Schredder-Affäre: Was man weiß – und wie es weitergeht

Schredder-Affäre: Was man weiß – und wie es weitergeht
Warum ließ ein ÖVP-Mann im Bundeskanzleramt eine staatseigene Festplatte vernichten?

Ein Mitarbeiter der ÖVP ist mit einer fragwürdigen Aktion ins Visier der „Soko Ibiza“ gerückt – er hat heimlich einen Datenträger aus dem Kanzleramt schreddern lassen. Was ist bislang bekannt, und wie geht es diese Woche politisch weiter?

Was genau ist passiert?

Max Müller (Name der Redaktion bekannt), ein Mitarbeiter von Ex-Kanzler Sebastian Kurz, hat am 23. Mai im Zuge der Vorbereitungen zum Auszug aus dem Kanzleramt eine Drucker-Festplatte inkognito zu einer privaten Firma gebracht und drei Mal schreddern lassen.

Durfte er das?

Die ÖVP erklärt den Vorgang als „ganz normal“. Tatsächlich werden nur Akten und der offizielle Schriftverkehr ins Staatsarchiv übermittelt. Alle anderen Unterlagen dürfen vernichtet werden. Das Problem besteht im konkreten Fall darin, dass für die Vernichtung BKA-interne Regeln gelten: Die IT-Abteilung baut die Datenträger aus und versperrt sie in einer Kassette, bis sie vor Zeugen vernichtet werden – die Festplatten sind Eigentum der Republik.

Warum hat es der ÖVP-Mann anders gemacht?

In der ÖVP rechtfertigt man dies mit schlechten Erfahrungen, die gemacht wurden. Schon bei anderen Gelegenheiten seien vertrauliche Dokumente an die Öffentlichkeit gespielt worden. Der Mitarbeiter habe auf Nummer sicher gehen wollen, dass niemand die Festplatte sieht. Er und / oder die ÖVP hatten offenbar Zweifel an der Vertraulichkeit im Kanzleramt.

Warum wurde die Polizei auf Müller aufmerksam?

Müller ist bei der Schredder-Firma unter falschem Namen aufgetreten. Offenbar, um das Kanzleramt rauszuhalten. Rechnungen und Mahnungen konnten nicht zugestellt werden, es gab eine Betrugsanzeige.

Gibt es einen Bezug zum Ibiza-Video?

Das ist unklar. Die ÖVP dementiert, die Soko wurde unter anderem wegen der zeitlichen Nähe stutzig: Die Schredder-Aktion passierte nur sechs Tage nach dem Auftauchen des Ibiza-Videos.

Was wird Müller rechtlich vorgeworfen?

Der Kurz-Mitarbeiter wird des Betrugs und der Unterdrückung von Beweismitteln beschuldigt. Betrug wegen der falschen Identität, und zweiteres, weil der Datenträger, den er vernichtet hat, ein Beweismittel hätte sein können – ob da etwas dran ist, ist freilich unklar.

Zuständig ist die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft – warum?

Offenbar, weil die Ermittler glauben, dass die Vernichtung eher mit möglicher illegaler Parteienfinanzierung zu tun haben könnte – um diesen Aspekt kümmert sich nämlich die WKStA. Die Erstellung des Videos wird von der Staatsanwaltschaft Wien untersucht.

Ist Müller seinen Job los?

Nein, heißt es aus der ÖVP-Zentrale, wo Müller jetzt arbeitet. Die Aktion sollen Vorgesetzte abgesegnet haben und es sei „absolut nicht seine Absicht gewesen, nicht rechtskonform zu handeln“.

Wie geht es jetzt weiter?

Müller soll erneut von der „Soko Ibiza“ einvernommen werden, eine Hausdurchsuchung gab es bereits am Donnerstag. Müller sei kooperativ, heißt es aus der ÖVP-Zentrale, in der man damit rechnet, dass die Vorwürfe bald gegen ihn fallengelassen werden. Die Rechnung wurde inzwischen bezahlt.

Müllers Vorgesetzte im Kanzleramt – Gruppenleiter Bernd Pichlmayer und IT-Chef Erich Albrechtowitz – werden wohl auch noch von der Polizei befragt. SPÖ, FPÖ, Neos und Liste Jetzt wollen heute, Montag, parlamentarische Anfragen an Bundeskanzleramt, Innen- und Justizministerium stellen. Die Fragen lauten unter anderem: Welche Akten wurden vernichtet? Und: Warum wurde überhaupt ein falscher Name genannt?

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