Sozialhilfe: ÖVP und FPÖ sind beim Vermögen uneins
Sie wollten die Sache am Mittwoch beschließen, soweit waren sich ÖVP und FPÖ seit Tagen einig.
Allein: Ob die neue Mindestsicherung tatsächlich noch diese Woche und in diesem Ministerrat beschlossen werden kann, blieb zuletzt offen.Worum geht es?
Die Bundesregierung will die Mindestsicherung – also die Armenhilfe – wieder bundesweit einheitlich regeln und bei der Gelegenheit neue Regeln einziehen.
Sprachkurse
Weitgehend außer Streit steht, dass sich die Mindestsicherung weiterhin an der Mindestpension (derzeit 863 Euro) orientieren und dass sie an bestimmte Kriterien geknüpft werden soll: Für Menschen mit schlechten Deutschkenntnissen und ohne Pflichtschulabschluss könnte es eine Verschärfung geben, als ihnen 300 Euro weniger ausbezahlt werden; im Gegenzug gibt es einen Sprachkurs im gleichen Wert. Steigen die Deutschkenntnisse auf ein mittleres Sprachniveau, winkt auch ihnen die volle Summe.
Allein diese Unterscheidung ist rechtlich heikel, weil sie zwar nicht formal, aber real Flüchtlinge und Menschen mit Migrationshintergrund stärker treffen wird, also diskriminiert. Aber dazu später mehr.
Das derzeit größte Problem stellt laut KURIER-Recherchen ein Thema dar, das beide Regierungsparteien für sich als Frage der Gerechtigkeit sehen: Soll man beim Bezug der Mindestsicherung sofort auf das Vermögen der Betroffenen zugreifen?
Während sich die Freiheitlichen vorstellen können, den derzeit geltenden Zugriff auf Vermögen zumindest bei Immobilien-Eigentum zu streichen, spürt die ÖVP-Regierungsmannschaft in diesem Punkt besonders stark die Skepsis aus den ÖVP-geführten Ländern.
Vereinfacht gesagt geht es um folgende Sicht: Wenn die öffentliche Hand beim Auszahlen der Mindestsicherung nicht mehr darauf achtet, ob jemand eine Eigentumswohnung oder finanzielles Vermögen besitzt, schafft sie damit eine Erleichterung, die eher nicht zum konservativen Leistungs- und Fairnessbegriff passt – warum soll die Allgemeinheit Menschen finanziell unterstüzen, die selbst Vermögen haben?
Die Länder stehen freilich nicht nur aus ideologischen, sondern auch aus ganz pragmatischen Gründen auf der Bremse. Der Verzicht auf den Vermögenszugriff könnte dazu führen, dass Menschen, die weniger als 863 Euro verdienen, aber heute keine Mindestsicherung beantragen, weil sie dafür ja ihr Vermögen hergeben müssten, in Zukunft sehrwohl auf die 863 Euro „aufstocken“. Wie viele das sind, und was das die Länder kostet, ist unklar. Entsprechend groß ist die Sorge in den Ländern (der KURIER berichtete).
Nicht einfacher macht die Reform, dass grund- und verfassungsrechtlich Schwierigkeiten aufgetaucht sind.
Einer der Punkte ist die „Einschleifung“. Hier geht es darum, dass Großfamilien ab einer Grenze von etwa 1500 Euro kein Bargeld, sondern vorwiegend Sachleistungen bekommen sollen.
Wenig Spielraum
Das Problem dabei: Schon im März hat der Verfassungsgerichtshof (VfGH) festgehalten, dass man den Barbezug der Mindestsicherung auch bei großen Familien nicht bei 1500 Euro pro Familie und Monat „deckeln“ darf; der im Burgenland und Oberösterreich geltende Deckel wird vom VfGH noch geprüft. Und erst vor kurzem hat der Europäische Gerichtshof festgehalten, dass befristet Asylberechtigte nicht schlechter behandelt werden dürfen als unbefristete. Kurzum: Der rechtliche Spielraum für jedwede Verschärfung ist eng.
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