Regierung will die Schulpflicht verlängern

APA13404098 - 26062013 - WIEN - ÖSTERREICH: BM Claudia Schmied (r.) am Mittwoch, 26. Juni 2013, anl. eines Besuches der Ganztagsvolksschule Neubau in Wien. APA-FOTO: HERBERT NEUBAUER
Bildungspflicht in Sicht: Wer schlecht lernt, könnte bald schon bis 18 in der Schule sitzen müssen.

Bisher ist die Sache klar: „Die allgemeine Schulpflicht dauert neun Schuljahre“, heißt es in Paragraf 3 des Schulpflichtgesetzes. Wer mit der Schule auf Kriegsfuß steht, kann mit 15 in die Freiheit ziehen – ungeachtet seines Könnens.

Doch nach der Wahl könnte dieses Gesetz umgeschrieben werden – und die Schulpflicht durch eine Bildungspflicht ersetzt werden: „Wir sind sehr interessiert, dass das nach der Wahl in einer großen Koalition umgesetzt wird“, sagt der Sprecher von SP-Bildungsministerin Claudia Schmied zum KURIER.

8000 Schulabbrecher

Die Anregung für das Ende der Schulpflicht und die Einführung einer Bildungspflicht stammt aus dem Integrationsbericht, der am Dienstag präsentiert wird. Der KURIER berichtete: Wer die Bildungsstandards nicht erreiche, solle eben weiter in der Schule bleiben – maximal bis zum 18. Lebensjahr. Aktuell würden 8000 Schüler pro Jahr die Schule ohne Abschluss abbrechen. Bei Migranten sei das vier Mal öfter der Fall als bei Nicht-Migranten.

Zustimmung für den Vorstoß kommt auch von der ÖVP: „Jeder Schulabgänger muss die Kulturtechniken Lesen, Schreiben und Rechnen ausreichend beherrschen“, sagt ÖVP-Generalsekretär Hannes Rauch. Er könne dem Vorschlag „durchaus etwas abgewinnen“, nun müsse man es sich im Detail anschauen.

Im Bildungsministerium verweist man auf Schulversuche im Herbst: Polytechnische Lehrgänge würden von einem auf zwei Jahre ausgeweitet, um den Schülern die Grundkompetenzen zu vermitteln. „Die Bildungspflicht ist eine der reichlich sprudelnden Ideen im Bildungsbereich.“ Mit Jugendcoaching oder dem Nachholen von Pflichtschul-Abschlüssen gebe es schon zahlreiche Bemühungen in die Richtung. „Wir sind gerne bereit für einen vernünftigen Dialog“, heißt es.

Opposition skeptisch

Auch die Ausweitung der Schulpflicht bis 18 für Lernschwache hält man im Bildungsministierum für „denkbar“: „Aber es will wohl geplant sein, z. B. wo die Ausbildung stattfinden soll.“

Kritischer ist die Opposition: „Wenn wir nicht in der Lage sind, nach neun Jahren zu garantieren, dass die Schüler Lesen und Schreiben können, ist es nicht sinnvoll, das um drei Jahre zu verlängern“, kritisiert Grünen-Bildungssprecher Harald Walser.

Auch als Integrationsinstrument für Quereinsteiger lässt Walser die Maßnahme nicht gelten: „Zwei Drittel der Kinder mit Sprachdefiziten sind Inländer.“ Er fordert mehr fachlich gut geschultes Personal für Schüler mit Lernschwächen. Stefan Markowitz vom Team Stronach spricht von einem „pädagogischen Schildbürgerstreich“: Man solle lieber die Lehrlingsausbildung attraktivieren.

Schüler Rund 1,2 Millionen Schüler gibt es in Österreich. 42.000 schließen jährlich mit Matura ab, 53.000 beenden nach der Schulpflicht ihre Bildungslauf- bahn nur mit Pflichtschul- abschluss. Im EU-Schnitt sind es aber doppelt so viele (in %).

Bildungsprobleme Im Dezember testete Österreich die Bildungsstandards in der 8. Schulstufe. In Mathematik erreichte jeder 6. die Bildungs- standards nicht. Beim Wiener Lesetest für die 4. und 8. Schulstufe im Mai landete jeder 5. bei den Risikoschülern.

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