So soll Gewesslers Superministerium zerschlagen werden

Leonore Gewessler hatte fünf Jahre das Superministerium inne
Es ist kein großes Geheimnis, dass vor allem die ÖVP nach fünf gemeinsamen Jahren mit den Grünen eine Kursänderung in der Klimapolitik forciert. Die Programmatik mit den Grünen sei ein Fehler gewesen, der nun korrigiert werden soll, heißt es aus Verhandlerkreisen. Was bedeutet das nun für die Koalition mit SPÖ und Neos?
- Das "Superministerium“ von Leonore Gewessler mit derzeit noch den Umwelt-, Infrastruktur, Mobilitäts-, Raumfahrt- und Energieagenden wird zerschlagen.
- Der derzeitige Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig wird ein um den Umwelt- und Klimaschutz erweitertes Ressort bekommen, dessen neuer Name zur Stunde verhandelt wird.
- Die Energieagenden sollen wieder zurück zum Wirtschaftsministerium kommen. Hier soll KURIER-Recherchen zufolge der neue WKO-Generalssekretär Wolfgang Hattmannsdorfer beste Chancen auf den Ministerposten haben. Zudem soll es zu einer kompletten Neuordung betreffend Infrastruktur und Mobilität kommen.
- Die einstigen Verkehrsagenden könnten wieder in einem eigenen Verkehrsministerium zusammengefasst werden, das von der SPÖ geführt werden soll. Genannt werden als mögliche Minister unter anderem SPÖ-Chef Andreas Babler selbst und Niederösterreichs SPÖ-chef Sven Hergovich.
Die Frage dabei: Das "Superministerium“ wurde 2020 mit allen Agenden ausgestattet, weil die Grünen nicht akzeptieren wollten, für die Klimabilanz der Republik verantwortlich zu sein, ohne in den wesentlichen Bereichen auch gestalten zu können. Ob das mit einer Aufspaltung besser werden wird?
Die Klima- und Energieagenden hatten in den bisherigen Verhandlungen zumindest keine Priorität von den drei Parteichefs. Allerdings kommt hier die EU zu Hilfe, denn demnächst werden nahezu alle wesentlichen Emissionsbereiche auf europäischer Ebene geregelt. Die neue Regierung kann also sagen, bei den Klimazielen im europäischen Gleichklang zu agieren.
Verschobene Ziele & andere Prioritäten
Für die energieintensiven Betriebe gilt längst ein eigenes, EU-weites System namens Emission Trading Scheme oder ETS1. Und ab 2027 gilt für alle fossilen Brenn- und Treibstoffe (Benzin, Diesel, Heizöl, Erdgas) der ähnlich aufgbaute Emissionshandel ETS2.
Als Klimaziele hat auch Österreich eine Verpflichtung gegenüber Brüssel von minus 48 Prozent Emissionen bis 2030 (im Vergleich zu 2005). Und die Ziele für 2040 werden demnächst im Kreis der EU-Staats- und Regierungschefs verhandelt, die EU-Kommission wird bekanntlich ein Minus von 90 Prozent vorschlagen. Gut möglich, dass mit dem wahrscheinlichen neuen deutschen Kanzler Friedrich Merz die Ziele für 2040 nach hinten verschoben werden.
Für Österreich heißt das, die Emissionsreduktion ist auf EU-Ebene fixiert, national müssen nur mehr Regelungen für Emissionen aus der Landwirtschaft oder der Abfallwirtschaft gefunden werden.
Lobautunnel
Dem Vernehmen nach soll dieses Riesenprojekt noch einmal evaluiert werden - wohl unter deutlich weniger Klimaschutz-Gesichtspunkten. Es ist derzeit wahrscheinlich, aber noch nicht fix, dass der mit zwei Milliarden Euro dotierte Lobau-Tunnel gebaut wird, das Budget dafür wurde im Rahmen der Budgetkonsolidierung (EU-Defizitverfahren) nicht angegriffen.
Schließlich wollen zwei wesentliche Verhandlergruppen, nämlich die ÖVP Niederösterreich und die SPÖ Wien, diesen Tunnel unter einem Naturschutzgebiet unbedingt haben.
Klimaschutzgesetz
Trotz vieler Anläufe haben sich die Grünen an der Volkspartei von 2020 bis 2024 bezüglich eines bundesweiten Klimaschutzgesetzes die Zähne ausgebissen, Österreich hat schon seit 2019 keines mehr, was die damaligen Oppositionsparteien SPÖ und Neos fast im Wochentakt kritisiert hatten. Jetzt soll es kommen. Unklar ist zur Stunde, ob die umstrittenen Regelungen enthalten sein werden – konkret Sektorziele auch für die Bundesländer und deren Regierungen, wo wesentliche Agenden wie Energie und Energieeffizienz liegen. Bei diesem Gesetz soll die Klimawissenschaft in Form eines Klimakabinetts allerdings eng eingebunden werden.
Verbrennerverbot
Nächstes heißes Eisen ist die bereits beschlossene europäische Regelung, wonach nach 2035 keine Neuwagen mit einem fossilen Verbrennermotor zugelassen werden dürfen. „Fossil“ deshalb, weil eine Ausnahme jetzt schon erlaubt ist: sollten Synfuels oder E-Fuels, also künstlich erzeugte Kraftstoffe aus Wasserstoff und CO2 aus der Atmosphäre, nur mit Grünstrom erzeugt und auch nur klimaneutral zu den Tankstellen gebracht werden, soll es eine neue Fahrzeugklasse geben, die nur diese E-Fuels Tanken dürfen. Es ist mehr als fraglich, ob solche Fahrzeuge am Markt kommen – oder ob diese Regelung noch gelöscht werden wird. Davor zugelassene Verbrenner-Pkw sind von der Regelung nicht betroffen.
Für Österreich ist bekannt, dass die ÖVP dieses Ziel zum Verbrenner-Aus 2035 gerne löschen oder deutlich nach hinten verschieben möchte, die SPÖ ist da unentschlossen, die Neos dagegen, sie stehen hinter dem Verbrenner-Aus 2035. Es wird also spannend, ob die ÖVP hier eine 180°-Wende durchsetzen wird.
Flächenverbrauch
Auch hier wurde noch nichts entschieden, die Verhandlungen sind deshalb so schwierig, weil die ÖVP mit der von den Bundesländern getroffenen (Nicht-)-Regelung zufrieden ist, auf der anderen Seite die Neos die Kompetenzen komplett zum Bund holen wollen und das System transparent machen möchten. Hier müssen die drei Parteichefs erst entscheiden.
Klima-Förderungen
Nicht länger ausbezahlt wird der Klimabonus. Der war allerdings nie eine klimapolitische, sondern immer nur eine sozialpolitische Maßnahme und galt in der Wissenschaft sogar als klimaschädliche Förderung, schließlich sollte er Bürgern helfen, mit den hohen fossilen Kosten, bei denen die CO2-Bepreisung nur einen kleinen Anteil ausmachte, besser zurecht zu kommen.
Förderungen wie Raus aus Öl und Gas im Heizungsbereich als auch für die thermische Sanierung von Gebäuden werden neu aufgelegt, wenn auch in reduziertem Ausmaß. Diese Förderungen hätte offenbar auch die Kickl-FPÖ verlängert.
Offen ist auch, ob zur Dämpfung der gestiegenen Stromkosten, die durch die deutlich höheren Netzgebühren entstanden sind, durch neue Maßnahmen abgefedert werden. Frisches Geld ist bekanntlich kaum vorhanden.
Nationaler Energie- und Klimaplan
Österreichs Pfad bis 2030 im Klimaschutzbereich ist inzwischen mit der EU-Kommission fixiert worden, das Dokument dazu ist der Nationale Energie- und Klimaplan 2030 (NEKP). Jede neue Regierung kann selbstverständlich den NEKP mit einem demokratischen Beschluss abändern, sagt unlängst im KURIER Günther Lichtblau, Klimaexperte des Umweltbundesamtes. "Es muss uns dabei klar sein, wenn Maßnahmen herausgestrichen werden, dann wird sich bei der jährlich nach Brüssel gemeldeten Klimabilanz eine Lücke auftun – und damit auch eine Finanzlücke, denn eine Zielverfehlung kostet viele Milliarden.“
Um das zu vermeiden, müssten neue Maßnahmen beschlossen werden, um die Lücke wieder zu schließen. "Der NEKP ist ein lang verhandelter Kompromiss, wie man die Klimaziele erreichen will. Es gibt darüber hinaus natürlich auch andere Maßnahmen.“ Das könnten fiskalische Maßnahmen sein, wie zum Beispiel ein flächendeckendes Roadpricing für Lkw und Pkw sein , oder ein niedrigeres Tempolimit. „Kurzum: Alles, was aus dem NEKP herausgestrichen wird, müsste ersetzt werden. Viele dieser Alternativen sind allerdings nicht gerade populär“, sagt der Experte Lichtblau dazu.
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