Rosenkranz über "Leistungsträger" und "illegale Nazis"
Seine Kandidatur wie sein Wahlkampf für das höchste Amt im Staat habe "punktgenau" zum richtigen Zeitpunkt begonnen, startet Walter Rosenkranz in sein Interview in der Puls 24-Sendung "Milborn Spezial".
Abgesehen von bereits bekannten Positionen des FPÖ-Volkanwalts - Eignungstests für Minister wie beispielsweise Bildungsminister Martin Polaschek, die mögliche Entlassung der Regierung oder einzelner Regierungsmitglieder - lässt Rosenkranz aufhorchen.
Corinna Milborn schickt voraus, dass Rosenkranz seit seiner Jugend Mitglied der schlagenden "Jungmannschaft Kremser Mittelschüler Rugia" ist. "Wie Michael Häupl", unterbricht Rosenkranz. Zudem ist der Hofburg-Kandidat Mitglied der schlagenden Burschenschaft "Libertas" und hat acht Mensuren gefochten und "wohl mehrere Schmisse" davon getragen, wie Rosenkranz sagt. Dass man zwei Schmisse im Gesicht kaum auf den Wahlplakaten sieht, das sei der Sonnenbräune aus dem Urlaub geschuldet.
Milborn nimmt Bezug auf den Sammelband "150 Jahre Burschenschaften in Österreich" (Ares Verlag 2009), herausgegeben von Martin Graf (FPÖ-Mandatar, ehemals Dritter Nationalratspräsident), in dem ein Beitrag von Rosenkranz enthalten ist.
Über "Leistungsträger" aus der NSDAP
Der Beitrag beinhaltet eine Liste von "Burschenschaftern als Leistungsträger in Österreich zwischen 1918 und 1938". Rosenkranz führt auf dieser Liste, wie Milborn zitiert, unter anderem Johann Stich (1888-1955) an. Stich war Generalstaatsanwalt während der NS-Zeit. Rosenkranz merkt an, es handle sich um Leistungsträger der Ersten Republik (1918-1938). Milborn wiederum betont, sie sei beim Durchsehen dieser Liste ein "paar Mal gestolpert", und führt aus, warum.
Milborn: "Johann Stich ist 1930 ... und zwar als Generalanwalt, Sie schreiben nicht dazu, dass es ein nationalsozialistischer Generalstaatsanwalt war."
Rosenkranz: "Aber 1930 noch nicht, oder?"
Milborn: "Na nachher, aber 1930 ist er der NSDAP beigetreten. Dann ist er deshalb zum nationalsozialistischen Generalstaatsanwalt geworden. Und er war verantwortlich für zahlreiche Todesurteile. Er hat direkt Todesurteile ohne gescheites Verfahren erwirkt. 17 Leute sind hingerichtet worden in Wien, 44 Häftlinge in Krems. Er ist dafür verurteilt worden. Was ist aus Ihrer Sicht daran ein Leistungsträger für Österreich?"
Rosenkranz: "Dass er bereits staatsanwaltlich tätig war 1930. Das rechtfertigt nicht, dass er auch Nationalsozialist wurde."
Milborn: "Sie haben ihn drinnen als Generalstaatsanwalt, und das ist er durch die Nazis geworden, weil er alter Kämpfer war, schon 1930 der NSDAP beigetreten ist."
Rosenkranz: "Das mag sein."
Milborn: "Warum haben Sie ihn auf dieser Liste? Als Leistungsträger? Er hat sonst nichts geleistet. Ich habe mir die ganze Biografie angeschaut."
Rosenkranz: "An sich, Leistungsträger, ich weiß nicht, ob ich den Begriff Leistungsträger verwendet habe, weiß ich jetzt nicht."
Milborn: "Doch. Die Liste heißt 'Burschenschafter als Leistungsträger in Österreich 1918 bis 1938'."
Rosenkranz: "Die in der Verwaltung tätig waren. Und wenn Sie sagen 1930 bis 1938, dann kann es von Ihnen aus argumentativ nicht zusammenpassen. Weil 1938 sind erst die Nazis an die Macht gekommen."
Milborn: "Genau, und 1930 ist er schon illegal der NSDAP beigetreten."
Rosenkranz: "Es kann sein, das weiß ich nicht."
Milborn: "Na, das müssen Sie wissen, Sie haben sich ja damit beschäftigt ..."
Rosenkranz: "Nein, das muss ich nicht wissen. Ich hab es einfach aus den Annalen (Jahrbücher) herausgenommen, dass es ihn gibt."
Milborn: "Na, dann sag ich Ihnen ..."
Rosenkranz: "Ich kann seinen Entnazifizierungsakt, seinen Nazifizierungsakt, seine Gerichtsprozesse ... Ich kenne sie nicht. Ich weiß nur, dass er bereits vor dem Nationalsozialismus an einer bedeutenden Funktion im österreichischen Justizwesen tätig war."
Milborn: "An einer nicht so bedeutenden, dann ist er der NSDAP beigetreten und deswegen ist er Generalstaatsanwalt geworden."
Rosenkranz: "1938?"
Milborn: "Nein, 1930 ist er der NSDAP beigetreten, und dann ist er nach der Machtübernahme der Nazi Generalstaatsanwalt geworden ..."
Rosenkranz: "Richtig, ich habe nichts anderes gesagt."
Milborn: "Ja, weil er 1930 beigetreten ist."
Rosenkranz: "Aber wahrscheinlich in der Zeit 1930 bis '38 in der Justiz illegal tätig, nehme ich an. Also, er wird ja nicht deswegen vorher vom Ständestaat dann angestellt worden sein oder befördert worden sein. Ja."
Milborn: "Ja, es wundert mich ja nur, dass Sie so jemanden als Leistungsträger auf die Liste nehmen."
Rosenkranz: "1930 bis 1938 war er Leistungsträger in Österreich."
Milborn: "Und Nazi-Mitglied."
Rosenkranz: "Als illegaler Nazi ..."
Milborn: "Ich sag Ihnen noch eines, bevor wir uns verwirren in der Biografie von Herrn Stich, die sehr, sehr klar ist. Da gibt es nichts, der war nachher einfach nur mehr im Gefängnis. Er ist verurteilt worden wegen seiner Verbrechen."
Rosenkranz: "Ja, ja. Wird auch zurecht im Gefängnis gewesen sein. Ich habe ja keinen Zweifel daran ..."
Milborn: "Für die Tätigkeiten als Generalstaatsanwalt ..."
Rosenkranz: "... nach 1938 ..."
Milborn: "... als den Sie ihn da reinschreiben."
Rosenkranz: "Für seine Tätigkeit vor 1938 oder nach 1938?"
Milborn: "Nachher, aber er war nur nachher Generalstaatsanwalt. Sie schreiben Generalstaatsanwalt, das war er nur nachher ..."
Rosenkranz: "Machen Sie für mich bitte ein Zeit-Weg-Diagramm. Und mischen Sie das nicht."
Milborn: "Also, er ist 1930 beigetreten."
Rosenkranz: "Ja."
Milborn: "Deswegen ist er von den Nazis zum Generalstaatsanwalt gemacht worden."
Rosenkranz: "Ja, wird sein."
Milborn: "... als alter Kämpfer. Und als solchen haben Sie ihn in dieser Liste. Als Generalstaatsanwalt."
Rosenkranz: "Also, nur damit ich Ihre Gedankengänge verfolge: Er ist 1938 in eine Position gekommen, wo ich in dem Buch an sich die Tätigkeiten bis '38 beschrieben habe. Das müssen Sie einmal zusammenbringen."
Rosenkranz über Mirko Jelusich
Milborn: "Aufgrund der Vorgeschichte und was danach war, wundert mich das. Aber ich sehe: Sie stehen dazu. Okay. Ich nenne Ihnen noch einen. Sie haben drinnen Mirko Jelusich."
Rosenkranz: "Mirko Jelusich, ja."
Milborn: "... und den nennen Sie da als Redakteur der Deutsch-Österreichischen Tageszeitung."
Rosenkranz: "Ja."
Milborn: "Das war eine extrem antisemitische und nationalsozialistische Zeitung. Welche Leistung hat er gebracht?"
Rosenkranz: "Na, Mirko Jelusich hat, glaube ich, auch andere Tätigkeiten gehabt, außer, dass er nur Schriftsteller war. Nämlich Schriftsteller. Literat."
Milborn: "Sie nennen ihn als Redakteur der Deutsch-Österreichischen Tageszeitung."
Rosenkranz: "Ja, alle seine Funktionen."
Milborn: "Diese Tageszeitung hatte sogar 1933 den Untertitel 'Hauptblatt der nationalsozialistischen-deutschen Arbeiterpartei der Hitlerbewegung' ..."
Rosenkranz: "Wann war das?"
Milborn: "1933."
Rosenkranz: "Das ist sicherlich ein Fehler, das ist ein Fehler."
Milborn: "Auch die gesamte Biografie zeigt genau das. Ebenso wie bei Stich."
Rosenkranz: "Das war ein Fehler."
Milborn: "Warum nennen Sie solche Leute auf einer Liste von Leistungsträgern?"
Rosenkranz: "Weil ich das wahrscheinlich so von einer Quelle unreflektiert übernommen habe."
Milborn: "Ich könnte Ihnen noch sehr viele aufzählen. Einen sage ich Ihnen noch: Hans Giebisch. 1933 ..."
Rosenkranz: "Ja, Dichter ..."
Milborn: "... der NSDAP beigetreten, war beim Bund deutscher Schriftsteller in Österreich. Hat massiv auf den Anschluss hin gearbeitet. Und hat sich später auch nicht geändert, ist sehr hofiert worden von den Nationalsozialisten. Und ist auf Ihrer Liste. Was war seine Leistung für Österreich?"
Rosenkranz: "Also ich kenne ihn als Dichter, ich kenne ihn ausschließlich und eindeutig als Dichter. Ich kenne ihn als Freund. Er war auch im Waldviertel unterwegs und tätig. Und als Dichter."
Milborn: "Als Dichter war er auch bekannt. Er hat zum Beispiel einen Preis vom Verein Dichterstein Offenhausen bekommen, der später wegen Wiederbetätigung verboten worden ist."
Rosenkranz: "Das war nach 1945."
Milborn: "Also die nationalsozialistische Kontinuität zieht sich bis nach 1945 und trotzdem haben Sie ihn auf der Liste."
Rosenkranz: "Ja, 1930."
Milborn: "Und Sie haben das ja nicht 1945 geschrieben, sondern vor kurzer Zeit."
Rosenkranz: "Ja, wesentlich später. Natürlich, ja."
Milborn: "Und Sie haben die Liste ja bearbeitet. Sie haben Sie übernommen. Aber Sie haben die ärgsten Nationalsozialisten rausgestrichen, aber die haben Sie drin gelassen."
Rosenkranz: "Ja, dann ist es redaktionell anders. Aber ich habe die Zeit zwischen 1930 und 1938 an sich beleuchtet."
Milborn: "Ja, die haben wir jetzt auch besprochen. Es zieht sich in Ihrer ganzen Zeit ..."
Rosenkranz: "Frau Milborn, wenn Sie sagen, Sie bleiben bei 1930 bis 1938, dann hätten Sie aus journalistischer Sorgfältigkeit, haben Sie aber auf ein Mal den Dichterstein Offenhausen, den es erst nach 1945 gegeben hat, erwähnt. Das ist zulässig, das ist zulässig."
Milborn: "Weil Sie sagen, Sie kennen ihn als Dichter. Und man kennt ihn eigentlich nur deshalb als Dichter."
Rosenkranz: "Von 1930 bis 1938."
Milborn: "Man kennt ihn nur, wenn man in einschlägigen Kreisen unterwegs ist."
Rosenkranz: "Er hat auch Liedtexte ..."
Milborn: "... oder, weil er von einem Verein einen Preis bekommen hat, der wegen Wiederbetätigung später ..."
Rosenkranz: "Nein, die Frage des Preises habe ich mir nicht angeschaut."
Die Burschenschaft-Mitgliedschaft von Rosenkranz
Nach einer Viertelstunde geht Milborn zu Rosenkranz' Burschenschaft-Mitgliedschaft über. Die Libertas vergibt einen Preis für "herausragende Taten im Sinne des national-freiheitlichen Gedankens". Vergeben wurde der Preis an den "Bund freier Jugend". Das war, so erklärt Milborn, eine Organisation, die "ebenfalls wegen Wiederbetätigung verurteilt wurde". Das sei, unterbricht Rosenkranz, auch schon "öfter im ORF abgehandelt worden und im Fernsehen".
Milborn habe, so der FPÖ-Politiker weiter, kein Interesse, mehr zu den Inhalten seiner Kandidatur zu erfahren. Dass Mitglieder des BFJ verurteilt wurden, das wusste Rosenkranz nicht, wie er sagt. Auch nicht, dass gegen einzelne ermittelt wurde. Der Preis sei mit 500 Euro dotiert, Strafregisterauszüge würden nicht verlangt.
Milborn: "Sie haben sich nicht angeschaut, wofür Sie den Preis vergeben haben. Nämlich dafür, das steht in der Begründung: 'Der BFJ sieht sich für seine volkstreuen Aktivitäten stärkster staatlicher Repression ausgesetzt'."
Rosenkranz: "Und, soll es so was nicht geben?"
Milborn: "Die staatliche Verfolgung wegen Wiederbetätigung, die damit gemeint ..."
Rosenkranz: "Und, die wurden alle verurteilt?"
Milborn: "Ein Teil war verurteilt, also vorbestraft - und zwar zu dem Zeitpunkt, als Sie den Preis verliehen haben."
Rosenkranz: "Das ist der Vorwurf einer gerichtlich abgetanen Handlung. Und jetzt sprechen Sie davon, es gibt Verfahren. Also, ich kenne so viele Menschen in Österreich, die ein Gerichtsverfahren haben, nicht nur wegen Wiederbetätigung, sondern auch ganz andere haben. Und stellen Sie sich vor, da werden die Verfahren sogar eingestellt. Beziehungsweise gibt es Freisprüche. So etwas gibt es auch in Österreich. Und was Sie hier machen, ist eigentlich auch, mit manchen Personen, parteipolitisch oder sonst irgendwie nicht ins Konzept passen. Sie müssen erst mal sagen: Sind die, die diesen Preis entgegen genommen haben, sind die später oder deswegen in irgendeiner Form strafrechtlich verurteilt worden oder nicht?"
Milborn: "Der BFJ hat zum Beispiel den Untergang des Dritten Reiches beklagt. Er hat beklagt, dass Adolf Hitler seine Ehrenbürgerschaft in Haslach verloren hat."
Rosenkranz: "Das ist nicht unterstützenswert. Es waren konkret Flugblatt-Aktionen."
Ein Leibwächter aus dem Umfeld von Gottfried Küssel
Corinna Milborn sieht auch im Bundespräsidenten-Wahlkampf selbst diesbezüglich weiter "Kontinuität" gegeben. Milborn spricht von einem Leibwächter bei einer Parteiveranstaltung in Wels, der von der FPÖ von einer Fremdfirma angestellt worden sei. "Der Leibwächter stammt aus dem Umfeld von Gottfried Küssel", sagt Milborn. Dieser sei immer wieder bei Demonstrationen anwesend gewesen. "Jetzt wird es immer bunter", unterbricht Rosenkranz lachend.
Milborn: "Warum haben Sie so einen Leibwächter?"
Rosenkranz: "Sie haben es selbst vorgelesen, gerade. Ich mache mit Ihnen jetzt wirklich ein schweres, intellektuelles Experiment. Ein ganz schweres. Die FPÖ bestellt eine Firma, wir lassen uns vorlegen: Sind die Personen, die dort sind, sind die sicherheitspolizeilich überwacht worden, haben die alle Bewilligungen, haben die alle Genehmigungen? Und die Polizei findet nichts daran, dass der dort diese Tätigkeit ausübt."
Milborn: "Aber wieso wissen Journalisten, dass er aus dem Umfeld von Küssel kommt und Sie nicht? Nachdem, was Strache mit seinem Leibwächter erlebt hat, würde man denken, Sie schauen genauer, wen Sie anstellen für die Sicherheit."
Rosenkranz: "Das sind Dienste. Das ist kein persönlicher, der hier permanent dabei ist, der meine gefüllten Sporttaschen oder sonst was anschauen könnte, sondern das ist eine Firma. Und dann ist diese Person ein einziges Mal mit dabei gewesen. Und ja, es stimmt: Die FPÖ betreibt nicht Schnüffeleien in alle Richtungen und hat derart gute Archive, das sei Ihnen unbenommen. Aber diese Person? Ich kenne sie nicht näher. Die hat mich ein Mal nach Wels geführt. Wir haben kaum miteinander gesprochen. Und ich merke mir nicht alle Personen, die es gibt, weil ich nämlich nicht bei den Kundgebungen oder anderen Veranstaltungen vom Herrn Küssel dabei bin. Es bleibt dabei: Die Firma wurde ausgewählt, ich habe von der Firma nicht einmal gewusst, welche das sein wird. Die wurde von der Bundesgeschäftsstelle ausgesucht, es wurden dort die Genehmigungen und Bewilligungen ... Bescheinigungen, Waffenbesitzkarten ... die haben alles gehabt. Daher gibt es für mich keinen Grund, irgend jemanden von diesem Beruf auszuschließen."
Zudem, so Milborn, sei aufgefallen, dass ein Türsteher beim FPÖ-Parteitag in St. Pölten Mitglied der Identitären ist.
Dieser habe bei Demos Journalisten angepöbelt, vom Arbeiten abgehalten, sei nicht länger beim Bundesheer beschäftigt. Walter Rosenkranz kennt den Beschriebenen nicht, wie er auf Nachfrage sagt.
Milborn: "Passiert Ihnen das die ganze Zeit?"
Rosenkranz: "Ich weiß es nicht. Wenn ich nicht aufmerksame Journalisten hätte, die mir das im Nachhinein sagen. Mich interessiert das wirklich nicht."
Nach 20 Minuten spricht Milborn Rosenkranz auf vermeintlich gefälschte Corona-Zertifikate des FPÖ-Mandatars Christian Hafenecker an. "Es gilt die Unschuldsvermutung", sagt Rosenkranz. "Jetzt versuchen Sie, eine Erklärung von mir zu bekommen. Ich habe schlichtweg keine Erklärung." Er warte, bis die Gerichte entsprechend entscheiden.
Für Schlagzeilen sorgte auch Bundespräsidentschaftskandidat Heinrich Staudinger bei "Milborn Spezial".
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