So bewerten die Deutschen 100 Tage Türkis-Blau

Sebastian Kurz, Heinz-Christian Strache
Erste Bilanz deutscher Medien ist durchwachsen: Die einen feiern Kurz, die anderen kritisieren "giftiges Klima".

"Kurz ist besser als Merkel", schreibt die deutsche Welt über den österreichischen Bundeskanzler Sebastian Kurz, der seit 100 Tagen mit der FPÖ regiert. Beide hätten den "unbedingten Willen zur Macht", im Gegensatz zur deutschen Kanzlerin, wird analysiert, wolle Kurz aber "gestalten statt verwalten". Und, so heißt es weiter: "Er brennt, Kanzlerin Merkel wirkt müde."

Außenpolitisch habe Österreich unter ihm an Profil gewinnen können, der 31-jährige Kanzler habe es nach Besuchen bei der EU-Spitze gleich nach Amtsantritt weitgehend geschafft, Ängste über die Verlässlichkeit seiner Regierung zu zerstreuen.

Im Welt-Artikel werden Kurz' Auftritte im Ausland hervorgehoben - er arbeite "fieberhaft daran, auf der internationalen Bühne wahrgenommen zu werden". Dagegen habe Merkels Ansehen in zahlreichen mittel- und osteuropäischen Staaten gelitten. Kurz würde jetzt ein Machtvakuum füllen wollen, das der Brexit und "partiell auch Merkel" hinterlassen hätten. Gemeinsam mit dem niederländischen Ministerpräsidenten Mark Rutte sei er dabei, eine neue Machtachse der "eher liberal orientierten mittleren und kleineren Länder gegen die gefühlte Dauerdominanz von Deutschland und Frankreich zu schmieden", heißt es in dem Artikel.

Kurz hat "Angst, Fehler zu machen"

Die eigentliche Bewährungsprobe habe der 31-jährige Kanzler noch vor sich, schreibt die Welt: Die geplanten Reformvorhaben in der Sozial- und Steuerpolitik könnten auch Verlierer produzieren - "treue Wähler von ÖVP und FPÖ". Ein Fehler sei es, dass Kurz und sein Team keine Rentenreform in Angriff nehmen.

Am persönlichen Eindruck gibt es offenbar Verbesserungsbedarf, so wird abschließend festgestellt, dass Kurz' "technokratische Rhetorik" von äußerster Selbstkontrolle zeuge: "Man spürt, dass er Angst hat, Fehler zu machen". Kurz könne an "Leidenschaft" und "Lockerheit" noch zulegen.

"Vergiftetes Klima"

Härter geht die Süddeutsche Zeitung mit der türkis-blauen Regierung ins Gericht: "Österreichs Rechtsregierung vergiftet das gesellschaftliche Klima", wird da getitelt.

Eine erste Bilanz, so schreibt die SZ, müsse nach Ablauf einer Schonfrist die Fragen beantworten: "Wird die Regierung ihrem eigenen Anspruch auf Erneuerung gerecht?" Und: "Haben sich die Ängste als berechtigt erwiesen vor einem platten Populismus, der Österreich in die Riege der europäischen Sorgenstaaten von Ungarn bis Polen einreiht?" Die Antwort: "jein, aber."

Neben großen Worten gebe es bislang nur kleine Taten zu verzeichnen. Inhalte müssten irgendwann die Inszenierung ablösen.

Angesprochen werden im SZ-Artikel "irritierende Entwicklungen" wie die Drohungen in Richtung des öffentlich-rechtlichen Fernsehens, die BVT-Affäre und die härtere Gangart in der Migrationspolitik. "Gefährlich ist jedoch, dass sie (die Regierung, Anm.) weiterhin wie schon im Wahlkampf das sensible Thema mit Neid- und Angstparolen auflädt. Das löst keine Probleme, vergiftet aber das gesellschaftliche Klima", heißt es da.

Auffällig ist für die SZ auch ein Widerspruch: Die Harmonie zwischen ÖVP und FPÖ werde "bis hin zur Penetranz" betont, dabei sei die Regierung schon nach 100 Tagen in zwei Lager zerfallen, "weil der eine Koalitionspartner nach oben steigt, während der andere nach unten gezogen wird".

Für die ÖVP gehe es nach oben, weil Kurz "eher inhaltsleer, aber sehr gewandt in seinem Amte schwebt" und sich außenpolitisch "eifrig zwischen dem Papst und Putin oder Merkel und Macron" inszeniere. Bergab geht es für die FPÖ: "Ihr Umstieg von der Oppositions- zur Regierungspartei ist gründlich misslungen. Gut ist sie offenbar nur, wenn sie dagegen ist." Es blieben nun noch 1700 Tage Zeit, um Versprechen zu erfüllen oder Befürchtungen zu bestätigen, heißt es abschließend.

Skandale schadeten Kurz nicht

"Es lebe der neue Sonnenkanzler" schreibt n-tv.de über den österreichischen Kanzler und seine ersten 100 Tage. In dieser Zeit habe es etliche Stolpersteine gegeben, die Skandale bei "Rechtsaußen-Koalitionspartner FPÖ" hätten ihm aber nicht geschadet, wird resümiert.

Positiv wird der "neue Stil" bewertet: Trotz Kritik an der Aufhebung des Rauchverbots in der Gastronomie sei die Koalition geschlossen hinter ihrem Plan gestanden.

 

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