Rückenwind für das Volksbegehren

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Die Ärzteschaft mobilisiert – und hat laut Umfrage zwei Drittel der Österreicher hinter sich.

Hätte Manfred Neuberger all die Zahlen nicht, er wäre wohl deutlich vorsichtiger.

Dann würde er vermutlich nicht sagen, dass Sebastian Kurz "gegen seine Wähler stimmt". Oder dass Heinz-Christian Strache die "medizinische Wissenschaft" ignoriert. Oder dass Kurz und Strache bald dafür verantwortlich sein könnten, dass in Österreich 5000 zusätzliche Herzinfarkte zu beklagen sind, weil in Lokalen weiter geraucht wird.

Nein, Manfred Neuberger würde all das nicht sagen, wäre er nicht Sprecher der Initiative "Ärzte gegen Raucherschäden" und wüsste er nicht, dass ihn "hunderte Studien" in seiner Meinung stützen, die da lautet: Ein rigoroser Nichtraucherschutz rettet Leben – und schadet den Wirten nicht im Geringsten.

Breite Front

Nachdem ÖVP und FPÖ angekündigt haben, dass sie das 2015 beschlossene und ursprünglich für 1. Mai geplante absolute Rauchverbot in der Gastronomie zurücknehmen wollen, ist Neubergers Initiative Teil einer breiten Bewegung geworden, mit der sich die Bundesregierung in den nächsten Wochen wird auseinandersetzen müssen.

Vor allem Ärzte machen allerorten mobil, damit der geplante Nichtraucherschutz kommt.

Die Krebshilfe hat eine entsprechende Online-Petition initiiert, die bis heute 442.000 Menschen unterschrieben haben. "Wir werden die Petition den Parlamentariern übergeben, damit sie in den Petitionsausschuss des Nationalrats kommt", sagt Krebshilfe-Chef Paul Sevelda.

Wiens Ärztekammer ist wild entschlossen, den Nichtraucherschutz zu kampagnisieren: Voraussichtlich noch im Februar soll ein Anti-Rauch-Volksbegehren anlaufen, das im Mai zur Unterschrift aufliegt.

Der Text für das Begehren ist fertig. "Momentan wird er mit dem Innenministerium abgestimmt, um Formalfehler zu vermeiden", sagt Wiens Ärztekammer-Chef Thomas Szekeres.

Und als wäre dieser Widerstand politisch nicht schon unangenehm genug, regen sich auch in einzelnen Bundesländern ernste Zweifel an der Raucher-Politik der Bundesregierung.

Mehrheit für Verbot

Aber zurück zu Manfred Neuberger. Der hat nämlich bemerkenswerte Zahlen parat: Laut einer Anfang Jänner im Auftrag der Initiative unter 1000 Österreichern gemachten Fessel-GfK-Umfrage wollen sieben von zehn Österreichern unbedingt am absoluten Rauchverbot in der Gastronomie festhalten (Grafik).

Bis auf die regelmäßigen Raucher gibt es de facto keine Bevölkerungsgruppe, die sich nicht zumindest zu 65 oder noch mehr Prozent dafür ausspricht, das geplante Rauchverbot umzusetzen – erheblicher Rückenwind also für ein Volksbegehren.

Keine Umsatzeinbußen

Bisweilen wird ja behauptet, das Rauchverbot dränge die Wirte in den Ruin.

Eben deshalb hat Präventionsmediziner Neuberger an diesem Dienstag den Deutschen Ernst-Günther Krause mit aufs Podium eines Wiener Cafés genommen. Krause war Sprecher der Nichtraucher-Initiative Bayern. War deshalb, weil es die Initiative wegen Erfolges nicht mehr gibt – Bayern hat eine Reihe von Nichtraucherschutzgesetzen auf den Weg gebracht.

Das Spannende an den Ausführungen des Deutschen ist, was er über die wirtschaftlichen Konsequenzen des Rauchverbots in Lokalen sagt: Denn wie Daten des Statistischen Bundesamtes zeigen, haben sich die Umsätze der "getränke- und speisenorientierten Gastronomie" in Bayern und Nordrhein-Westfalen nach Einführung des Nichtraucherschutzes nicht negativ, sondern sogar positiv entwickelt. Und auch die Zahl der Insolvenzen in der Gastronomie ist im Freistaat nach dem absoluten Rauchverbot nicht gestiegen, sondern gesunken.

Krauses Erklärung dafür: "Nichtraucher gehen jetzt in Lokale, die sie zuvor gemieden haben. Und die Raucher sind vielen Lokalen treu geblieben, weil sie teils ohnehin aufhören wollen zu rauchen, und/oder weil sie selbst nicht gern in Lokalen essen, in denen sie vollgequalmt werden."

Die schwarz-rote Koalition in der Steiermark bleibt dabei: „Ein Abgehen vom bereits beschlossenen Rauchverbot in der Gastronomie kann nicht befürwortet werden“, hieß es in einem Antrag im Landtag am Dienstag. Damit stellt sich die schwarze Landeshauptmannpartei gegen die türkise Kanzlerpartei im Bund.

Damit das aber nicht gar so brüskierend daherkommt, wählte man am Dienstag in der Steiermark einen Kunstgriff. In Form eines Rückgriffs auf einen längst vergangenen, aber noch aufrechten Beschluss: Bereits im Dezember 2006 sprach sich der steirische Landtag einstimmig für ein Rauchverbot nicht nur in der Gastronomie, sondern auch in Tankstellen aus.

Dieser elf Jahre alte Beschluss wurde am Dienstag von ÖVP und SPÖ schlicht „bekräftigt“, wie es in dem entsprechenden Entschließungsantrag im Landtag bezeichnet wurde. Der Antrag bekam neben den Stimmen der ÖVP und SPÖ auch jene der Grünen sowie der KPÖ und ist somit mehrheitlich beschlossen.

Ein taktischer Zug, der vor allem die grünen Mandatare schmunzeln ließ: „ÖVP und SPÖ setzen in ihren Antrag ein bisschen auf Tarnung, um vermutlich die schwarzblaue Bundesregierung nicht zu sehr vor den Kopf zu stoßen“, überlegte Klubchef Lambert Schönleitner. Die Grünen waren es, die Schwarz-Rot in der Steiermark mit einem Antrag unter Zugzwang brachten: Sie forderten formell „einen steirischen Schulterschluss“ für das Rauchverbot ab 1. Mai.

"Keine Freude" mit neuer Regelung

Einen Schulterschluss mit den Steirern gibt es in den Ländern der Westachse – wenn auch nur auf informelle Art. Die ÖVP-Landeshauptmänner haben zuletzt in diversen Medien ihren Unmut über die türkis-blauen Pläne geäußert und bekräftigen das am Dienstag. Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer etwa bedauert, dass das Rauchverbot den Koalitionsverhandlungen „zum Opfer gefallen“ sei, er habe mit der neuen Regelung „keine Freude“. In Salzburg erklärt Wilfried Haslauer, dies sei eben einer dieser Kompromisse, der einem weniger gefällt. Markus Wallner in Vorarlberg hofft, „dass die FPÖ in der laufenden Legislaturperiode noch zur Vernunft kommt“. Tirols Landeschef Günther Platter bekräftigt, er sei für den „restriktiven Weg“.

In Sachen Nichtraucherschutz schlagen die Länder heuer selbst einen Pflock ein: Die Jugendschutz-Referenten haben sich im März auf ein Rauchverbot für Unter-18-Jährige geeinigt, nach und nach soll das über einzelne Landtagsbeschlüsse bis Mitte 2018 flächendeckend gelten.

Turbo-Variante

Fraglich ist jetzt, wie die Regierung die Aufhebung des Rauchverbots, das ab 1. Mai inkraft treten sollte, weiter forcieren will. Der übliche Weg, eine Regierungsvorlage inklusive mehrwöchiger Begutachtungsfrist in den Nationalrat zu bringen, dürfte zu langwierig sein. Zudem stehen vier Landtagswahlen an – und das Raucherthema polarisiert (zu sehr).

Um das Thema möglichst klein zu halten, könnten sich ÖVP und FPÖ für die Turbo-Variante entscheiden: Über einen Initiativantrag könnte der Vorschlag, die aktuelle Regelung über den 1. Mai hinaus zu verlängern, noch im Februar zur Abstimmung im Plenum landen – und das Verbot rechtzeitig kippen.

Wenn das Anti-Raucher-Volksbegehren, das im Mai über die Bühne gehen soll, dann ein Erfolg wird, kann der Nationalrat noch immer umdisponieren. Und darauf hoffen viele im ÖVP-Klub, die insgeheim für eine Beibehaltung des Rauchverbots wären, heißt es aus internen Kreisen: „Der FPÖ, die sich so vehement für mehr direkte Demokratie einsetzt, wären dann die Hände gebunden.“

(Elisabeth Holzer, Raffaela Lindorfer)

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