Antiterroreinsatz mit Pleite-Armee?

Rekruten des Bundesheeres
Das totgesparte Bundesheer hat die Verantwortung für die europaweit wichtige sensible Infrastruktur.

Die schweren Waffen sind großteils weg. Die Flugzeuge liegen am Boden. Die schlecht ausgerüsteten Soldaten gehen zu Fuß, weil es an Treibstoff und Ersatzteilen fehlt. Der Zustand des Bundesheeres entspricht dem einer Armee, die gerade eine schwere, militärische Niederlage erleiden musste.

Politik und Boulevard überschlagen sich mit scheinbaren Lösungsansätzen. Nicht diskutiert wird aber die Grundfrage, wofür ein Land mitten in Europa noch eine Armee benötigt. Dabei kann gerade heute eine militärische Bedrohung in Österreich schneller akut werden, als noch zu Zeiten des Kalten Krieges. Denn nun bedrohen subkonventionelle Spezialtruppen wie auf der Krim oder Terrororganisationen die kritische Infrastruktur Europas. Für Österreich heißt das: Ist die Republik nicht in der Lage, wesentliche Energieversorgungseinrichtungen und Kommunikationssysteme zu schützen, könnte von Österreich aus halb Mitteleuropa lahmgelegt werden.

Antiterroreinsatz mit Pleite-Armee?
Die EU hatte nach den Terroranschlägen von Madrid 2004 eine Gesamtstrategie zur Verstärkung des Schutzes kritischer Infrastrukturen in Auftrag gegeben. In Österreich war für die Umsetzung der damalige Generaldirektor für öffentliche Sicherheit, Herbert Anderl, verantwortlich. Es wurde ein Katalog der gefährdeten Objekte erstellt. Österreich hat aufgrund seiner zentralen Lage einige Hotspots. Wird beispielsweise der Gasverteiler in Baumgarten an der March lahmgelegt, trifft es nicht nur den Inlandsverbrauch, sondern es wird auch in Italien, Slowenien, Kroatien, Deutschland, Frankreich und Ungarn kalt. Europaweite Auswirkungen hätte ein Anschlag auf die Raffinerie in Wien-Schwechat ebenso, wie die Sprengung des Tauerntunnels. Die Aufzählung weiterer sensibler Objekte könnte beliebig fortgesetzt werden.

Irreguläre Soldaten

Wie eventuelle Angreifer aussehen könnten, hat die Besetzung der strategisch wichtigen Einrichtungen auf der Krim durch irreguläre, russische Soldaten gezeigt: Sie tragen keine Hoheitsabzeichen, sind aber ausgerüstet mit automatischen Waffen, Panzerabwehrwaffen und Sprengstoff. Auch die IS-Terroristen in Syrien, die konkrete Anschlagsdrohungen gegen Europa ausstoßen, verfügen über derartige Waffen und ausgebildetes Personal.

Bei Terroranschlägen sind nach internationalen Erfahrungen die Personalressourcen der Polizei rasch ausgeschöpft. Anderl verweist auf die Anschläge des Einzeltäters Anders Behring Breivik in Oslo und auf der Insel Utøya in Norwegen im Juli 2011. Die norwegische Polizei war durch die Attentate gebunden, und zum Schutz der Zentralstellen rückte die Armee aus. Auch bei den Terroranschlägen in Madrid und London mussten Soldaten für Überwachungsaufgaben und zur Bewältigung der Folgen eingesetzt werden.

Militärische Aufgabe

Antiterroreinsatz mit Pleite-Armee?
APA3119750 - 08112010 - WIEN - ÖSTERREICH: Der Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit, Herbert Anderl während der Pressekonferenz anl. " Rechtsextreme Szene" am Montag,08. November 2010, in Wien. APA-FOTO: HERBERT PFARRHOFER
Der Idealfall wäre aber, wenn ein Angriff verhindert werden könnte. Es ist die Aufgabe des Verfassungsschutzes, terroristische Angriffe im Vorfeld zu erkennen. Der Schutz der gefährdeten Einrichtungen, so Anderl zum KURIER, ist dann aber eine eindeutig militärische Aufgabe. Es würde nicht ausreichen, bei Anlagen wie der Raffinerie Wien-Schwechat oder Baumgarten, einen bewaffneten Wachposten vor das Werkstor zu stellen. Gegen infanteristisch ausgerüstete Angreifer sei es notwendig, das umliegende Gelände im Ausmaß von mehreren Quadratkilometern zu beherrschen. Dafür hat die Polizei nicht das Personal und auch nicht die Waffen.

Auf die im Ernstfall erforderliche Zahl von Soldaten will sich Anderl nicht festlegen. Die sei abhängig von der konkreten Bedrohungslage und von der Dauer des Einsatzes. Eine Objektschutz-Übung der Schweizer Armee ergab, dass für den Schutz des Flughafens Zürich 5000 Soldaten benötigt werden.

Bei einem länger dauernden Einsatz müssen diese aber auch wieder abgelöst werden, was den Truppenbedarf nur für das eine Objekt verdreifachen kann.

Kann ein Bundesheer mit maroden "Fußtruppen" diese Aufgaben noch wahrnehmen? Braucht man dazu schwere Panzer?

Teil 2: Wie ist Österreich am besten zu schützen?

Antiterroreinsatz mit Pleite-Armee?
FOTO: Bundesheer/Christian Johannes 12.12.2012

Die Frage, warum Österreich ein Bundesheer braucht, wird seit der Gründung im Jahr 1955 gestellt. Denn die Menschen des neutralen Kleinstaates zwischen den Militärblöcken NATO und Warschauer Pakt vertrauten für den Fall des Falles vielmehr auf US-amerikanische Hilfe. Es war eine trügerische Hoffnung. Tatsächlich geholfen hat immer nur das Bundesheer.

Bereits ein Jahr nach der Gründung mussten die Soldaten während der Ungarn-Krise ungarische Aufständische nach Flucht über die Grenze demonstrativ entwaffnen, sonst hätte sie die Rote Armee weiter nach Österreich verfolgt.

An eine eigene Luftwaffe hat vorerst niemand gedacht. Aber 1958 wurden eilig Kampfflugzeuge gekauft. Denn die Amerikaner hatten mit einer Luftlande-Division Tirol Richtung Beirut überflogen. Darauf folgte das „Angebot“ des sowjetischen Verteidigungsministers Malinowski, Österreichs Luftraum durch die sowjetische Luftwaffe zu schützen. Das wäre das Ende der jungen Freiheit gewesen.

Dringend benötigt wurden die Abfangjäger während des Slowenien-Krieges 1991. Damals bombardierte die jugoslawische Luftwaffe Ziele in Slowenien ungeniert aus dem österreichischen Luftraum. Es wurde sogar ein Demonstrationsflug mit einer MIG über dem Flughafen Graz Thalerhof durchgeführt. Damit war Österreich völkerrechtlich zur Streitpartei geworden. Erst Draken-Alarmstarts beendeten diese gefährliche Situation. Ein MIG-Pilot nutzte die Chance zur Flucht und landete am Flughafen Klagenfurt.

Lebenslüge

Dass eine amerikanische Sicherheitsgarantie ein Mythos ist, hatte sich schon bei der Invasion des Warschauer Paktes in der CSSR 1968 gezeigt. Damals fürchteten die Geheimdienste, sowjetische Truppe könnten auch nach Österreich einmarschieren, um ihre militärischen Flanken abzusichern. Die Ersatzteile und die Truppenverpflegung hatten sie schon auf zivilen Donauschiffen ins Land geschmuggelt. Am 29. März 1968 erhielt der darob höchstgradig alarmierte Generaltruppeninspektor Erwin Fussenegger von US-Unterstaatssekretär Whyle eine klare Absage jeder Hilfeleistung. Whyle erklärte, dass die US-Truppen in Vietnam gebunden seien und dass Österreich als neutraler Kleinstaat die Verantwortung für seine Sicherheit selbst tragen müsse.

Der Bevölkerung wurde das bis heute großteils verschwiegen. Österreich stand all die Jahre alleine da.

An der Pflege der Lebenslüge „Neutralität“ durch Politik und Boulevard hat sich auch dadurch bis heute nichts geändert.

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