Kampf um Sieg der sicheren Verlierer

Landtagswahl in Salzburg: von links: Hans Mayr (Team Stronach), LH Gabi Burgstaller, LH-Stv. Wilfried Haslauer, Karl Schnell (FPÖ), Astrid Rössler (Grüne) Bild: Walter Schweinöster
Am Sonntag urteilen die Salzburger über die Finanzmisere und die Zukunft des Landes.

Das Rennen um Platz eins bei der Landtagswahl in Salzburg am Sonntag dürfte knapp werden. Demoskopen prognostizieren ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen SPÖ und ÖVP, obwohl beiden erhebliche Verluste vorhergesagt werden. Am Freitag drehten sich bei den Wettanbietern die Quoten immer mehr Richtung ÖVP-Sieg: 1,83 Euro bekommt man für einen Euro Einsatz; 2,20 Euro für einen Sieg der roten Landeshauptmann-Partei.

Burgstaller will aufräumen

SPÖ-Landeshauptfrau Gabi Burgstaller hatte Mühe, Zeitungsberichte als „mediale Verkürzung“ und „eher Schwachsinn“ zurückzuweisen, wonach sie sich 2015 aus der Politik zurückziehen könnte. Sie wolle vielmehr „aufräumen“, „längst überfällige Reformen im Land“ umsetzen – und einen Nachfolger aufbauen. Der bisherige, Finanzlandesrat David Brenner, ist ihr wegen des Spekulationsskandals ja abhanden gekommen.

Der ÖVP und deren Spitzenkandidat Wilfried Haslauer kommt der rote Wirbel gelegen. Er appellierte am Freitag noch einmal an die Wähler, seiner Partei das Vertrauen zu schenken. „Jetzt ist nicht die Zeit für Experimente, jetzt müssen die Besten ans Ruder.“ Sollte er gewinnen, würde er bis Ende Mai eine Regierung bilden. Erster Ansprechpartner wäre die SPÖ. Burgstaller hat ohnehin angekündigt, zurückzutreten, sofern sie verliert.

Heißes Duell um Platz Drei

Ein heißes Duell um Platz drei dürften sich Grüne und FPÖ liefern. Die Grünen kämpfen erstmals um eine mögliche Regierungsbeteiligung, in der FPÖ liegen alle Hoffnungen bei Spitzenkandidat Karl Schnell, die blaue Negativ-Serie der Wahlen in Niederösterreich, Kärnten und Tirol zu beenden. Und Ex-ÖVP-Mann Hans Mayr, der „Stronach“-Spitzenkandidat und Bürgermeister von Goldegg, wird ein jedenfalls respektables Ergebnis vorausgesagt.

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Malerisch liegt der kleine Ort St. Koloman am Hochplateau des Salzachtales. Große Betriebe gibt es hier nicht, aber viele große Bauernhöfe. Was vielleicht erklärt, warum die ÖVP hier 2009 ein Rekordergebnis schaffte – und die SPÖ einen Negativ-Rekord von nur 19,5 Prozent.

„Waren die Roten wirklich so schwach hier?“, fragt Bürgermeister Willi Wallinger – und lacht laut auf, als er das Ortsergebnis der Wahlen von 2009 studiert. „Das überrascht mich jetzt. Unser roter Gemeinderat hat nämlich bei den Gemeindewahlen zugelegt.“ Arbeitslose gebe es aber ohnehin nicht im Ort, obwohl der nächstgelegene große Arbeitgeber lange die Papierfabrik in Hallein gewesen ist. „Über 1100 Menschen waren dort angestellt“, erzählt Wallinger. „Heute haben die nur mehr 230 Arbeiter, und nur vier aus St. Koloman.“

Über Politik redet der Bürgermeister freilich gerne und viel. „Aber in der Bevölkerung ist die Stimmung nicht berauschend.“ Grund sei der Finanzskandal, der alles überstrahle.

„Dass die Volkspartei eine Mitschuld trifft, weil wir nicht mehr achtgegeben haben und die SPÖ nicht mehr kontrolliert haben, steht außer Frage“, findet ÖVP-Mann Wallinger. Weshalb auch die ÖVP Stimmen verlieren werde. „Aber ich frag’ die Leute dann meistens: Wer soll es in Zukunft richten? Und da, glaube ich, haben die Leute mehr Vertrauen in Haslauer und sein ÖVP-Team.“

Wer hat Schuld?

Nebenan beim Wirten „Zum goldenen Stern“ steht die Chefin persönlich hinter der Schank. „Bei uns am Stammtisch wird irrsinnig viel über die Landespolitik diskutiert“, sagt Wirtin Hannelore Rettenbacher. „Da fliegen oft die Fetzen. Aber ich frage mich ja selber auch, wie der Skandal möglich war. Das Land spekuliert mit Milliarden, und niemand will dafür verantwortlich sein.“

Unter den Gästen ist der Tenor ähnlich: „Da kommen riesige Summen weg, und niemand fällt’s auf“, heißt es da, „In der Privatwirtschaft würde diese Politiker und Beamte doch niemand einstellen.“ – „Ich weiß nicht, mit welcher Partei das Schlamassel wieder besser werden könnte.“ – „Es ist in einem SPÖ-Ressort passiert, aber der Abteilungsleiter, der Hofrat Paulus, der ist ein Schwarzer.“

Jung-Unternehmer Bernhard Bogensberger befürchtet, dass aufgrund des Finanzskandals viele, und vor allem die Jungen, erst gar nicht zur Wahl gehen werden: „Dass die noch immer behaupten, sie hätten von nix gewusst, ist doch sehr fragwürdig. Der Politikverdruss wächst durch solche Aktionen umso mehr. In der Politik scheint’s, dass man sich recht fesch reinwaschen und rausreden kann.“

Auf einer Bank vor ihrem Haus sitzt Theresia Schmid und genießt die warmen Sonnenstrahlen. Sie wird „bald neunzig Jahre alt“. „Aber das mit der Spekulation, des war schon allerhand“, sagt sie. „Aber wir sind schon zufrieden hier, es geht uns ja gut. Nur gegen die Teuerungen sollen die Politiker endlich was machen.“

Über dem Salzburger Flachgau liegt Hochnebel. Kurz vor dem Ortsschild Bürmoos ändert sich zwar nicht die Landschaft, aber die politische Landkarte. Umringt von tiefschwarzen Gemeinden, wächst ein mehr als zartes, dunkelrotes Pflänzchen. „Roter geht’s gar nicht“, sagt der Bäcker lachend. „Bist mit der Schule fertig, bist schon bei der Partei. So ist das hier.“

Bürmoos. 4700 Einwohner auf 436 Meter Höhe. 61,7 Prozent wählten bei der Landtagswahl 2009 die SPÖ; nur 13,3 die ÖVP. Auch bei der Volksbefragung über die Wehrpflicht votierte der Ort als einziger im Bundesland für ein Berufsheer.

Bürmoos ist anders. Einen Maibaum, wie in den Nachbargemeinden, stellt hier keiner auf, dafür hängen die Geschäftsleute am 1. Mai brav die Fahnen vors Fenster. Und zum traditionellen Fackelzug kam sogar Landeshauptfrau Gabi Burgstaller. „Die Veranstaltung war gut besucht, das gibt mir Hoffnung für die Wahl“, sagt Bürgermeister Peter Eder. „30 Prozent plus“ traut der 43-Jährige seiner Partei zu; „wir werden als Erste ins Ziel gehen.“ Nicht alle teilen diesen Optimismus. „Mit der Politik habe ich nix am Hut“, sagt der Trafikant. „Bayern gegen Barcelona, das ist Weltklasse. Unsere Politik dagegen ist auf Kreisliga-Niveau.“

Auch der Herr vom Pensionistenverband, der seit jeher Rot wählt, ist unsicher. „Die Korruption, der Finanzskandal – ein Wahnsinn.“ Aus Tradition wird er am Sonntag wohl wieder sein Kreuzerl bei der SPÖ machen, „aber diesmal mit Bauchweh“.

„Casino-Kapitalismus“

Seit Bekanntwerden des Finanzskandals hat Bürgermeister Eder den Genossen einiges zu erklären. „Ich habe den Menschen gesagt, dass Fehler passiert sind. Man ist der Verlockung verfallen, schnell viel Geld zu machen.“

Dieser „Casino-Kapitalismus“ (© Eder) kommt in einem Arbeiterort, der lange Zeit das Armenhaus Salzburgs war, gar nicht gut an. Bis ins 19. Jahrhundert erstreckte sich hier eine große Moorlandschaft; mit dem Abbau des Torfes kamen Ziegelwerke und Glasfabriken – und mit ihnen billige Arbeitskräfte. Heute gilt Bürmoos als wirtschaftlich aufstrebend. 1500 Arbeitsplätze gibt es im Ort, 1000 davon in der Industrie – vorwiegend in der Metallbranche. „Das sind gut bezahlte Jobs“, sagt Eder.

Der Wohlstand kam, die Gesinnung blieb. Zumindest bei den Älteren. „Wir wählen die Burgstaller. Sie ist sympathisch und eine Frau“, sagen die 84-jährigen Zwillingsschwestern. Was anderes als die SPÖ käme nicht in Frage. „Der Papa würde sich sonst im Grab umdrehen.“

Die Jungen sehen das anders. Im Gasthof Fersterer verbringen die Arbeiter der nahen Dentalfabrik ihre Mittagspause. Die Wahl ist bei ihnen kein Thema. „Mir egal“, „keine Ahnung“ oder „interessiert mich nicht“ sagen sie.

Einig ist man sich im Ort nur, wer nicht Landeshauptmann werden soll: Wilfried Haslauer. „Sein Vater war ein Sir, aber ihn kann ich nicht leiden“, sagt ausgerechnet einer der raren ÖVP-Wähler.

Am Sonntag, wählt Salzburg einen neuen Landtag. Es wird dies ein Tag der Abrechnung nach dem Finanzskandal werden. Und es wird ein Duell um die künftige Macht im Land – bleibt Gabi Burgstaller oder kommt Wilfried Haslauer? Lesen Sie im KURIER alle Zahlen zum Wahltag.

2,00 Nicht nur die Umfragen deuten auf ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen SPÖ und ÖVP um Platz eins und zwischen FPÖ und Grünen um Rang drei hin – auch beim Wettanbieter William Hill liegen die Parteien gleichauf. SPÖ und ÖVP notieren mit einer Quote von 2,00, FPÖ und Grüne jeweils mit 13,00. Deutlich abgeschlagen liegt das Team Stronach mit der Quote 34.00.

20 Grad Höchsttemperatur, mäßiger Wind und wenig Niederschlag sagen die Meteorologen für Sonntag voraus. Das ist nicht nur für die 6500 Läufer des Salzburg-Marathons interessant, sondern auch für Wahlkampfbeobachter: Bei Kaiserwetter zieht es die Menschen eher in die Bäder denn an die Wahlurnen, bei schlechtem Wetter bleiben sie daheim.

140 Medienvertreter haben sich zur Berichterstattung über die Salzburg-Wahl akkreditiert – so viele wir noch nie zuvor. Neun TV-Anbieter, ebenso viele Radiostationen, 47 Print- und sechs Online-Medien sowie zwölf Fotografen werden über den Ausgang der Wahl vom Chiemseehof, dem Sitz der Landesregierung, berichten.

28.369 Wahlkarten haben die Salzburger Gemeinden ausgestellt; das sind um 7167 Wahlkarten mehr als bei der Landtagswahl 2009.

70.000 Hausbesuche hat die ÖVP laut eigenen Angaben absolviert, davon 20.000 in der Landeshauptstadt.

389.789 Salzburger sind am morgigen Super-Sonntag wahlberechtigt, darunter 23.346 Wähler, die jünger als 20 Jahre sind. Im Vergleich zur Wahl 2009 sind das aufgrund geburtenschwacher Jahrgänge um ca. 17.000 Stimmen weniger. Gleichzeitig nahm die Gruppe der 60- bis 74-jährigen Wähler um acht Prozent zu.

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