Sicherheitspaket: Kurz drängt auf Umsetzung

Doskozil, Kurz (re.)
Lob für SPÖ-Verteidigungsminister von VP-Chef: Doskozil habe "realistische Einschätzung". SPÖ sieht nach wie vor handwerkliche Fehler - und spricht sich gegen eine "Husch-Pfusch"-Lösung aus.

Eine Einigung vor der Wahl beim umstrittenen Sicherheitspaket, für das die ÖVP von allen anderen Parteien kritisiert wird, ist unwahrscheinlich geworden. In der SPÖ haben sich zwar Kanzler Christian Kern und Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil prinzipiell offen für Gespräche, neue polizeiliche Möglichkeiten zur Internetüberwachung zu schaffen, gezeigt. Doch am Donnerstag hat sich Kanzleramtsminister Thomas Drozda zu Wort gemeldet. Und Drozda sagt: „Was die ÖVP da vorgeschlagen hat, ist handwerklich schlecht gemacht.“

Was man vor der Wahl noch machen und festlegen könne, sei ein ambitionierterer Zeitplan. Nach bisherigem Stand hätte die Überwachung von Internet-Diensten wie WhatsApp oder Skype im Jahr 2019 starten sollen. Drozda sagt: „Wir sollten hier den Zeitplan verkürzen. Es gibt kein Argument dafür, dass man zuschaut, wie das organisierte Verbrechen, sei es islamistischer Terror oder andere Formen der Kriminalität, in aller Ruhe über WhatsApp kommuniziert. Das kann nicht sein."

Wie das gelöst werden kann, ist freilich offen. Drozda schlägt „eine unkomplizierte Lösung“ bei der WhatsApp-Überwachung vor, ohne Trojaner und ohne Massenüberwachung. Die Überwachung von Millionen von Menschen sei weder verfassungskonform noch inhaltlich vertretbar. Wie das aber technisch „unkompliziert“ zu lösen sein könnte, lässt Drozda offen.

Kurz macht Druck auf SPÖ

Am Freitag tagt der Nationale Sicherheitsrat. Da soll der Letztentwurf der ÖVP vorgelegt und diskutiert werden. Im Kern geht es um die besagte Internet-Überwachung, um die geografische Ortung von Gefährdern und um die Registrierung von Wertkartenhandys.

ÖVP-Chef und Außenminister Sebastian Kurz hält das Sicherheitspaket für "absolut notwendig" und weist Kritik daran zurück. "Das Sicherheitspaket ist ohne Alternative. Eine Regierung, die ihre Bevölkerung bestmöglich schützen will, wird dieses Paket umsetzen", erklärte Kurz.

Offenbar sei nicht allen bewusst, in welcher Lage sich Europa und Österreich befinden. "Wir sind keine Insel der Seligen", erinnerte Kurz an die Terroranschläge in Barcelona, Berlin, Brüssel und Paris. Es könne nicht sein, dass Islamisten unter der Wahrnehmungsschwelle der Behörden agieren könnten und die Exekutive machtlos sei, nur weil Kriminelle vom Telefon auf Whatsapp wechseln.

Die Kritik an dem von Innenminister Wolfgang Sobotka und Justizminister Wolfgang Brandstetter (beide ÖVP) eingebrachten Paket, weist Kurz zurück.

"Terror und Radikalisierung werden uns die nächsten Jahre beschäftigen, wir werden immer wieder nachschärfen müssen und es wird immer eine Herausforderung sein, zwischen den Freiheitsrechten des Einzelnen und dem Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit abzuwägen. Aber wir werden letztlich entscheiden müssen."

Lob gibt es von Kurz für Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ). In Doskozils Aussagen, wonach er sich weiteren Gesprächen nicht verschließen will und für einen "sachlichen und lösungsorientierten Zugang" plädiert, sieht Kurz Bewegung. "In ihm sehe ich jemanden, der auch in dieser Frage eine realistische Einschätzung hat."

Sicherheitspaket: Kurz drängt auf Umsetzung
Zweite auf der SPÖ-Bundesliste Pamela Rendi-Wagner.

Rendi-Wagner gegen "Husch-Pfusch"

Ministerin und SPÖ-Bundeslistenzweite Pamela Rendi-Wagner (Bild oben) sprach sich am Donnerstag aber gegen eine "Husch-Pfusch"-Aktion beim Sicherheitspaket aus. Die Sicherheit habe hohe Priorität, wie viele andere sehe aber auch sie technische und handwerkliche Mängel beim ÖVP-Entwurf, erklärte sie am Rande einer Pressekonferenz am Donnerstag. Die NEOS indes fordern eine seriöse Auseinandersetzung mit dem Thema.

Für das Sicherheitspaket müsse man sich Zeit nehmen und die sei bis zur Wahl recht knapp, stellte Rendi-Wagner fest. Es gelte, die Polizei in ihrer Arbeit zu unterstützen, der Gesetzesentwurf müsse aber handwerklich nachgeschärft werden, forderte sie mit Verweis auf die zahlreichen Stellungnahmen. Eine Divergenz in der SPÖ bei dem Thema sieht sie nicht.

Die NEOS kritisierten am Donnerstag in einer Aussendung ebenfalls die ÖVP, denn diese würde beim Thema Überwachung Bürger- und Freiheitsrechte über Bord werfen. Justizsprecher Niki Scherak forderte ÖVP-Obmann Sebastian Kurz auf, sich seriös mit dem Thema Sicherheit auseinanderzusetzen: "Ich warne Kurz und seine Minister davor, auf Kosten der Sicherheit der österreichischen Bevölkerung und der Rechtsstaatlichkeit politisches Kleingeld zu machen."

Inhaltlich umstritten sind neben der Implementierung einer allgemeinen potenziellen Überwachung von WhatsApp und Co. zwei weitere Punkte: Die ÖVP möchte so genannte Sicherheitsforen von Privatpersonen einrichten bzw. zulassen. Diese sollen die polizeiliche Arbeit ergänzen und Zugriff zu bestimmten Datenbanken erhalten, so sie Verdächtige ausmachen. Die SPÖ sagt, staatliche polizeiliche Sicherheitsaufgaben dürften nicht privatisiert werden. Und: Die ÖVP will auch Netzsperren in bestimmten Fällen ermöglichen. Beides lehnt die SPÖ ab. Kritik kommt aber auch von der FPÖ, den Grünen, den Neos und Peter Pilz.


Hintergrund

Wo verläuft eigentlich die Trennlinie zwischen Rot und Schwarz, wenn beide Parteien mehr Überwachung im Kampf gegen Terroristen wollen?

Die Linie verläuft entlang des Wortes "Massenüberwachung". Die ÖVP will Software einsetzen, die es erlaubt, dass die Internettelefonie und Nachrichtenübermittlung von verdächtigen Personen ausgelesen wird. Da die Verschlüsselung von Nachrichten auf den Handys – und nicht etwa beim Netzanbieter – stattfindet, muss die Software auf den Endgeräten installiert werden. Dazu sollen Sicherheitslücken in den Betriebssystemen ausgenutzt werden. Deshalb sprechen die Gegner von Trojanern. Die SPÖ ist prinzipiell für diese moderne Form der Verbrecherjagd, will aber verhindern, dass die Türe zu weit in Richtung Ausspionieren der Gesamtbevölkerung aufgemacht wird. "Wir wollen nicht, dass die Leute bis in ihre intimsten Details ausgeforscht werden können", sagt Kern. Die ÖVP entgegnet, daran sei nicht gedacht. Die geplante Lausch-Software könne z.B. nicht auf Festplatten zu greifen, sondern nur bei Internet-Diensten wie WhatsApp mitlesen oder bei Skype mithören.

Ist noch Zeit und Spielraum für Verhandlungen ?

Geplanter Start für das Sicherheitspaket ist Anfang 2019. Zeit genug für Verhandlungen und technisch nicht überschießende Lösungen sei also vorhanden, sagt die SPÖ. Neben den Trojanern soll auch ein Neuanlauf zur Vorratsdatenspeicherung unternommen werden. Das ist heikel, der Verfassungsgerichtshof hat die Vorratsdatenspeicherung schon einmal zurück gewiesen.

Kampf gegen den Terror ist doch extrem populär. Warum steht die SPÖ trotz Wahlkampf auf der Bremse?

Kern und Doskozil stehen nicht wirklich auf der Bremse, sie pochen aber auf den Rechtsschutz der Überwachten. SPÖ-Klubchef Andreas Schieder sagt, dass von der ÖVP vieles in den aktuellen Gesetzesentwurf hineingemogelt wurde, das in den Verhandlungen "so nie besprochen wurde". Außerdem pocht auch er vehement auf die Einhaltung geltender Standards – wie beim Lauschangriff.

Also eine Überwachung von Verdächtigen nur bei Gefährdungslage und nur auf richterlichen Befehl oder staatsanwaltschaftliche Anordnung. Justizminister Wolfgang Brandstetter entgegnet, er hätte den Entwurf nachgeschärft: Ohne richterlichen Beschluss gebe es keine Überwachung. Außerdem bekomme der Rechtsschutzbeauftragte mehr Kompetenzen.

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