Schleichender Abstieg in Rot-Weiß-Rot: Deutsche bleiben besser

Kanzler Kern und seine deutsche Amtskollegin Merkel
Ländervergleich vor heißem Wahlherbst: Warum Österreich schon lange nicht mehr "das bessere Deutschland" ist.

Deutschland wählt am 24. September, Österreich am 15. Oktober.

Was die Ausgangsposition angeht, ist die deutsche Kanzlerin Angela Merkel in mehrfacher Hinsicht besser dran als Österreichs Kanzler Christian Kern. Und das bezieht sich nicht nur auf Kerns unglückliche Hand bei der Auswahl seiner Top-Wahlkampfberater (Causa Tal Silberstein).

Zunächst einmal hat CDU-Chefin und Kanzlerin Merkel in allen Umfragen einen komfortablen Vorsprung auf ihren Herausforderer Martin Schulz von der SPD. SPÖ-Chef Kern liegt hingegen klar hinter Sebastian Kurz von der ÖVP.

Und: die deutsche Amtsinhaberin kann auf Wirtschaftsdaten verweisen, von denen viele andere europäische Länder nur träumen können.

Schleichender Abstieg in Rot-Weiß-Rot: Deutsche bleiben besser
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Zwar haben sich im ersten Halbjahr 2017 auch hierzulande Wachstum und Arbeitsmarkt deutlich verbessert, doch ein Blick in diverse Rankings und Statistiken zeigt den Aufholbedarf zu Deutschland gnadenlos auf (siehe Grafiken).

Verhältnisse umgekehrt

Die wirtschaftsliberale Denkfabrik Agenda Austria hat dazu aktuell eine umfangreiche Analyse fertiggestellt, die dem KURIER vorliegt, und kommt zum Schluss: "Österreich ist nicht mehr das bessere Deutschland" – eine bewusste Anspielung auf das Jahr 2005.

Denn vor zwölf Jahren galt Deutschland als der "kranke Mann Europas" und das deutsche Magazin Stern geriet ob der damaligen österreichischen Eckdaten ins Schwärmen: "Warum Österreich Spitze ist – weniger Arbeitslose, mehr Wachstum, bessere Stimmung." Seither haben sich die Verhältnisse freilich umgekehrt.

Die deutsche Arbeitslosigkeit hat sich seit 2005 mehr als halbiert, der Haushalt weist Überschüsse auf, die Stimmung in der Wirtschaft ist besser als in Österreich. Agenda-Austria-Chef Franz Schellhorn sagt zum KURIER: "Österreich hat in den vergangenen Jahren gar nicht so viel falsch gemacht. Länder wie Deutschland dafür sehr vieles sehr richtig."

Die politischen Reaktionen auf den schleichenden Abstieg Österreichs in den Wettbewerbsrankings seien ernüchternd. "Probleme werden ignoriert oder beharrlich heruntergespielt, notwendige Veränderungen nicht angegangen und der Reformstau wird damit immer größer", sagt der Fachmann und frühere Wirtschaftsjournalist.

Flexibler Job-Sektor

Deutschland stehe heute unter anderem besser da, so die Studienautoren, weil dort schon zu Beginn der 2000er-Jahre die Weichen hin zu einem flexibleren Arbeitsmarkt gestellt wurden ("Hartz-Reformen"). Auch das Sozialsystem sei in Deutschland mehr auf die "Hilfe zur Selbsthilfe" ausgerichtet. Österreich sollte daraus lernen, meint Schellhorn.

Zwei Beispiele: die bedarfsorientierte Mindestsicherung, die Notstandshilfe und das Arbeitslosengeld sollten bei einer zentralen Stelle zusammengelegt und das Arbeitslosengeld gestaffelt werden, um Beschäftigungsanreize zu erhöhen (zunächst höhere Arbeitslosen-Unterstützung, dann schrittweise absenken).

Schellhorn: "Laut Prognosen wird die Arbeitslosigkeit trotz verbessertem Konjunkturausblick hoch bleiben. Der Arbeitsmarkt ist einer der dringendsten Reformbereiche in Österreich, er muss flexibler werden, damit wieder mehr Menschen einen Job haben." Auch auf zwei Unterschiede im Pensionssystem weist die Agenda Austria hin: Das Pensionsantrittsalter wurde analog zur steigenden Lebenserwartung nach oben angepasst, Männer und Frauen wurden in Deutschland gleichgestellt. Beide Schritte stehen in Österreich noch aus und sollten "baldmöglichst gesetzt werden".

Ausgabenbremse

Als Vorbild gilt darüber hinaus die deutsche Schuldenbremse. Sie steht anders als hierzulande sogar im Verfassungsrang. Nicht zuletzt schafft Deutschland seit 2013 einen um Sondereffekte (z. B. Flüchtlingskrise) und Konjunkturschwankungen bereinigten "strukturellen" Überschuss im Budget.

Österreich konnte in den letzten Jahren hingegen keinen strukturellen Überschuss vermelden, geschweige denn einen reellen.

Dazu Schellhorn: "Das mit hohen Kosten wiedervereinigte Deutschland schafft mit einer Steuer- und Abgabenquote von 40 Prozent Budgetüberschüsse. Österreich bringt mit 43 Prozent nicht einmal einen ausgeglichenen Haushalt zusammen. Wir brauchen eine noch verbindlichere Ausgabenbremse, damit die zu hohe Staatsverschuldung konsequenter abgebaut werden kann. Außerdem müssen die Bundesländer mehr Verantwortung für ihre Finanzen übernehmen."

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