"Geld kann nichts aufwiegen ..."

Sozialminister Hundstorfer bei der Klagemauer in Jerusalem. Welchen Wunsch er dort auf einem Zettel deponiert hat, bleibt geheim
Minister traf Überlebende des Holocaust, die Pensionen und Pflegegeld aus Österreich beziehen.

Im Altersheim „Beit Moses“ in Jerusalem, das von einem kleinen Garten umgeben ist und 150 Menschen ein Zuhause bietet, spielt ein Mann auf einem Flügel, eine Frau singt dazu. Einige Senioren lauschen der Musik im Foyer. Es ist ein Ständchen für eine Delegation aus Österreich. Im Esszimmer nebenan stehen Apfelstrudel und Schwarzwälder-Kirsch-Schnitten auf den Tischen. „Wir hatten noch nie Apfelstrudel“, stellt Alica Gutman fest und ergänzt: „Ich mag gerne Apfelstrudel.“

Es ist eine kulinarische Erinnerung an die alte Heimat. Die pensionierte Ärztin Gutman, deren Vater aus Wien und deren Mutter aus Berlin stammte, lebt mit ihrem Mann nun in „Beit Moses“. Das erzählt die 84-Jährige Österreichs Sozialminister Rudolf Hundstorfer bei seinem Besuch in Israel. Der SPÖ-Politiker wurde von Holocaust-Überlebenden eingeladen. Hundstorfer traf auch Israels Wirtschaftsminister Naftali Bennet, Sozialminister Meir Cohen und den Gewerkschaftschef. Manche Polit-Beobachter meinen, Hundstorfer wärme sich für den Hofburg-Wahlkampf auf. Der Minister sagt zu derlei Ambitionen immer: „Ich habe einen interessanten Job, und dabei soll es bleiben.“

In „Beit Moses“ plaudert der leutselige Politiker mit den betagten Menschen. Österreich hat einst den Bau des Seniorenheims mit 250.000 US-Dollar (rund 210.000 Euro) unterstützt. Heute bekommen NS-Verfolgte teils noch Pensionen und Pflegegeld aus Österreich. 1768 Personen erhielten per 1. Jänner 2014 eine Pension nach dem „Opferfürsorgegesetz“, 94 von ihnen leben in Israel. Der überwiegenden Mehrheit werden nur wenige Hundert Euro monatlich überwiesen. Pflegegeld gibt es für 604 NS-Opfer in Israel.

Alica Gutman hat nichts beantragt: „Österreich schuldet mir nichts – und ich schulde Österreich nichts.“ Als einstige Ärztin geht es ihr finanziell freilich besser als vielen in Israel. Fast ein Viertel gilt als armutsgefährdet.

Einer, der Pension und Pflegegeld aus Wien erhält, ist Yosef Antler. Im November 1938, als 16-Jähriger, flüchtete er ins Heilige Land. „Ich hatte viel Glück“, sagt der 91-jährige „Beit Moses“-Bewohner – und meint damit, dass er den SS- und SA-Leuten in Wien oft nur knapp entkommen ist. Seine Mitbewohnerin Tamar Navea hat andere Erinnerungen: „Meine Mutter und meine Tante wurden von der SA geholt und mussten auf der Straße die Trottoirs reinigen. Auf Parkbänken zu sitzen, war Hunden und Juden verboten.“

Beim Putzen der Gehsteige ausgelacht

Der gebürtige Wiener Moshe Jahoda (88), den Hundstorfer in einem Hotel trifft, erinnert sich, dass die Leute die Juden, die die Gehsteige schrubben mussten, ausgelacht haben. Jahodas Eltern und seine Schwester sind im KZ umgekommen. Er kam als 12-Jähriger mit einem Kindertransport nach Palästina. „Wir haben von Österreich viel Hilfe bekommen“, befindet Jahoda. Einige, wie Leo Luster und andere Mitglieder des Zentralkomitees der Juden aus Österreich (ZKJÖ), meinen, es sollte mehr sein. Luster war im KZ in Auschwitz, sein Vater hat nicht überlebt. Der 87-Jährige wünscht höhere Pensionen für die Überlebenden – und, dass der Bezieherkreis erweitert wird.

ZKJÖ-Präsident Gideon Eckhaus ergänzt: „Wir freuen uns, dass Österreich sich bemüht, das Gedenken an die Vergangenheit aufrechtzuerhalten. Aber wir würden es auch sehr schätzen, wenn man den wenigen noch Lebenden ihren letzten Lebensabschnitt erleichtern würde.“

Hundstorfer verspricht dem ZKJÖ in Tel Aviv, dass die Klubs, wo sich die Österreicher treffen, weiter unterstützt werden. Auch mehr Gedenkdiener (wie Zivildiener) sollen den Opfern helfen. Beim Thema mehr und höhere Pensionen bremst er die Erwartungen. Hat Österreich genug getan? Hannah Lessing, Generalsekretärin des Nationalfonds, sagt: „Was heißt genug getan? Geld kann nichts aufwiegen. Das Wichtigste ist, dass man immer zu der Vergangenheit steht.“ Zumindest das konnte der Sozialminister den Betroffenen zusagen.

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