Die Dreierkoalition hat die ersten 100 Tage überstanden

Doorstep after working discussion on General Government Budget
Allen Unkenrufen und den schwierigen Rahmenbedingungen zum Trotz ist die Dreierkoalition weitgehend unfallfrei durch die ersten Monate gekommen. Rückhalt bei den Wählern hat sie dennoch keinen großen.

Die Geschichte hätte Potenzial für einen ordentlichen Koalitionskrach gehabt, wie er in der Endphase von Türkis-Grün öfters an der Tagesordnung stand: Ohne sich mit den Koalitionspartnern abzustimmen, hatte sich Kanzler Christian Stocker (ÖVP) gemeinsam mit anderen EU-Regierungschefs in einem Brief für eine Veränderung der Spruchpraxis des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) im Migrationsbereich ausgesprochen. „Dabei war es gerade die ÖVP, die nach ihren Erfahrungen mit den Grünen ein koordiniertes Vorgehen der Regierung auf EU-Ebene im Regierungsprogramm verankert wissen wollte“, wie man in SPÖ-Kreisen ätzt.

Dennoch blieb die rote Empörung kurz und überschaubar. Man habe sich intern ausgesprochen, heißt es. Für die Neos ist die Causa ebenfalls bereits „erledigt“, wie der pinke Klubchef Yannick Shetty zuletzt betonte.

Bis zum 10. Juni sollte die heikle Angelegenheit somit so gut wie vergessen sein. An diesem Tag will die Dreierkoalition mit einem gemeinsamen Auftritt Bilanz über ihre ersten 100 Tage ziehen.

Dass man durchwegs positiv gestimmt dieses kleine Jubiläum feiern kann, ist keine Selbstverständlichkeit. Nachdem die Bildung einer Dreierkoalition im ersten Versuch Anfang des Jahres so kläglich gescheitert war, gab es viele, die diesem für Österreich neuartigen Experiment nur geringe Chancen einräumten, als am 3. März dann doch noch eine türkis-rot-pinke Regierung angelobt wurde: Zu groß seien die inhaltlichen Gegensätze zwischen den drei Partnern, zu groß auch die Herausforderungen, mit denen die Koalition konfrontiert ist.

Doch allen Unkenrufen zum Trotz sind die ersten Monate der neuen Regierung weitgehend unfallfrei vorübergegangen. Und das, obwohl mit der Sanierung des Budgets (allein heuer müssen 6,4 Milliarden Euro eingespart werden) gleich zu Beginn eine denkbar undankbare Aufgabe auf das Parteien-Trio wartete – die aber überraschend friktionsfrei gelöst wurde.

„Leben und leben lassen“

Noch scheint das Prinzip des „Leben und leben lassen“ zu funktionieren, das sich die Koalition an ihre Fahnen geheftet hat. Sprich: Jede Partei kann Projekte für ihre jeweilige Klientel umsetzen, selbst wenn diese nur schwer mit den Grundsätzen der Regierungspartner vereinbar sind.

So geschehen etwa bei den jüngst beschlossenen Einschnitten im Pensionssystem – etwa die Verschärfungen bei der Korridorpension –, die auch von der SPÖ mitgetragen wurden. Lediglich die öffentliche Präsentation überließ die rote Sozialministerin Korinna Schumann dann doch lieber allein den Vertretern von ÖVP und Neos.

Im Gegenzug durfte die SPÖ die Mietpreisbremse und die Bankenabgabe umsetzen.

Auf personeller Ebene überrascht hat bis dato vor allem Finanzminister Markus Marterbauer (SPÖ). Bei seiner Nominierung eilte dem Ökonomen noch der Ruf eines linken Ideologen voraus, im Amt erwies er sich jedoch rasch als besonnener und pragmatischer Budgetsanierer, was ihm Anerkennung über die Parteigrenzen hinweg einbrachte. Auch ein Erfolg für Parteichef Andreas Babler, der als Erfinder Marterbauers gilt.

Besonnenheit und Pragmatismus sind wohl auch passende Eigenschaftswörter für Christian Stocker, der nach dem Scheitern gleich zweier Regierungsverhandlungen zu Jahresbeginn völlig überraschend zum Partei- und Regierungschef aufgestiegen war. Vor allem in SPÖ-Kreisen gibt man sich über Stockers ruhige Art positiv überrascht, nachdem er als ÖVP-Generalsekretär oft sehr ruppig aufgetreten war.

Etwas schwerer tun sich noch die Neos, die zum ersten Mal in einer Bundesregierung sitzen. Es ist vor allem Staatssekretär Sepp Schellhorn, auf den sich nach einem umstrittenen Dienstwagen-Upgrade der Boulevard eingeschossen hat.

Magere Umfragewerte

Die Gunst der Wählerschaft hat die Koalition trotz innerer Harmonie aber noch nicht gewonnen. ÖVP und SPÖ dümpeln laut jüngster KURIER-OGM-Umfrage knapp über der 20-Prozent-Marke und weit hinter der FPÖ dahin, nur die Neos dürften von ihrem Regierungseintritt bis dato leicht profitiert haben.

Ein etwas dürftiges Zeugnis, das bis dato in den Zentralen der Regierungsparteien allerdings eher gelassen aufgenommen wird. Es sei klar, dass das jüngst beschlossene Sparpaket nicht nur positiv rezipiert werde, heißt es in Regierungskreisen – wo das Prinzip Hoffnung vorherrscht: Wenn erst einmal die beschlossenen positiven Maßnahmen greifen, werde das auch in den Umfragen seinen Niederschlag finden.

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