SOS-Kinderdorf: Kampf um Geld und Macht

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Die Organisation, die aktuell rund 1.800 Kinder in ihrer Obhut hat, steht von mehreren Seiten unter Druck. Zudem dürften intern nicht alle an einer Aufarbeitung der Vorfälle interessiert sein.

Bei SOS-Kinderdorf hetzen die Verantwortlichen derzeit von einer Krisensitzung in die nächste. Nachdem bekannt wurde, dass Missbrauchsfälle in einzelnen Kinderdörfern vertuscht wurden und auch Gründer Hermann Gmeiner Buben sexuell missbraucht haben soll, kam diese Woche noch dazu, dass der frühere Präsident Helmut Kutin einen mutmaßlich pädophilen Großspender hofiert haben soll. Die Organisation steht aktuell massiv unter Druck – und das von mehreren Seiten.

Debatte um Finanzierung

Die Marke ist schwer beschädigt, in der Organisation rechnet man mit einem Einbruch bei den Spenden, die immerhin ein Viertel ihrer Einnahmen ausmachen. Und die Länder sind nicht bereit, das Manko auszugleichen.

Dazu muss man wissen: Jedes Bundesland hat einen eigenen Vertrag über die Betreuung von Kindern und Jugendlichen mit dem jeweiligen Träger. Und nur in jenen Ländern, in denen dieser unbefristet ist, steht die Finanzierung für 2026, erklärt eine Kinderdorf-Sprecherin – etwa Oberösterreich und die Steiermark. In Salzburg läuft die Leistungsvereinbarung immer nur ein Jahr – dort diskutiert man schon länger über eine Tarif-Erhöhung. Jetzt freilich unter verschärften Bedingungen.

Salzburgs Landesrat Wolfgang Fürweger (FPÖ) ist aktuell Sprecher aller Kinder- und Jugendreferenten und kritisiert die „undurchsichtige Finanzgebarung“: Die Geldtöpfe der Länder seien bei SOS-Kinderdorf teils fusioniert – Salzburg etwa hänge mit Tirol zusammen, Niederösterreich mit dem Burgenland. „Die Finanzen müssen so aufgestellt sein, dass jedes Land nachvollziehen kann, was die Einrichtung tatsächlich kostet“, sagt Fürweger. Derzeit könne man nicht sehen, ob Geld übrig bleibe und etwas anderes querfinanziert werde. „Es wird sicher kein zusätzliches Steuergeld geben, um irgendwelche Leichen der Vergangenheit zu begraben.“

Suspendiert vom Verband

Der Dachverband, SOS-Kinderdorf International, hat den österreichischen Länderverein suspendiert. Bei einer außerordentlichen Generalversammlung, die am 6. November stattfindet, darf Österreich nur Zuschauer sein.

Hermann Gmeiner und Helmut Kutin

Hermann Gmeiner und Helmut Kutin

Wie der KURIER erfuhr, wurde zudem das österreichische Aufsichtsratsmitglied Andreas Kovar suspendiert – dieser hat im „International Board“ kein Stimmrecht mehr. In diesem Gremium wird auch über Sanktionen entschieden. Aktuell bedeutet die Suspendierung in erster Linie, dass SOS-Kinderdorf Österreich kein Mitbestimmungsrecht und nur eingeschränkten Zugang zum IT- und Finanzsystem hat. Die Finanzierung der vereinbarten Projekte laufe aber weiter, wird betont. 

Zur Einordnung: 2021 wurden bei SOS-Kinderdorf Deutschland Missbrauchsfälle publik, eine Kommission hat dann 226 Fälle seit den 60er-Jahren festgestellt. Suspendiert wurde der deutsche Verein nicht. Das zeigt wohl, wie schwer die Vorwürfe in Österreich für den Verband wiegen.

Laufende Justiz-Verfahren

Parallel dazu sind täglich auch Missbrauchsfälle Thema – aktuell etwa einer aus Wien, der aber offensichtlich ordnungsgemäß gemeldet und angezeigt wurde. Der frühere Mitarbeiter einer Betreuungseinrichtung wurde im Vorjahr wegen sexuellen Missbrauchs von Unmündigen zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt und ging in Berufung. Nächste Woche steht er vor dem Oberlandesgericht in Wien. Wegen Fällen, die Mitte September vom Falter aufgedeckt wurden, wird aktuell in Tirol und Kärnten ermittelt.

SOS-Kinderdorf: Kampf um Geld und Macht

Interner Machtkampf

Obendrauf hat die Organisation auch intern zu kämpfen: Dem Vernehmen nach soll es zwei Lager geben, die einander bekriegen: die „junge Riege“ um Geschäftsführerin Annemarie Schlack wolle volle Transparenz und Aufklärung, die „alte Riege“ um den langjährigen Geschäftsführer Christian Moser würde aber mauern. Moser ist freigestellt – aus seinem „Exil“ sei er aber eifrig am Netzwerken, wie es heißt. Auch er soll Mitwisser in der Causa Großspender gewesen sein.

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