 Prozent der ukrainischen Wirtschaft hängen direkt mit Russland zusammen, daher ist ein intaktes Verhältnis wichtig. Die Menschenrechte müssen ohne Einschränkungen eingehalten werden, das ist gar keine Frage. Die Wirtschaft darf nicht über die Menschenrechte gestellt werden.
Europa hat die Ukraine allerdings vor die Alternative eines EU-Beitritts gestellt. Das war eher ein unkluger Schachzug, in Wirklichkeit war das nämlich ein Ultimatum. Griechenland hat die EU rund 180 Milliarden Euro gekostet. Die Ukraine ist zehn Mal so groß. Die EU kann doch nicht allen Ernstes über einen Beitritt der Ukraine diskutieren, wer soll das denn bezahlen?
Wie negativ ist das Klima in Russland derzeit gegenüber westlichen Investitionen? Die Einladung, in Russland zu investieren, steht nach wie vor. Ich bin sehr viel in Russland und habe den Eindruck, dass Investitionseinschränkungen eher vom Westen ausgehen als vom Osten.
Aber würden Sie einem Unternehmen jetzt tatsächlich empfehlen, in Russland zu investieren? Ich würde mir das sicher sehr genau anschauen. Derzeit gibt es ein Problem mit dem Kapitalmarkt. Es ist sehr schwer, Kapital für Investitionen in Russland zu beschaffen. Doch wie soll jemand investieren, wenn er die Unterstützung der Banken nicht hat. Die russischen Banken stehen auf der Sanktionsliste, die Beschaffung von Kapital auf dem internationalen Finanzmarkt ist unheimlich schwierig. Die Banken sind international sehr vorsichtig. Unsicherheit ist immer ein schlechter Ratgeber.
Zur Staatsholding ÖIAG. Wie sehr bedauern Sie als Aufsichtsratsvorsitzender den sofortigen Rücktritt von Top-Managerin Brigitte Ederer?
Ich kenne Frau Ederer lange und schätze sie sehr. Wir hatten immer eine offene, korrekte Gesprächskultur. Sie hat mir ihren Rücktritt mit Corporate Governance und der Zahl ihrer Aufsichtsratsmandate erklärt. Daher sollte man nicht von außen Auffassungsunterschiede herbeireden. Der Rücktritt war ihre Planung und Entscheidung.
Man muss doch nicht viel interpretieren, um zu wissen, dass Sie und Ederer natürlich andere Standpunkte vertraten. Zum Beispiel bei der Telekom Austria.
Es gibt Standpunkte, zu denen steht man oder nicht. Ich wünsche Frau Ederer alles Gute und sehe keinen Grund, nicht weiterhin sachlich und korrekt mit ihr zusammenzuarbeiten. So wie in den vergangenen Jahren bei Siemens auch schon.
Kommentare