Schule in Not: Wo Deutsch eine Fremdsprache ist

Bildungsminister Heinz Faßmann will Mittelschulen aufwerten. Doch das zentrale Sprachproblem beginnt früher.

Die Mittelschule stärken, Leistungsgruppen wieder einführen, Notenwahrheit, damit nur mehr jene Kinder nach der Volksschule in eine AHS kommen, die die erforderlichen Leistungen vorweisen können: So sieht das heute, Mittwoch, dem Ministerrat vorgelegte „Pädagogik-Paket“ von Bildungsminister Heinz Faßmann aus.

Mittelschule erneuern

Seine Idee dahinter ist, die schwächelnden Mittelschulen damit aufzuwerten, indem etwa mehr Durchmischung ermöglicht wird und Leistungsgruppen einen Wechsel in die AHS-Oberstufe erleichtern soll. Denn ein Problem ist, dass in den Städten zu viele Kinder in eine AHS gehen, die eigentlich in einer Mittelschule besser aufgehoben wären: In Wien gehen über 50 Prozent der Schüler nach der Volksschule in eine AHS, im Bundesschnitt sind es nur rund ein Drittel. Das liegt jedenfalls nicht daran, dass die Wiener Kinder klüger sind.

Flucht in die AHS

Dass es eine „Flucht“ in die AHS in allen Städten gibt, kann man vor allem darauf zurückführen, dass in der Sekundarstufe (Mittelschule und AHS) sehr viele Kinder mit nicht-deutscher Muttersprache sind. Beim Schulstart in der Volksschule müssen Eltern in einem Fragebogen angeben, welche Umgangssprache daheim gesprochen wird. Diese Daten werden für jeden Bezirk in Österreich von der Statistik Austria gesammelt und veröffentlicht.

Wie sich zeigt, haben im Österreich-Durchschnitt 30,3 Prozent der Volksschüler eine nicht-deutsche Umgangssprache. Dieses Faktum ist insofern interessant, da Volksschulen echte Gesamtschulen sind und dabei die gesamte Schülerpopulation zwischen sechs und zehn Jahren abgebildet wird.

Rekordwerte von mehr als achtzig Prozent gibt es in Wien-Margareten und Wien-Brigittenau, in Wien führen gleich sieben Bezirke die Statistik an (siehe Grafik).

Das ist ein starker Hinweis, wo „Brennpunktschulen“ zu finden sind. Es ist aber nicht alleine ein Wiener Problem: Auch Wels, Linz, Salzburg, Wiener Neustadt, Steyr, Graz, Dornbirn oder Sankt Pölten haben einen Anteil von teils weit über 40 Prozent an Kindern mit nicht-deutscher Muttersprache.

Heißt das, diese Kinder können kaum Deutsch?

„Das heißt keineswegs, dass diese Kinder kein Deutsch können. Dieser Prozentsatz ist gar nicht so groß, oft beherrschen diese Kinder zwei oder drei Sprachen“, sagt der Wiener Soziologe Kenan Güngör. „Kinder, die zweisprachig aufwachsen, können ihre Sprachdefizite in der Schule meist rasch ausgleichen.“ Klar sei aber auch, dass ein immer größer werdender Teil die Sprache nur sehr schlecht beherrscht, sagt Güngör. Er plädiert dringend für mehr Förderung – und mehr ganztägige Schulformen.

Werden diese Kinder gar nicht gefördert?

Doch, aber bei weitem nicht ausreichend, sind sich die Experten einig. Konkret: Jene, die gar kein Deutsch sprechen, werden in den neuen Deutschförderklassen geschult. Österreichweit sind das 10.942 Kinder, der Großteil davon in Wien (4732) und in Oberösterreich (2024).

Und wie werden jene Kinder gefördert, die nur ein wenig Deutsch können?

Dafür gibt es Deutschförderkurse, in denen die Kinder bisher freiwillig, künftig verpflichtend am Nachmittag unterrichtet werden. Rund 15.600 Kinder sind derzeit in Volks- und Mittelschulen in diesen Kursen, die meisten davon wieder in Wien (rund 8400) und in Niederösterreich (3800).

Ist diese Förderung jetzt ausgebaut worden?

Nein, gefördert wird – abgesehen von jenen in den Deutschförderklassen – weniger. Konkrete Zahlen liegen noch nicht vor, Wiens Bildungsstadtrat Bildungsstadtrat Jürgen Czernohorszky erklärt: „Insgesamt haben wir 300 Unterstützungspersonen weniger in den Wiener Schulen. Gerade beim Deutschlernen bräuchte es aber ein Mehr an Unterstützung und keine Kürzung!“

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Was sagen die Lehrer zu diesem Problem?

Lehrer-Gewerkschafter Paul Kimberger verlangt noch mehr Förderung in Volksschulklassen: „Es soll mir einmal jemand erklären, wie Volksschulpädagogen mit 25 Kindern, die kaum Deutsch sprechen, in einer Klasse sinnvoll unterrichten sollen. Das ist denkunmöglich. Das geht nur mit einem Stufenplan. In Volksschulen brauchen wir in jeder klasse eine Doppelbesetzung. Wie diese dann von den Schulleitungen eingesetzt werden, ob mit Team-Teaching (zwei Lehrer in einer Klasse) oder mit geteilten Klassen in Kleingruppen, soll autonom entschieden werden.“ Das koste zwar Geld, aber die Investition zahle sich aus: „Denn je früher wir investieren, desto weniger muss ich später reparieren.“

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