Schwindende Lust auf Neuwahlen: Was Sebastian Kurz damit zu tun hat
Eine zentrale Forderung fehlte bei der Rede von SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner am Sonntagvormittag in der Aula der Wissenschaften: die Forderung nach Neuwahlen. Die SPÖ-Vorsitzende stellte zwar den Kanzlerinnenanspruch und konstatierte, dass die Regierung keine Mehrheit mehr hinter sich habe, aber die logische Konsequenz daraus – eine vorzeitige Beendigung der Legislaturperiode – sprach sie nicht aus.
Rendi-Wagner: "Es ist Zeit für die nächste SPÖ-Bundeskanzlerin!"
Der Grund liegt auf der Hand: Angesichts des Kriegs und dessen Folgen kann man nicht noch mehr Unsicherheit stiften, indem man Neuwahlen vom Zaun bricht.
Die SPÖ hatte das Redeprojekt vor Ausbruch des Kriegs gegen die Ukraine aufgesetzt, zu einem Zeitpunkt, als Neuwahlen möglich schienen. Rote Spitzenfunktionäre räumen nun ein, dass sich die SPÖ wohl noch länger wird gedulden müssen, bis sie wieder in die Nähe von Regierungsverantwortung kommt.
SPÖ auf Quartiersuche
Die SPÖ muss sich jetzt ohnehin zuerst ein anderes Quartier suchen. Geschäftsführer Christian Deutsch nennt als Anforderung für ein modernes Parteibüro: Es müsse „nicht jeder ein großes Büro haben“, Arbeitsplatz-Sharing und Homeoffice funktionieren, das habe die Pandemie gelehrt.
Die Standortentscheidung ist zwar noch nicht gefallen, aber die aufwendige Renovierung des mehrgeschoßigen Hauses in der Wiener Löwelstraße dürfte wohl zu teuer kommen. Laut Deutsch wird jetzt erarbeitet, welche Büroerfordernisse die SPÖ hat, und dann wird eine passende Immobilie gesucht. Fix ist: Bundes-SPÖ und SPÖ-Wien wollen wie bisher an derselben Adresse residieren. Wegen des Umzugs trifft es sich für die SPÖ gut, dass sie heuer keinen Wahlkampf führen muss. Bei der Hofburg-Wahl wird sie Bundespräsident Alexander Van der Bellen unterstützen.
ÖVP-Länder wollten Corona-Welle zuvorkommen
Auch in der ÖVP war mit vorverlegten Wahlen spekuliert worden. Dort hatten einige Bundesländer überlegt, ihre planmäßig im Winter 2023 stattfindenden Wahlen auf den Frühherbst 2022 vorzuziehen. Man wollte das Beispiel Oberösterreich 2021 nachahmen: Unter der türkisen Regie um Sebastian Kurz hatte die ÖVP bis zum Landtagswahltermin am 26. September 2021 so getan, als ob die Pandemie vorbei wäre. Die Rechnung ging auf, die ÖVP-Oberösterreich legte zu (wenn auch nicht so stark, wie sie erhofft hatte).
Daher wurde überlegt, auch 2022 vor dem Ausbrechen der Herbstwelle schnell noch zu wählen. Aber die Lust darauf dürfte verflogen sein, wie aus dem Kreis der Länder zu hören ist.
Schlechte Umfragen nach Kurz-Abgang
Der Grund: schlechte Umfragen für die ÖVP. Der Abschied von Sebastian Kurz aus der Politik kostet die VP-Länder zwischen einem Viertel und einem Drittel ihrer Stimmen. So ist die Tiroler ÖVP laut Umfrage von 44 auf 32 Prozent abgestürzt. Als Wahltermin wird jetzt – eher spät – der 5. März 2023 angestrebt.
In Kärnten lag die ÖVP vor dem Kurz-Rücktritt bei gut 20 Prozent, nach dessen Abgang sackte sie auf 13 Prozent ab. Kärnten wählt übrigens auch am 5. März 2023.
Aus Niederösterreich gibt es kaum Daten, aber es wird gemunkelt, dass die ÖVP in der einen oder anderen Umfrage nur noch einen Dreier vor dem Ergebnis habe. Was das im ÖVP-Kernland bedeuten würde, kann man sich ausmalen. Auch Niederösterreich könnte laut Landesverfassung erst am 5. März wählen. Der neueste Ländertrend lautet jedenfalls: Aussitzen und auf bessere Zeiten hoffen.
Dazu passt, dass sich das ÖVP-Regierungsteam unter Kanzler Karl Nehammer gerade auf eine zweitägige, interne Klausur an den Wolfgangsee zurückgezogen hat. Thema: das Arbeitsprogramm bis Ende dieses Jahres.
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