Stadt Wien beschreitet im Kampf gegen Extremismus neue Wege

Stadt Wien beschreitet im Kampf gegen Extremismus neue Wege
Im Herbst startet ein neuartiges Präventionsprojekt an Wiens Schulen. Entwickelt wurde es vom Terrorexperten Nicolas Stockhammer.

Die Widerstandsfähigkeit jugendlicher Wienerinnen und Wiener ab 12 Jahren gegen extremistische Strömungen aller Art zu stärken: Das ist das Ziel eines Pilotprojekts, das im Herbst an zehn Mittel- und Berufsschulen startet und das Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr (Neos) gemeinsam mit dem Terrorismusexperten Nicolas Stockhammer und der Leiterin der Beratungsstelle Extremismus des Netzwerks Offene Jugendarbeit Verena Fabris am Dienstag vorstellte.

Der Weg in die Arme extremistischer Strömungen beginnt häufig mit ganz simplen Fragen wie „Darf ich mir im Ramadan die Zähne putzen“, berichtete Fabris. Diese Fragen, häufig online gestellt, greifen extremistische Verführer auf und ziehen die Jugendlichen auf ihr Spielfeld, indem sie etwa vermeintliche Diskriminierungen der freien Religionsausübung thematisieren.

Durch das Projekt „Wir alle sind Wien“ soll hier frühzeitig aufgeklärt und vielfältige Lebensentwürfe aufgezeigt werden.

Online und offline

Mit einer Kombination aus Workshops an den Schulen und einer begleitenden Online-Kampagne sollen Themen, die die Jugendlichen beschäftigen, offen angesprochen und darauf aufbauend alternative Narrative gefördert werden. Es geht darum, „demokratische Grundwerte wie Vielfalt, Toleranz, Freiheit und Gleichberechtigung zu stärken“, umriss Wiederkehr die Idee.

Eine zentrale Rolle in dem Projekt spielen heimische Role Models. So konnten bereits die queer-feministische Rapperin Schwester Ebra sowie das aus einem Polizisten und einem jungen Wiener mit tschetschenischen Wurzeln bestehende Tiktok-Duo Cop & Che dafür gewonnen werden. „Durch den Einsatz von Testimonials, die die Sprache der Jugendlichen sprechen, kann man diese viel besser abholen als durch aufgesetzte Kampagnen im luftleeren Raum“, sagte Stockhammer.

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Thematisch soll es um Antisemitismus, (antimuslimischen) Rassismus, Sexismus, Homophobie aber eben etwa auch um den Umgang mit der Polizei gehen. Themen, die auf mehrere extremistische Strömungen einzahlen, denen entgegengewirkt werden soll.

Antisemitismus, Homophobie und Sexismus finden sich etwa bei radikalen Islamisten genauso wie bei Rechtsextremen. Und auch Verschwörungstheorien finden sich in allen extremistischen Strömungen, betonte Stockhammer.

Positiv-Beispiele

Das Projekt basiert auf den Empfehlungen in Stockhammers Studie „Prävention findet Stadt“, die er nach dem Terroranschlag in Wien 2020 durchführte – folglich ist der Terror-Experte auch äußerst zuversichtlich, was den Erfolg angeht. „Von der Projektidee her entspricht das genau dem, was ich mir vorgestellt habe. Nicht nur Mythen zu entmystifizieren, sondern auch zu sagen, wofür lohnt es sich, hier in einer Gemeinschaft zusammenzuleben.“

Die Phase der Identitätssuche sei eine ganz zentrale im Bereich der Primärprävention; hier müsse man passende Antworten parat haben, die mit unseren Grund- und Werthaltungen korrespondieren, so Stockhammer – weswegen man auch bereits bei ab 12-Jährigen ansetzt.

Man müsse aber auch „den Mut haben, neue Wege zu beschreiten.“ Ein solcher sei nun „Wir alle sind Wien“, gebe es einen solchen hybriden Ansatz doch in Europa bisher noch nicht.

Wie es mit dem Projekt nach der Pilotphase im Herbst weitergeht, hängt maßgeblich von der ausführlichen Evaluierung statt, die danach stattfinden wird. „Wenn das Projekt den Nutzen stiftet, von dem wir ausgehen, werden wir es dann aber hoffentlich weiter in die Breite bringen“, sagte Wiederkehr.

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