Sebastian Kurz: "Rechte vergiften das Klima"

Das Hickhack in der Regierung zur Flüchtlingspolitik geht Außenminister Sebastian Kurz auf die Nerven
Außenminister lehnt Panikmache in der Flüchtlingspolitik ab und findet linke Forderungen "naiv".

Sebastian Kurz macht Druck: "Die EU-Innen- und Außenminister sowie die Regierungschefs müssen gemeinsam die Flüchtlingsfrage anpacken. Es braucht einen integrierten Ansatz und mehr Tempo und Aktivität in der EU."

Der ÖVP-Minister hat dazu einen Maßnahmenkatalog entwickelt (siehe Grafik), den er bei der bevorstehenden Westbalkan-Konferenz in Wien und beim informellen Treffen der Außenminister Anfang September in Luxemburg behandeln will.

Dabei geht es um die Bekämpfung der Fluchtursachen, um mehr Engagement der UNO und ein stärkeres militärisches Vorgehen. Österreich sollte nicht nur humanitäre Hilfe leisten, sondern Schutzausrüstungen an jene liefern, die sich gegen den IS-Terror verteidigen.

KURIER: Herr Außenminister, warum setzen Sie Ihre hohe Imagewerte nicht für mehr Akzeptanz in der Öffentlichkeit gegenüber Flüchtlingen ein?

Sebastian Kurz: Seit Beginn meiner Arbeit in der Integration setze ich mich für Respekt und ein gutes Zusammenleben ein. Vor Kurzem habe ich zehn Maßnahmen vorgestellt, um Menschen, die einen positiven Asylbescheid haben, bestmöglich zu integrieren. 2015 rechne ich mit 30.000 positive Asylbescheiden. Wir werden das schaffen. Mit Sozialminister Hundstorfer haben wir eben mehr als 17.000 neue Deutschkurs-Plätze geschaffen, wir starteten Werte-Kurse und haben eine Ehrenamtsbörse eingerichtet.

Erklären Sie auch, wie sehr sich Österreich verändert?

Jede Zuwanderung ändert das Land. Wir müssen den großen Flüchtlingsstrom nach Österreich eindämmen. Es ist legitim, die Fakten auszusprechen: Wir hatten im Schnitt jährlich 20.000 Flüchtlinge, heuer sind es 70.000. Wir müssen die Fluchtgründe reduzieren, gegen Schlepper kämpfen und eine bessere Verteilung in der EU erreichen.

Sie sagen nichts zu Traiskirchen. Fürchten Sie, eine Stellungnahme dazu könnte Ihnen politisch schaden?

Ich habe immer meine Meinung zur Unterbringung klar gesagt: Das fixe Quartier ist besser als der Container, der Container ist besser als das Zelt und das Zelt ist besser als die Obdachlosigkeit. Es gab zu wenig Quartiere, obwohl die Innenministerin ein Jahr lang bei jedem Ministerrat darauf hingewiesen hat.

Geht Ihnen das Hickhack der Regierung in der Flüchtlingsfrage nicht auf die Nerven?

Natürlich.

Was sagen Sie zu den Plänen der FPÖ, eine Volksbegehren abzuhalten oder eine Höchstzahl für Flüchtlinge in Österreich festzulegen?Volksbegehren sind ein Instrument des Volkes und nicht von Parteien. Wir brauchen ein entschlossenes Vorgehen Österreichs in der EU, wir können die Flüchtlingskrise nicht allein lösen. Panikmache und das Klima noch stärker zu vergiften, bringt uns nicht weiter. Je emotionaler ein Thema ist, desto sachlicher sollte man als Politiker agieren.

Sie haben sich zuletzt oft an Ihrem britischen Amtskollegen orientiert. Großbritannien macht Grenzen dicht und reduziert Sozialleistungen. Positionieren Sie sich auf Seiten der Gegner gemeinsamer europäischer Lösungen?

Ich bin für eine ehrliche Politik. Ich bin gegen Rechte, die das Klima vergiften und so tun, als wäre jeder Flüchtling ein Schwerverbrecher. Es ist aber auch naiv, wenn von linker Seite gefordert wird, alle aufzunehmen ohne zu diskutieren, wie wir dem Zustrom begegnen können. Der derzeitige Flüchtlingsansturm ist dauerhaft nicht tragbar.

Was wollen Sie konkret tun?

Wir müssen den Zustrom aktiv reduzieren und gleichzeitig jene, die einen positiven Asylbescheid haben, gut integrieren. Wenn in der EU keine faire Verteilung der Flüchtlinge gelingt, müssen wir in Österreich darüber reden, warum wir so viel attraktiver sind als andere Staaten. Gemeinsam mit Deutschland sollten wir für eine faire Verteilung in der EU eintreten. Es kann nicht sein, dass Österreich pro Kopf mehr Flüchtlinge hat als Italien und Griechenland zusammen, obwohl wir keine EU-Außengrenze haben.

Unterstützen Sie für ein Flüchtlingsauffanglager in Libyen, das militärisch oder von der UNO abgesichert?

Ja, auch in Syrien. Zwei Drittel der Österreich erreichenden Flüchtlinge kommen aus IS-Terrorgebieten. Daher braucht es ein militärisches Vorgehen gegen die Terrorgruppe IS. Es kann nicht unser Ziel sein, dass der IS-Terror erfolgreich ist und die Menschen nicht mehr in ihre Heimatländer zurückkehren können. Zweitens sind Schutzzonen in der gesamten Region nötig.

Dort sollen Auffangzentren errichtet werden, in denen humanitäre Hilfe anläuft und auch ein geordneter Asylweg funktionieren kann, letztlich auch mit Resettlement. Das erhöht die Chancen auf Rückkehr der Flüchtlinge in ihre Heimat.

Es gibt in der EU eine heftige Debatte, was unter sicheren Drittstaaten zu verstehen ist. Soll sich die EU rasch auf eine gemeinsame Liste einigen?

Das wäre definitiv sinnvoll.

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