Als Wilfried Haslauer vor fünf Jahren mit der ÖVP sein bisher bestes Wahlergebnis einfuhr, konnte er für die Koalitionsbildung auf so ziemlich alle Optionen zurückgreifen. Er ließ die Partner auf den Plätzen zwei und drei, SPÖ und FPÖ, allerdings links liegen und entschied sich für das Experiment einer sogenannten Dirndl-Koalition mit den Grünen und den Neos.
Diese Farbenspiele dürften ihm diesmal nicht zur Verfügung stehen. Die wenigen Umfragen, die es zu der Salzburg-Wahl gibt, deuten darauf hin, dass ÖVP, Grüne und Neos zusammen zu schwach sein werden, um im Landtag eine Mehrheit zu haben. Dabei hatte diese Landesregierung gut zusammengearbeitet. Die größten Aufreger waren der Sager von Landeshauptmann Haslauer über die Wissenschaft angesichts der Corona-Turbulenzen und der Rücktritt des grünen Landeshauptmann-Stellvertreters Heinrich Schellhorn wegen eines Pflegeheimskandals. Die Neos mussten nur mit innerparteilichen Turbulenzen kämpfen. Dennoch blieb unterm Strich ein harmonisches Bild, das der ruhigen, unaufgeregten Regierungsführung von Haslauer entsprochen hat.
Die politischen Rahmenbedingungen haben sich aber auch für die Salzburger geändert. Dem österreichweiten Trend entsprechend wird die FPÖ am Abend der große Wahlsieger sein. Noch dazu mit Marlene Svazek als Spitzenkandidatin, die innerparteilich als eines der größten Talente gilt. Und so kann es kommen, dass Wilfried Haslauer diesmal von den Wählern zu dem Experiment Schwarz-Blau gezwungen wird, das ihm persönlich so gar nicht liegt.
Die Salzburg-Quote der KURIER-Redaktion ist im Vergleich zu anderen Bundesländern relativ gering. Hier die Reminiszenzen an die Residenzstadt und die fünf Salzburger Gaue von Oliver Scheiber, gebürtiger Zeller, Karl Oberascher, geboren in Oberndorf, und die Stadt-Salzburger Johanna Hager und Thomas Trenkler. An einem Tag, der Salzburg politisch durcheinanderwirbeln wird.
Der Stadt Salzburger Thomas Trenkler über
"Eine Idylle mit Hitler-Autobahn"
Von einem, der zwar in Salzburg (Stadt) zur Welt kam, aber bloß eineinhalb Jahre im Salzburgischen lebte (in Jadorf bei Kuchl), ist keine Expertise über Land und Leute zu erwarten. Als Kulturjournalist lernt man aber zumindest die schönen Seiten kennen. Zum Beispiel das pittoreske Goldegg, wo Sepp Schellhorn, einige Jahre Kulturpolitiker der Neos, den Seehof als Nobelherberge auch für Literaten und Schauspieler führt. Oder St. Jakob am Thurn als Idealvorlage für ein Modelleisenbahndorf: Es besteht nur aus Kirche, Wirtshaus und ein paar Häusern am Rande eines idyllischen Teichs.
Empfehlenswert ist auch der Holznerwirt in Eugendorf mit dem allerschönsten Kastanien-Gastgarten. Um von dort in die Hauptstadt zu kommen, kreuzt man die Autobahn, die Hitler bauen ließ. Die Bogenbrücke aus Stein passt – erschreckenderweise – ins Panorama.
Mit der Gegenwart tut man sich jedoch schwer. Das Haus für Mozart, 2006 eröffnet, fügt sich unauffällig in den Festspielhauskomplex (aus der Zeit des Austrofaschismus). Die drei Portale erinnern mich aber an meine eineinhalb Jahre: Sie wurden von Josef Zenzmaier gestaltet, der bei Kuchl eine faszinierende Bronze- gusswerkstatt betrieb. Er entsprach ganz der Vorstellung eines Bildhauers. Kürzlich ist er leider gestorben.
Der Zeller Oliver Scheiber über
"Die stets wachsende Shopping City"
Der erste Gedanke, wenn ich (ein vor mittlerweile 31 Jahren nach Wien „Zuagroaster“) an Salzburg denke, ist eine unbeschwerte Kindheit und Jugend in einer – verglichen mit heute – nahezu unberührten Natur. Wir spielten im Wald, badeten im Zeller See, fingen Fische in den vielen kleinen Teichen der sumpfigen Wiesen und alles war von einer selbstverständlichen Unbeschwertheit.
Diese vermisse ich heute etwas, wenn ich zu meinen Eltern auf Besuch in den Pinzgau fahre. Klar, die Kinder lieben es, das Haus im Grünen, den Garten, die Berge, das Skifahren, die nach wie vor wunderschöne Natur. Auch die Leute sind liab, freundlich wie immer, doch einiges ist anders. Am Stadtrand von Zell am See, und das ist leider exemplarisch für viele Gemeinden im ganzen Land, schreitet die Versiegelung des Bodens unaufhörlich voran. Da ein neuer Supermarkt, dort ein neues Kino, ein neuer Sportartikelhändler und überall riesige Parkplätze dabei. Weil, ohne Auto geht gar nichts. Obwohl sich das Öffi-Netz stark verbessert hat. Und da, wo früher unsere Teiche zum Fischen waren, stehen heute Chalets für Touristen, die in der Nebensaison monatelang leer stehen. Ich bin zwar nach wie vor sehr gern „dahoam“, aber ich fahre ich auch gern wieder zurück nach Wien.
Die Stadt Salzburgerin Johanna Hager über
"aufgestellte Polo-Krägen"
Das Diakonissen-Krankenhaus, in dem ich zur Welt gekommen bin, gibt es nicht mehr. Ebenso wie die Wiener Bäckerei in der Getreidegasse und damit den unnachahmlichen Duft nach noch lauwarmem, feinkristallbezuckertem Brioche. Auf meinem Schulweg quer durchs Erdbeerfeld sind jetzt Häuser, bei den Ursulinen nicht mehr ausschließlich Mädchen in den Klassen.
Und doch überdauert einiges Zeit und Raum.
Man kann Salzburg verlassen – doch Salzburg verlässt einen nie.
Auch nach Jahrzehnten in der Bundeshauptstadt zeigt sich die Herkunft nicht zuletzt an aufgestelltem Hemd- oder Polokragen, Barbour-Jacke und Halstuch. Die Uniform der Residenzstadt, die selbst längst teils uniform geworden ist. Gäbe es da nicht den Balkan-Grill, den Grünmarkt, den Kaffee im Bazar oder Tomaselli, ein Buch beim Höllrigl oder den Gang vorbei an der Trakl-Apotheke, um sich ebendort an seine Gedichte wie Veronal-Vergiftung zu erinnern.
Und daran, dass sie das Gemüt schwer machten wie die Stadt ohne Festspiellaune – mit ihrem Schnürlregen und Snobismus. Letzterer macht es „Zuagroasten“ schwer, sich zu integrieren und Einheimischen leicht, sie zu verlassen. Auch, um sie manchmal zu vermissen.
Der Thalgauer Karl Oberascher über
"Selbstbewusste Hiesige"
Mein Opa war kein „Hiesiger“ und deshalb mitunter ein armer Hund. Beim Wasserholen hatte er sich ausgerechnet in eine Thalgauerin verliebt. Die war zwar aus dem Nachbardorf, sprachlich jedoch trennte sie die Landesgrenze zu Oberösterreich. Für den Rest seines Lebens musste er sich darum belustigte Abhandlungen darüber anhören, dass die Mondseer – so einer war er ursprünglich – „affi“ zu „auffi“, also rauf – sagen. Seinen Enkeln erklärte er in dem Zusammenhang meist, dass man übers Feld „zwerigst“, in die Stadt „eini“ und nach Wien „ummi“ fährt.
Was die Salzburger außer der Begabung, die nächste Stadt mit einem Wort zu lokalisieren, das man schon im nächsten Dorf nicht mehr versteht, sonst noch eint? Schwer zu sagen. Fix ist: Wolfgangsee, Fuschlsee, Salzburg ist einer der schönsten Flecken Österreichs. Das mag simpel klingen, hat aber weitreichende Folgen. Mit der angeborenen Selbstgewissheit, auf die Butterseite der Alpen gefallen zu sein, gehen leichte Daunenjacken plötzlich ohne Weiteres als modisch durch und dienen Späße über das Nachbardorf plötzlich auch der Selbstverortung. Ob dieser Befund übrigens auch für den Lungau gilt, weiß ich nicht. Ich habe noch nie jemanden von dort getroffen.
(kurier.at, haj)
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Aktualisiert am 23.04.2023, 10:23
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