Zu wenig gespart? Ökonom empfiehlt "Nulllohnrunde" für Pensionisten

KLAUSUR DER BUNDESREGIERUNG: PRESSEBRIEFING - MARTERBAUER
Österreichs Defizit war bis Juli noch höher als im Vorjahreszeitraum. Die Agenda Austria pocht auf eine Strukturreform.

Österreich spart – und ist dennoch meilenweit von einem ausgewogenen Budget entfernt. Die Konsolidierungsmaßnahmen der türkis-rot-pinken Bundesregierung, die heuer 6,4 und 2026 8,7 Milliarden Euro an Einsparungen vorsehen, sollen quasi nur den "Worst Case" verhindern: Dass der Staat über Jahre die EU-Defizitregeln nicht einhält, von Ratingagenturen abgestuft wird, die Zinskosten völlig explodieren und die Schuldenquote in Windeseile auf mehr als 100 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) steigt.

Mittlerweile häufen sich die Stimmen, auch in Regierungskreisen, dass nicht einmal die Vorgaben aus dem aktuellen Doppelbudget ohne weitere Maßnahmen eingehalten werden können. Wie hoch wäre der weitere Sparbedarf? Die Angaben variieren, zumindest eine Milliarde Euro dürfte laut KURIER-Informationen fehlen.

Finanzminister Markus Marterbauer (SPÖ) war im Rahmen der Regierungsklausur um Optimismus bemüht. Er verwies auf zart positive Konjunkturdaten. Zudem sei man einnahmenseitig auf Kurs und die meisten beschlossenen Sparmaßnahmen würden erst im zweiten Halbjahr ihre volle Wirkung entfalten. Unklar sei, wie die Gemeinden heuer bilanzieren. 

Budgetzahlen noch schlechter als im Vorjahr

Im Vorjahr hat das Finanzministerium (BMF) bekanntlich die Schulden von Gemeinden und Ländern unterschätzt und die Konjunktur massiv überschätzt. Statt eines Defizits von 2,7 Prozent des BIP standen schlussendlich 4,7 Prozent zu Buche – womit ein EU-Defizitverfahren unausweichlich war.

Heuer ist ein Minus von 4,5 Prozent des BIP eingeplant. Schafft die Regierung das? "Das ist ohne die Länder- und Gemeinde-Zahlen wirklich schwer abzuschätzen", sagt Ökonom Dénes Kucsera vom wirtschaftsliberalen Thinktank Agenda Austria zum KURIER. Fest stehe: "Im Juli lag das Nettofinanzierungssaldo des Bundes bei einem Minus von 16,1 Milliarden Euro."

Heißt: Der Bund hat zu diesem Zeitpunkt bereits ein 300 Millionen Euro höheres Defizit gemacht als 2024, obwohl er heuer besser bilanzieren will. "In den kommenden fünf Monaten muss man also 1,3 Milliarden Euro besser sein als im Vorjahr. Das ist viel", sagt Kucsera. Dass Türkis-Rot-Pink bei der Regierungsklausur über zusätzliche Investitionen gesprochen habe, stimme ihn jedenfalls nicht zuversichtlich.

"Nulllohnrunde für alle Pensionisten wäre klüger"

Selbst dann, wenn die Sparmaßnahmen wie erhofft wirken sollten, steigt die Schuldenquote laut BMF-Prognose bis 2027 auf 87 Prozent – und bleibt bis 2029 auf diesem hohen Niveau. Der Fiskalrat prognostiziert pessimistischer und sieht einen Anstieg auf 91 Prozent bis 2029. Fest steht: Der Schuldenstand liegt jetzt bereits zehn Prozentpunkte über der BMF-Langfristprognose von 2022.

Die Regierung dürfte auf die verschärfte Situation reagieren. Nach einem Vorstoß der Neos können sich mittlerweile auch Bundeskanzler Christian Stocker (ÖVP) und wohl auch die SPÖ damit anfreunden, die Pensionen 2026 unter der Inflationsrate von 2,7 Prozent zu erhöhen. Auch die paktierte Anhebung der Beamtengehälter wird wohl neu verhandelt. 

Stocker hat eine Pensionserhöhung von durchschnittlich zwei Prozentpunkten vorgeschlagen. "Das würde eine halbe Milliarde Euro bringen, wäre aber auch keine Strukturreform. Und die braucht Österreich unbedingt", kritisiert Kucsera. Auch der Idee einer sozialen Staffelung – niedrige Pensionen sollen stärker angepasst werden als höhere – kann Kucsera nur wenig abgewinnen: "In der Vergangenheit wurden niedrigere Pensionen ohnehin meistens deutlich höher angepasst als höhere. Das ist kein Anreiz für die Menschen, mehr zu leisten. Eine Nulllohnrunde für alle Pensionisten wäre klüger." Zusätzlich plädiert der Ökonom für eine Ausgabenbremse: Österreich stecke in keiner konjunkturellen, sondern eine strukturellen Krise – mit einer der höchsten Staatsquoten Europas.

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