Schwangerschaftsabbruch soll aus Strafgesetzbuch

Renate Brauner: Beschluss für Entkriminalisierung von Frauen durchgesetzt.
Frauen bringen die SPÖ auf Trab. Diese fürchtet sich nämlich vor einem Kulturkampf um die Fristenlösung.

Der Wiener SPÖ kann man manches ankreiden, aber sicher nicht, dass sie ihre Arbeit nicht ernst nimmt. Statt wie üblich auf Parteitagen nach dem Referat des Chefs dem Buffet zuzustreben, verharrten die 900 Delegierten der SPÖ-Wien am vergangenen Samstag acht Stunden lang im Saal und diskutierten konzentriert über die Flüchtlingstragödie im Mittelmeer, das Wahlrecht oder juristische Fallen der Fristenlösung. In der siebten Debatten-Stunde, gegen 16 Uhr, prallte die Meinung einer Minderheit gegen die offizielle Parteilinie. Ein Antrag, Schwangerschaftsabbruch aus dem Strafgesetzbuch zu streichen, hätte laut Parteiführung "zugewiesen" (schubladisiert) werden sollen. Eine Gruppe von Frauen, angeführt von Ex-Bundesfrauen-Sekretärin Irmtraut Karlsson, rebellierte und warb am Rednerpult, der Parteitag möge den Antrag "beschließen" anstatt ihn "zuzuweisen" (vor zwei Jahren wurde durch eine solche Rebellion das kleine Glücksspiel gekippt). Vizebürgermeisterin Renate Brauner rettete die Situation: Mit einer kleinen Formulierungsänderung ermöglichte sie, dass der Antrag auch von der Parteiführung mitgetragen und beschlossen wurde.

Inhaltlich geht es darum: Schwangerschaftsabbruch ist in Österreich immer noch mit Strafe bedroht (§ 96 StGB). Die Straffreiheit (= Fristenregelung) steht als eine Art Ausnahme im § 97 StGB. Selbstabtreibung ist generell verboten.

Frauen in der SPÖ wollen, dass der gesamte Komplex aus dem Strafgesetz rauskommt. Für schwangere Frauen soll es gar keine Strafen geben, für Ärzte nur dann, wenn sie, wie bei allen anderen Eingriffen, Kunstfehler begehen. Schwangerschaftsabbruch gegen den Willen der Frau soll unter schwere Körperverletzung fallen (wie Organ-Raub). Karlsson: "Gut wäre ein Gesundheitsgesetz, in dem der gesamte Komplex sexuelle Gesundheit, Empfängnisverhütung und Schwangerschaftsabbruch geregelt ist." Die Gesetzeslage sei überholt, sagt Karlsson. So mache sich eine Frau, die die Abtreibungspille Mifegyne aus dem Internet bestellt anstatt sie sich verschreiben zu lassen, strafbar, weil dies "Selbstabtreibung" ist.

Warum schreckt die SPÖ, die 1975 in harter Auseinandersetzung die Fristenlösung durchsetzte, 40 Jahre später vor dem Thema zurück? Karlsson: "Manche fürchten einen Kulturkampf. Aber der Kulturkampf ist längst da. Er wird nur von der anderen Seite betrieben, während auf SPÖ-Seite die Argumentation verlernt wurde. Das macht mich besorgt."

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