Sektionschef Pilnacek: "Prügelvideo half, Straftat aufzuklären"

Das Prügelvideo wurde mehr als fünf Millionen Mal angeschaut.
Sektionschef Pilnacek hält Veröffentlichung für sinnvoll. Anzeige der Grünen wegen Cybermobbing wurde zurückgelegt.

Mehr als fünf Millionen Mal wurde auf Facebook ein Video angeschaut, in dem ein 15-jähriges Mädchen so lange ins Gesicht geschlagen wird, bis ihr Kiefer bricht. Das Video verbreitete sich rasend schnell. Facebook reagierte Mitte November nur zögerlich auf die Aufforderung der Justiz, es zu löschen.

Die Grünen zeigten den Internet-Giganten daraufhin wegen Beihilfe zum Cybermobbing an. Die zuständige Staatsanwaltschaft Innsbruck, die aktuell noch andere Verfahren gegen Facebook prüft, legte die Anzeige aber zurück. Der Cybermobbing-Paragraf, den ÖVP-Justizminister Wolfgang Brandstetter mit 1. Jänner 2016 geschaffen hat, greift erst, wenn ein Posting "geeignet ist, eine Person in ihrer Lebensführung unzumutbar zu beeinträchtigen, eine längere Zeit hindurch fortgesetzt".

"Entweder ist der Paragraf zu ungenau formuliert oder die Auslegung ist falsch", sagt der Grüne Mediensprecher Dieter Brosz und fordert eine Nachschärfung. Wie lange genau eine "längere Zeit" ist, sei Ansichtssache. Er stellt noch diese Woche eine parlamentarische Anfrage an den Justizminister.

Die Mittel der Grünen seien damit aber ausgeschöpft – intervenieren könne nur das Opfer selbst oder das Justizministerium. Etwa, indem aufgrund des öffentlichen Interesses der Weisungsrat eingeschaltet wird. Beides scheint nach KURIER-Anfrage nicht geplant.

Die Anwältin des Opfers, Astrid Wagner, winkt ab: "Sie ist in erster Linie wegen der Schmerzen traumatisiert, die Demütigung im Internet hat vielleicht dazu beigetragen."

Freibrief für Gewalt?

Der zuständige Sektionschef im Justizministerium, Christian Pilnacek, stellt sich hinter die Entscheidung der Staatsanwaltschaft. Den Einwand der Grünen, man habe damit weiteren Gewaltvideos einen Freibrief ausgestellt, weist er zurück: "Juristisch muss man den Fall differenzierter betrachten." Schließlich habe die Tante des Opfers das Video zuerst als Aufruf gepostet. "Wenn es dem Zweck dient, eine Straftat aufzuklären, ist das durchaus sinnvoll", sagt Pilnacek. Wenn der Zweck aber darin besteht, das Opfer bloßzustellen, müsse natürlich eine Löschung überlegt werden, setzt er nach.

Justizminister Brandstetter sieht aktuell keinen Handlungsbedarf: Der Cybermobbing-Paragraf sei noch zu jung, seine Praxistauglichkeit noch nicht hinreichend evaluiert, um eine Nachschärfung vorzunehmen.

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