Wie Österreichs Schulen gegen Extremismus vorgehen

Ob in sozialen Medien oder im privaten Umfeld: Junge Menschen können auf verschiedene Arten radikalisiert werden. Das ist nicht erst seit dem Angriff der Terrororganisation Hamas auf Israel vom 7. Oktober bekannt. Ein Ort, um gegen Radikalisierung vorzugehen, ist die Schule. Und Bildungsminister Martin Polaschek (ÖVP) setzt verstärkt auf Workshops – auch in Zusammenarbeit mit dem Innenministerium: Pädagogisch geschulte Präventionsbeamte der Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) kommen nun an Schulen.
➤ Mehr lesen: Kampf gegen den Extremismus wird nun verstärkt an Schulen geführt
Besonders geeignet seien Polizisten mit entsprechendem sozialem Hintergrund, „die in schwierigere Umfelder gehen, mit den Menschen dort reden und Präventivarbeit leisten“, sagt Polaschek zum KURIER.
Man biete aber grundsätzlich „eine Vielzahl an Workshops“ an, um ganz konkret auf Situationen in Schulen und Klassen reagieren zu können.
Welche Workshops Radikalisierung verhindern sollen
Seit 2011 besucht zum Beispiel der Verein „Team Präsent“ Schulen zum Thema Gewaltprävention. „Unsere Spezialthemen sind Konfliktlösung, Mobbingprävention, Mobbingintervention, Empathie und Beziehungskultur“, sagt Ilka Wiegrefe, Gewaltpräventionstrainerin von Team Präsent – Polaschek hat sie zum Gespräch mit dem KURIER ins Ministerium geladen.
➤ Mehr dazu: In der Schule: Damit der Streit erst gar nicht eskaliert
Was passiert, wenn eine Schule einen der dreistündigen Workshops bei Team Präsent bucht? Zuerst müsse man ihn auf die Klasse zuschneiden, erklärt Wiegrefe: „Es gibt ein telefonisches Vorgespräch, damit wir wirklich die aktuelle Lage in der Klasse besprechen können.“
"Dieses Glück hat nicht jeder"
Man komme bewusst zu zweit: eine Frau, ein Mann. „Ein Mann hat einen besseren Zugang zu einem Burschen, eine Frau zu einem Mädchen.“ Der Workshop besteht aus einem theoretischen Teil, Spielen sowie Übungen. „Wir arbeiten am grundsätzlichen Menschenbild. Radikalisierung beginnt dort, wo ich als Mensch das Gefühl habe, ich mache keinen Sinn“, meint Wiegrefe.
Oft müsse man mit grundlegenden Werten wie Mitgefühl beginnen: „Es hat nicht jeder das Glück in eine, unter Anführungszeichen, gesunde Familie hineingeboren zu werden“, sagt Wiegrefe. Die Schule als psychosozial gesunder Ort: Das sei für viele Kinder ein riesiger Spagat, „weil ich meiner Familie ja treu bleiben muss. Und jetzt lebe ich aber vielleicht in einem Land, wo andere Werte vorherrschen als in meiner Familie.“ Nach dem Ende reflektiere man den Workshop und versorge das Lehrpersonal mit Tipps und Materialien.
Konkrete Zahlen liegen nicht vor, aber: Die diversen Workshops würden von den Schulen stark angenommen, die Nachfrage sei hoch, meint Polaschek. Deshalb sei das Workshop-Budget für 2024 auch um 700.000 Euro aufgestockt worden.
➤ Mehr lesen: Stadt Wien beschreitet im Kampf gegen Extremismus neue Wege
Budget
Für 2024 wurde das Budget für Workshops an Schulen um 700.000 Euro erhöht. Die Schulen können sich für passende Workshops anmelden. Wie viele Workshops derzeit insgesamt stattfinden, kann laut Bildungsministerium erst beantwortet werden, wenn diese abgerechnet worden sind.
Verein Team Präsent
Präsent führt seit 2011 Workshops zum Thema Gewaltprävention durch. Diese wurden aus finanziellen Gründen auf drei Stunden komprimiert.
Extremismus
60 Beamte der Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst wurden bisher für Workshops geschult. Bis 2025 sollen es 200 Beamte sein.
Mehr Antisemitismus an Schulen?
Die Israelitische Kultusgemeinde verzeichnet seit dem Überfall der Hamas generell mehr antisemitische Vorfälle.
An Schulen hat Wiegrefe in den vergangenen Jahren keine Zunahme von Antisemitismus oder Extremismus wahrgenommen. Dafür sei der Verein „Team Präsent“ aber auch nicht zuständig, sagt sie.
Polaschek sagt: „Wir haben deutlich mehr Fälle von Antisemitismus und das hat in der Schule absolut keinen Platz.“ Deshalb habe man entsprechende Unterrichtsmaterialien zur Verfügung gestellt. „Wir müssen gerade den Schülerinnen und Schülern klarmachen, dass Extremismus und Antisemitismus in unserem Land nichts verloren haben“, so Polaschek. Polizisten sollen das entsprechende Regelwerk – das Verbotsgesetz und strafrechtliche Konsequenzen – vermitteln.
Auch die Workshops von Team Präsent seien hier wichtig: „Je nach Altersgruppe oder Zusammensetzung einer Klasse muss man einfach auch generell unseren Wertekanon vermitteln.“
Kommentare