Schallenberg: "Wintermonate werden hart und uns noch viel abverlangen"
Kaum Auslandsreisen, kaum Möglichkeit, sich abseits von EU-Räten, Staatsbesuchen und Konferenzen auszutauschen. Das gilt seit März und dem Beginn der Corona-Pandemie nicht nur für Außenminister Alexander Schallenberg, sondern auch für die über 100 österreichischen Vertretungen rund um den Globus.
Um mit Österreichs Botschaften, Generalkonsulaten und ständigen Vertretungen in Kontakt zu bleiben, findet die Botschafterkonferenz (BOKO) 2020 heuer via Video – ob der Vielzahl an Teilnehmern in vier Durchgängen – statt. "Diese virtuellen, regionalen Botschafterkonferenzen sind sicher nicht der ideale, aber derzeit einzig machbare Weg", schickt Schallenberg bei der ersten BOKO mit den heimischen Vertretern in den EU-Ländern voraus. Sicht- und hörbar sind diese auf einer mannshohen Videowall vor ihm, Generalsekretär Peter Launsky-Tieffenthal neben ihm.
"Rückholaktion hat gezeigt, dass Botschaften und Konsulaten kein Luxus, sondern eine Lebensversicherung für die Österreicher ist"
Schallenberg erinnert an die "größte Rückholaktion der zweiten Republik, die über 7.500 Menschen mit den Austrian Airlines und anderen Fluglinien" eine sichere Heimreise ermöglicht hat, und die Hotline, die bis zu 50.000 Anrufe pro Tag bewältigen musste. Doch dies seien "Erfolge der Vergangenheit", wie er betont. "Die Wintermonate werden hart und uns noch viel abverlangen." Was er damit meint, macht er taxativ an Themen fest. Europa habe mit einer "brutalen 2.Welle" an Infektionen zu kämpfen, der islamistische Terrorismus seine "grausame Blutspur" in Österreich wie Frankreich hinterlassen. Die USA seien mit sich selbst beschäftigt, die Rechtsstaatlichkeitsdebatte in der EU sei neu aufgeflammt, der Brexit steuere auf einen nächsten Cliffhanger zu.
Zudem stellen die regionalen Krisenherde in Belarus, Berg-Karabach, Syrien, Libyen, im Libanon und östlichen Mittelmeer sowie die globalen Themen "Klimawandel, Migration bis hin zu den geopolitischen Spannungen zwischen den USA und China eine immense Herausforderung dar". Doch wie sich diesen mittel- und langfristig auf diplomatischer Ebene stellen – angesichts eines fehlenden Impfstoffes und europaweiter Lockdowns?
Schallenberg, der selbst im Oktober an Covid-19 erkrankte – "mit einem symptomfreien Verlauf und ohne Nachwirkungen", wie er im KURIER-Gespräch sagt – arbeitet im Ministerium in Teams und mit Homeoffice für die Mitarbeiter. Deshalb gälte es, "Phantasie walten zu lassen und kreative alle Kommunikationskanäle zu nutzen, um in stetem Kontakt und Austausch zu bleiben. Via Videokonferenzen, Whatsapp-Gruppen und vieles mehr." Austauschen sollen sich Österreichs Vertreter im Ausland in Corona-Zeiten insbesondere auch mit den Vertretern der Wirtschaft in den jeweiligen Ländern.
"Jeder Steuerzahler muss wissen, wofür die Vertretungsbehörden finanziert werden"
Entscheidend in den Monaten nach der Krise sei angesichts der steigenden Arbeitslosenzahlen "die Sicherheit des Wirtschaftsstandorts Österreich als Tourismus- und Exportland". Dezidiertes Ziel ist es, "Österreich als sichere Tourismusdestination zu etablieren" und "mit den Außenwirtschaftscentern noch enger zu kooperieren. Im Frühjahr haben wir den Tausenden gestrandeten Österreichern im Ausland geholfen. Jetzt müssen wir den Österreichern im Inland helfen, damit ihre Arbeitsplätze erhalten bleiben."
"Müssen uns auf magere Jahre einstellen"
In Österreich selbst soll die Arbeit der Botschafter zudem sicht- und spürbarer werden. Aus einem triftigen Grund: Vom verbesserten Budget (51,2 Millionen Euro, davon 38,5 Millionen für humanitäre und Entwicklungshilfe) profitiert das Ministerium auch intern. 7,7 Millionen Euro werden in die IT-Ausstattung investiert (Anfang 2020 gab es eine Cyber-Attacke auf das BMEIA), fünf Millionen in den Sicherheitsbereich der Vertretungen.
"Diplomacy is about surviving until the next century. Politics is about surviving until next Friday"
"Im Zuge der Repatriierung haben wir bewiesen, dass unser Netzwerk an Botschaften und Konsulaten kein Luxus, sondern eine Lebensversicherung für die Österreicher ist", sagt der Außenminister während der BOKO. Diese "innenpolitische Relevanz müssen wir beibehalten und ausbauen. Jeder Steuerzahler muss wissen, wofür die Vertretungsbehörden finanziert werden, was sie tagtäglich tun und leisten." Langfristig müsse man sich auf "magere Jahre einstellen, denn das Budgetdefizit wird wieder abgetragen werden müsse" – und ein Ziel erreichen. "Diplomacy is about surviving until the next century. Politics is about surviving until next Friday", zitiert Schallenberg aus einer Serie "Yes, Prime Minister" und schließt "Wir brauchen in unserer Arbeit beides."
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