So läuft der erste Wahlkampf ohne Regierungsparteien

So läuft der erste Wahlkampf ohne Regierungsparteien
100 Tage bis zur Wahl: Regierung gegen Opposition? Im anlaufenden Wahlkampf gibt es das nicht. Zum ersten Mal überhaupt.

Die Türkisen haben es gerade getan, die Blauen auch. Die Grünen wollen gerne, die Pinken sowieso. Die Roten würden wieder, die Liste Jetzt kann nicht: regieren.

100 Tage vor der Nationalratswahl starten die Parteien langsam in den Wahlkampf – und die Republik steht vor einer so noch nie dagewesenen Situation: Es gibt streng genommen geradekeine Regierungs- oder Oppositionsparteien. Die sonst so scharfe Abgrenzung, die klaren Rollen fehlen. Man ist auf Augenhöhe. Laut Politikberaterin Heidi Glück dürfte der Wahlkampf ein klassisches Kräftemessen werden – quasi eine Muskelschau: „Jede Partei wird zeigen, warum sie die attraktivste, die beste für die Regierung ist.“

100 Tage, das klingt nach viel, nach genügend Zeit. Tatsächlich ist das für einen Wahlkampf aber knapp bemessen. Üblicherweise nehmen sich Parteien für eine Kampagne ein Jahr Zeit, sagt der frühere SPÖ-Wahlkampfleiter Stefan Sengl. Dominante Parteien profitieren von kurzen Kampagnen – so bleibt der Konkurrenz weniger Zeit, sich zu positionieren.

Die erste Gelegenheit sind die Polit-Talks, die am Mitwoch auf Puls4 starteten. Ab Sonntag sitzen die Spitzenkandidaten wöchentlich bei „Frühstück bei mir“ auf Ö3. Erster Gast: Sebastian Kurz.

Der ÖVP-Chef weiß genau, wie er seine Rolle anlegt: Er spielt den (Ex-)Kanzler-Bonus aus, argumentiert mit „Kontinuität“. „Der erfolgreiche Weg muss fortgesetzt werden“, lautet die türkise Erzählung.

„Für die ÖVP ist das Interregnum ein Betriebsunfall, weil es ja keinen Grund gegeben hat, die Regierung abzuwählen“, sagt Glück, frühere Sprecherin von ÖVP-Kanzler Wolfgang Schüssel. Kurz ist jetzt schon im Land unterwegs, die ersten Themen sind fixiert.

Wer mit Kurz koalieren möchte, wird sich schwertun, ihn vorher (zu hart) zu kritisieren. Das gilt gerade für die Blauen. Sie sind in einem Zwiespalt, erklärt Glück: „Einerseits wollen sie erzählen, dass sie regieren können, andererseits ist es der sehr laute, populistische Oppositionskurs, der sie so erfolgreich gemacht hat. Es wird schwierig, einen Weg dazwischen zu finden, den auch die Funktionäre wollen“, schildert Glück.

Sanfter Start

Wie also werden die Parteien die nächsten 100 Tage gestalten? Die SPÖ will am 13. Juli ihr Programm beschließen, der Intensiv-Wahlkampf dauert bei den Roten sechs Wochen. Bei der FPÖ gibt es die geballte Ladung erst drei Wochen vor dem Wahltag am 29. September – vorher wird Spitzenkandidat Norbert Hofer durch Österreich touren.

Bei den Neos haben sich bisher 140 Personen für die Wahlliste beworben, nach der Online-Vorwahl wird die Liste am 6. Juli fixiert. Derweil nimmt die Kampagne erste Formen an: Der Arbeitstitel: „Von A bis Z: Von Anstand bis Zukunft.“ Die heiße Phase dauert vier Wochen, Chefin Beate Meinl-Reisinger tingelt aber schon im Juli durch die Lande, um die Stimmung abzutesten.

Und die Stimmung geht derzeit in Richtung Fortsetzung von Kurz’ Kanzlerschaft: Laut einer Relevanzstudie des ORF würden 38 Prozent der Befragten ÖVP wählen. Mit wem soll diese koalieren? Derzeit kommen dafür FPÖ (Sonntagsfrage: 18 %), die SPÖ (21) und die Grünen (12) in Frage. Aber noch ist ja Zeit derlei zu entscheiden. Zumindest 100 Tage.

Kommentare