Schüssel-Rückzug: Faymann "ohne Urteil", FPÖ auf Distanz

Schüssel-Rückzug: Faymann "ohne Urteil", FPÖ auf Distanz
Der Altkanzler zieht sich im Zuge der Telekom-Affäre aus der Politik zurück. Die ÖVP bedauert, Bürger und Vertreter anderer Parteien halten ihn für mitverantwortlich.

Kanzler Werner Faymann hat zu der Rückzugs-Ankündigung seines Vorvorgängers Wolfgang Schüssel aus der Politik wenig zu sagen: Der Schritt sei ausschließlich Schüssels Entscheidung, über eine etwaige Verwicklung des Altkanzlers in die Telekom-Affäre maße er sich "keinerlei Urteile" an. Mit der Ära Schüssel verbindet Faymann "schmerzhaft" die Regierungsbeteiligung der Freiheitlichen. Allerdings habe der Ex-Kanzler auch "viel Positives umgesetzt".

Vizekanzler Michael Spindelegger übte sich in der bewährten ÖVP-Diktion: "Persönlich halte ich Wolfgang Schüssel für einen Ehrenmann." Er glaubt nicht, dass sich dieser etwas zuschulden habe kommen lassen, aber dies werden andere beurteilen müssen. "Ich nehme den Rückzug zur Kenntnis", so Spindelegger.

ÖVP-Klubobmann Karlheinz Kopf wehrte sich dagegen, dass man versuche, Schwarz-Blau für immer "unmöglich" zu machen. Der Rücktritt Schüssels schmerzt ihn insofern "sehr". Für die Partei sei dies allerdings ein "Befreiungsschlag" gewesen, der Leistung Schüssels werde dieser Schritt aber "in keinster Weise gerecht". Kopf betonte, dass er Schüssel nicht bestärkt habe zu gehen: "Es war eine sehr autonome Entscheidung."

U-Ausschuss, Sondersitzung

Schüssel-Rückzug: Faymann "ohne Urteil", FPÖ auf Distanz

Der Telekom-Skandal sei in erster Linie der Skandal eines Unternehmens, meinte Andreas Khol, ÖVP-Klubchef unter Schwarz-Blau, bei einem Runden Tisch des ORF Montagabend. Schüssel wolle mit seinem Rücktritt als Abgeordneter den Fokus darauf richten und die Justiz in Ruhe arbeiten lassen.

Hinter Beschuldigungen, Schüssel trage politische Verantwortung für die Affäre, stecke eine "Jagdgesellschaft", welche die ehemalige Koalition "bis ins Grab" verfolgen wolle. Schüssels Rücktritt sei souverän erfolgt - "in Österreich ist die Rücktrittskultur ja eher unterentwickelt". Auch eine generelle politische Verantwortung der ÖVP sieht Khol nicht, stattdessen habe die Telekom als Unternehmen Österreich "über Jahre hinweg mit einem organisierten System der Korruption überzogen". Es handle sich aber auch um einen Skandal von Politikern, "die jetzt die Chance haben, ihre Unschuld zu beweisen". Bei diversen Protagonisten aus schwarz-blauen Tagen "habe ich mich natürlich auch getäuscht, ist ja völlig klar", räumte Khol ein.

Weniger Applaus bekam Schüssel von Vertretern anderer Parteien. SPÖ, Grüne, FPÖ und BZÖ sprachen sinngemäß von einem logischen Schritt, oder einem "indirekten Schuldeingeständnis" und erwarten nun, den Altkanzler in einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur Causa Telekom wiederzusehen.

Strache: "Von Schüssel'schen Ungeist befreit"

FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache tönte am Dienstag: "Meine heutige FPÖ hat nicht das geringste mit diesen Machenschaften zu tun". Bereits zu schwarz-blauen Zeiten seien "Gerüchte" kursiert, weswegen man sich schließlich politisch getrennt habe. "Die heutige FPÖ hat sich 2005 von diesem Schüssel'schen Ungeist befreit", so Strache bemüht, jeden Verdacht von seiner Partei fernzuhalten. "Unter meiner Führung gibt es keine Korruption, keine Freunderlwirtschaft".

Der Nationalrat wird sich voraussichtlich schon kommenden Dienstag mit der Affäre befassen. Die Grünen haben Antrag auf eine Sitzung zum Thema "Aufklärung des schwarz-blauen Korruptionssumpfes" eingebracht.

Mehrheit meint: Schüssel mitverantwortlich

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In einer OGM-Umfrage für den KURIER sieht die Mehrheit von 46 Prozent Schüssel mitverantwortlich für die Affären unter Schwarz-Blau, 30 Prozent sind anderer Meinung. Dass der Ex-Kanzler etwas von den Vorgängen gewusst haben könnte, glauben 44 Prozent, 30 Prozent hingegen nicht.

Für OGM-Chef Wolfgang Bachmayer ist das auch eine Folge von Schüssels Inszenierung als Wendekanzler: "Da gehen die Leute davon aus, dass gerade dieser Machtmensch was bemerkt haben muss." Besonders ernüchternd für Schüssel: Sogar 37 Prozent der ÖVP-Wähler glauben an die Mitwisserschaft - und nur 40 Prozent der ÖVP-Wähler sind vom Gegenteil überzeugt.

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