Zuerst zu den Fakten: Fast 3300 Straferkenntnisse wurden im Schuljahr 2018/2019 von den Behörden ausgestellt. Die meisten davon – mit 1650 – in Wien (Grafik). Weit dahinter folgt Oberösterreich vor Salzburg und Niederösterreich, am wenigsten Verstöße mussten im Burgenland geahndet werden.
Vor der Reform des damaligen Bildungsministers Heinz Faßmann gab es im Fall des wiederholten Schulschwänzens ein sehr aufwendiges, fünfstufiges Verfahren, das sich als nicht sonderlich hilfreich herausgestellt hatte. "Das war schlecht für die Kinder, schon alleine deshalb, weil es viel zu lange gedauert hat, und oft sind alle Fristen verstrichen, bis die Situation mit den Eltern geklärt werden konnte", berichtet die Wiener Mittelschul-Direktorin Andrea Walach.
Und jetzt? "Aus meiner Sicht war die Reform sinnvoll, weil sie (im Schuljahr 2019/20) Wirkung gezeigt hat." Früher habe es laufend Probleme gegeben, jetzt würde sie zu Schulbeginn den Erziehungsberechtigten unmissverständlich klar machen, was Schulpflicht bedeutet. Sie akzeptiere auch nicht dauernde Entschuldigungen wegen Bauch- oder Kopfweh, "wenn das öfter passiert, verlange ich, dass das von einem Arzt abgeklärt wird".
Jetzt sei das Problem der Schulschwänzer "praktisch auf null" zurückgegangen. "Die meisten Eltern gehen jetzt den Weg des geringsten Widerstands und achten darauf, dass die Kinder in die Schule gehen", sagt die Direktorin.
Der Großteil der verhängten Sanktionen in Wien waren Strafen unter 200 Euro, aber fast 50 Mal wurde in der Bundeshauptstadt fast die Höchststrafe (420 Euro) verhängt. Das zeigen die Daten, die dem KURIER vorliegen. Das liegt auch im Ermessen der Schulbehörden.
"Verletzung der Schulpflicht oft das geringste Problem"
Fast immer werden im Fall von Schulpflichtverletzungen Schulsozialarbeiter wie Verena Prasek beigezogen. "Bei 20 Fällen gibt es 20 unterschiedliche Gründe, warum das Kind nicht in die Schule gekommen ist", erzählt die Expertin. "Und leider ist es oft so, dass die Verletzung der Schulpflicht für die Kinder und die Familien noch das geringste Problem ist, das sie beschäftigt."
Vergleichsweise einfach seien Probleme wie Angststörungen oder andere gesundheitliche Probleme der Kinder, oder es fehle einfach in den Familien an einer geordneten Tagesstruktur.
Schlimmer seien die existenziellen Probleme: Da gehe es um Sorgen wie kein Geld für Essen oder die Angst vor einer Delogierung, weil die Miete nicht bezahlt werden könne. "Alle betroffenen Kinder haben jedenfalls Unterstützungsbedarf", sagt die Sozialarbeiterin, und aus ihrer langjährigen Erfahrung würde sie auch sagen, dass das Problem größer geworden ist.
Da könne es auch sein, dass die Strafe nicht bezahlt werden kann. Das Gesetz sagt: Im Fall der Uneinbringlichkeit seien die Erziehungsberechtigten mit Ersatzfreiheitsstrafe bis zu zwei Wochen zu bestrafen. Prasek: "Ich denke, diese Verwaltungsstrafen können nur eine von vielen unterschiedlichen Maßnahmen sein, die es braucht, damit die Kinder in die Schule kommen."
Exkurs: Schulschwänzen
Verwarnung Zu Schulbeginn werden die Eltern über die Schulpflicht und die Konsequenzen bei einer Pflichtverletzung informiert. Bei Verstößen werden die Eltern verwarnt.
Anzeige Bei ungerechtfertigtem Fernbleiben vom Unterricht an mehr als drei Schultagen der neunjährigen Schulpflicht muss die Schule Anzeige erstatten.
Strafe Es gibt Strafen von 110 bis 440 Euro bzw. eine Ersatzfreiheitsstrafe für die Eltern von bis zu zwei Wochen.
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