Rund, ung’sund – und teuer: Der Staat leidet an Übergewicht
Fällt das Schlagwort „Pflege“, denkt man nicht zwangsläufig an dickere Menschen im besten Alter. Man denkt allenfalls an Pensionistenwohnheime und Krankenhäuser, an Rollatoren und Weißhaarige im Rollstuhl.
Aber füllige 40-Jährige? Eher nicht.
Genau das ist das Problem, findet Alexander Biach. Im Brotberuf Standortanwalt, stellvertretender Direktor der Wiener Wirtschaftskammer und ÖVP-Wien-Vize, beackert der Gesundheitsexperte auch das Pflegethema. Immerhin war er zuvor Vorstandsvorsitzender im Hauptverband der Sozialversicherungen.
Biach hat ein Anliegen, das in der gesamten Pflege-Thematik zu kurz kommt: die Vorsorge und insbesondere der Kampf gegen die Fettleibigkeit.
„Bei mehr als 36 Prozent aller Pflege-Patienten lässt sich ein direkter Bezug zum Übergewicht herstellen“, sagt Biach. Jeder dritte Pflegegeld-Bezieher hat kaputte Knochen, Muskeln oder Gelenke, eine Stoffwechselerkrankung, Probleme mit dem Herz-Kreislauf-System oder sonst ein Leiden, das ihn zum Pflegefall macht.
Milliardenkosten
170.000 Fälle kommen so zusammen. Und wenn man diese Zahl mit dem durchschnittlichen Pflegegeld (5.885 Euro im Jahr) multipliziert, kommt man auf etwas mehr als eine Milliarde Euro im Jahr, die die öffentliche Hand möglicherweise gar nicht ausgeben müsste, würde man sich mehr um die Vorsorge kümmern.
Das ist die eine Seite, die finanzielle.
Die andere, noch viel wichtigere: Österreichs älteren Menschen geht es trotz erheblicher finanzieller Anstrengungen grundsätzlich vergleichsweise schlechter. Jeder fünfte Pensionist in Österreich sagt, sein Gesundheitszustand sei so übel, dass ihn jemand betreuen muss.
In Ländern wie Schweden oder Dänemark sagt das nicht einmal die Hälfte der Über-65-Jährigen.
Reparaturmedizin
Ist das Zufall? Mitnichten. Laut Biach gibt Österreich zwar extrem viel für die medizinische Versorgung der Menschen aus, nämlich im Schnitt 5.130 Euro pro Person und Jahr. Allerdings entfällt dies großteils auf die sogenannte Reparaturmedizin. Der Pro-Kopf-Betrag bei der Prävention beträgt nicht einmal 98 Euro pro Patient und Jahr.
Die Lösung? Für Biach liegt sie in einem Modell, das sich bei Schwangerschaften und Neugeborenen seit Jahrzehnten bewährt, nämlich: der Mutter-Kind-Pass.
Was für werdende Mütter und deren Familien mittlerweile selbstverständlich ist – nämlich regelmäßige Gesundheitskontrollen und Impfungen, die an das Kinderbetreuungsgeld geknüpft sind – könnte nun auch für ältere Patienten eingeführt werden.
Der sogenannte „Best-Ager-Bonus-Pass“ funktioniert nach derselben Idee: Wer sich ab dem 50. Lebensjahr aktiv um seine Gesundheit kümmert, wird auch mit materiellen Anreizen belohnt. Das können Einkaufsgutscheine sein oder auch Vergünstigungen bei Lebensmitteln und Hygieneartikeln.
„Die Vinzenz-Gruppe plant bereits ein Pilot-Projekt zu diesem Thema“, sagt Biach. Denn auch für Spitalsbetreiber ist es vital, zu wissen, was Patienten am effektivsten motiviert, auf die eigene Gesundheit zu achten.
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