Marterbauer zu Doppelbudget: "Wir sanieren nicht aus Jux und Tollerei"

SPÖ-Finanzminister Markus Marterbauer hat am Dienstag im Nationalrat das neue Budget für 2025 und 2026 vorgelegt. Vorab: Würde die Bundesregierung heuer nicht 6,4 und kommendes Jahr (2026) 8,7 Milliarden Euro einsparen, würden Österreichs Schulden eklatant steigen. Doch auch so ist der Ausblick alles andere als rosig.
Marterbauer hätte gerne ein Budget mit umfangreichen Investitionen präsentiert, wie er eingangs sagt - um gleich vom Konjunktiv gleichsam in den Imperativ, jedenfalls ans Eingemachte zu gehen. "Wir sanieren nicht aus Jux und Tollerei", sagt der Finanzminister. Die Situation Österreichs sei "besorgniserregend", aber kein Grund, "in Alarmstimmung zu verfallen".
Österreich habe sich in den letzten Jahren im Vergleich zu anderen EU-Ländern schlecht geschlagen. Die Bundesregierung stehe vor einer schwierigen Ausgangslage.
• die Staatskassen hätten nur minimale finanziellen Spielräume,
• die Wirtschaftslage sei schlecht,
• die Stimmung trüber und
• die Herausforderungen bei den Themen Bildung und Qualifizierung, Standort und soziale Sicherheit, Ungleichheit und Arbeitsmarkt, Demographie und Gesundheit, bei den Energiesystemen und in Sachen Klima immens.
Das Budgetdefizit, also Österreichs Neuverschuldung in Relation zur Wirtschaftsleistung (BIP), liegt heuer laut Finanzministerium (BMF) bei 4,5 Prozent – im Vorjahr waren es 4,7. Durch die Sparmaßnahmen soll dieser Wert bis 2028 kontinuierlich sinken, auf drei Prozent. Heißt: Ab dann würde Österreich auch die EU-Maastricht-Kriterien wieder erfüllen.
Ohne Sparpaket würden Schulden explodieren
Die Schuldenquote, also die Staatsverschuldung im Vergleich zum BIP, wächst dennoch von derzeit 84,7 auf bis zu 87 Prozent an. Das liegt erstens daran, dass die Wirtschaftsforscher auch in den kommenden Jahren nur mit minimalem Wirtschaftswachstum rechnen.
Zweitens gehen höhere Schulden auch mit höheren Zinsausgaben einher – diese wachsen von 2024 bis 2029 um fast ein Prozent des BIP, also um bis zu fünf Milliarden Euro.
Und ohne Sparpaket? Hätte Österreich ganz andere Problem: Das Defizit läge heuer bei schwindelerregenden 5,8 Prozent und würde auch in den kommenden Jahren in dieser Region verharren. Die Schuldenquote würde sich bis 2030 kontinuierlich der 100-Prozent-Marke nähern, Österreich schrittweise zu den am höchsten verschuldeten Ländern Europas aufschließen.
Markus Marterbauer stellt sich selbst in seiner Rede die Frage, die ihm selbst oft gestellt wird. "Ist jetzt der richtige Zeitpunkt für die Budgetkonsolidierung? Schließlich stagniert die Wirtschaft und die Arbeitslosigkeit steigt merklich. Diese Frage ist völlig berechtigt. Und ja, es ist aktuell kein günstiger Zeitpunkt für Ausgabenkürzungen und Steuererhöhungen."
"Sparen ist nicht leicht, aber mit gutem Willen machbar. Österreich kann, wenn es will."
Das Budget soll, so der Finanzminister in seiner Rede, Transparenz aufweisen, um für Glaubwürdigkeit und Nachvollziehbarkeit zu sorgen. Es solle für gerechte Verteilung sorgen und der Bevölkerung Klarheit über die Ziele des Sparens offenlegen. Das Um und Auf sei allerdings das Wiederanspringen der Konjunktur, insbesondere des privaten Konsums. Die Konsumnachfrage bilde mit 262 Milliarden Euro einen der wichtigsten Nachfragebestandteile. "Doch trotz jüngst wieder steigender verfügbarer Realeinkommen wächst die Konsumnachfrage kaum. Teuerung und Arbeitslosigkeit bremsen sie. Viele Menschen fürchten um ihren Wohlstand und den ihrer Kinder. Unsicherheit und Angstsparen sind individuell nachvollziehbar, aber gesamtwirtschaftlich gefährlich. Wir wollen diese Verunsicherung abbauen. Wir wollen Ängste nehmen und Sicherheit geben."
Ehe der Ökonom und Finanzminister auf die Einsparungen zu sprechen kommt, die alle treffen werden, nennt er taxativ die wichtigsten Maßnahmen:
- Banken: Sie hätten in den letzten Jahren Rekordgewinne verzeichnet - würden nun 350 Millionen Euro mittels Stabilitätspakt maßgeblichen Beitrag leisten
- Immobilientransaktionen: Sollen deutlich höher besteuert werden
- Spitzensteuersatz für Jahreseinkommen über eine Million Euro: Regelung wird verlängert, Aussetzen des letzten Drittels der Kalten Progression wird bugdet-wirksam
Das Sparpaket im schnellen Überblick
Die Punkte des Sparpakets sind weitestgehend bekannt. Laut Marterbauer sind zwei Drittel der Einsparungen ausgaben- und ein Drittel einnahmenseitig. Diese Rechnung geht nur dann auf, wenn man den zwei Milliarden schweren Klimabonus, der gestrichen wird, als Ausgabe verbucht. Ein Streitfall, denn dieser sollte bekanntlich die CO₂-Steuer abfedern, was nun nicht mehr geschieht. Und abseits davon?
- Steuerliche Sanierungsmaßnahmen bringen heuer (2025) 1,04 und 2026 dann 2,2 Milliarden Euro. Der größte Brocken, mit insgesamt 550 Millionen pro Jahr: die Krisenbeiträge der Energiekonzerne und Banken. Die Abschaffung der kalten Progression wird teilweise zurückgenommen, was ab 2026 rund 440 Millionen bringen soll. Mehr als 500 Millionen kommen in Summe durch die höhere Abgabe auf Glücksspiel und Tabakprodukte hinzu. Die Umwidmungssteuer steigt um 30 Prozent.
- Im Bereich der Förderungen erwartet sich Türkis-Rot-Pink heuer Einsparungen von 1,3 Milliarden, 2026 dann 1,84 Milliarden. Der größte Brocken sind hier die Umweltförderungen, die heuer um 557, 2026 dann sogar um 820 Millionen sinken sollen. Zudem setzt die Regierung eine Förder-Taskforce ein. Sie hat die Aufgabe, 2026 zusätzlich 150 Millionen im System zu finden. Abgeschafft wird das Gratis-Klimaticket für 18-Jährige.
- Am Arbeitsmarkt und im Pensionsbereich will die Regierung heuer 240 Millionen einsparen – und zwar durch eine Neu-Ausrichtung der Bildungskarenz. 2026 soll die neue Form der Bildungskarenz rund 650 Millionen einsparen. Weitere 633 Millionen erwartet sich die Regierung durch ihre Pensionsreform, 110 Millionen durch die Einschränkung des geringfügigen Zuverdienstes in der Arbeitslosigkeit.
- Verwaltung: 1,1 bzw. 1,3 Milliarden spart die Regierung 2025 und 2026 bei sich, also in der "Verwaltung". Etwa durch die Verschiebung von Projekten, die Reduktion von Dienstreisen oder Druckkosten, aber auch beim Personal. Der Finanzminister wird nicht müde zu betonen, dass es jedes Ressort getroffen hat. Am meisten Geld wurde heuer mit 178,8 Millionen im Bereich der Mobilität gefunden, die Wirtschaft folgt mit 150 Millionen, das Innenministerium mit 85. Und, kurze Randnotiz: Das Budget wurde heuer nicht mehr 300 Mal ausgedruckt. Der 3,5 Tonnen schwere Budgetziegel soll in den vergangenen Jahren bis zu 100.000 Euro gekostet haben.
- Die Sozialversicherung soll künftig wieder ein leichtes Plus erwirtschaften. Die Krankenversicherungsbeiträge der Pensionisten von 5,1 auf 6 Prozent. Bisher noch nicht bekannt: Die E-Card-Gebühr steigt nächstes Jahr von aktuell 13,80 auf 25 Euro.
"Die Strukturreformen im Pensionssystem bringen mittelfristig Einsparungen von 1,9 Mrd. Euro pro Jahr. Sie sind notwendig. Das sind wir allen 26 Generationen schuldig. Den Älteren, den derzeit beschäftigten Beitragszahlerinnen und ganz besonders den Jungen."
über Änderungen im Pensionssystem
Förderungen von Kunst und Kultur, Sport wie Entwicklungszusammenarbeit werden ebenso gekürzt wie Subventionen bei klimafreundlichen Technologien, so der SPÖ-Minister zur Mitte seiner Rede. Weniger Förderungen, mehr verbindliche Rahmenbedingungen seien das Ziel, so Marterbauer, wissend, dass es sich dabei um ein "budgetäres Paradoxon" handelt. "Abstrakt werden sie gerne als Paradebeispiel für Verschwendung verwendet, oft geschmäht als 'überflüssig'. Aber wenn man dann an die einzelne Förderung geht, eine
bestimmte Ausgabe verringern will – dann merkt man, es trifft doch Bereiche, wo es weh tut, und Widerstand auslöst."
Dann kommt Marterbauer auf die Bereiche zu sprechen, die bereits im Vorfeld der Budgetrede für lautstarke Kritik sorgten: Pensionen, Gesundheit und Bildung.
- Die geplante Anhebung des faktischen Pensionsantrittsalters sei für die Sicherung der Finanzierbarkeit der Pensionen unabdingbar.
- Das Gesundheitssystem müsse dem Gemeinwohl dienen. "Wir frieren die Rezeptgebühr ein und erweitern den Rezeptgebührendeckel"
- Die Ausbildungsqualität soll steigen - vom Kindergarten- bis zum Hochschulalter. Für das 2. verpflichtende Kindergartenjahr stünden u.a. 80 Millionen Euro zur Verfügung.
Nachdem Marterbauer auf die Digitalisierung und Deregulierug und nach einer Stunde zum Ende seiner Rede kommt, spricht er die Verteidigungsausgaben an, die im Gegensatz zu anderen Mitteln, steigen werden. Es können keinen "Rückzug nach Krähwinkel" geben. "Im Rahmen des Aufbauplans des Bundesheeres streben wir das Ziel von Verteidigungsausgaben in Höhe von 2% des BIP bis 2032 an. Dabei ist sowohl auf die militärischen Erfordernisse als auch auf die budgetären Rahmenbedingungen Bedacht zu nehmen."
Aus- und aufgebaut werden soll Österreichs selbstständige Energieversorgung, denn "kostengünstiger Strom ist eine der zentralen Voraussetzungen für das Gelingen der sozial-ökologischen Transformation und der Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts".
Spart die Regierung in Wahrheit noch mehr?
Übrigens geht Marterbauer davon aus, bereits heuer und auch in den kommenden Jahren noch mehr "einsparen" zu können. Und zwar über Offensivmaßnahmen, die Wirtschaft und Konsum ankurbeln sollen. Das gesamte Sparvolumen liegt 2026 demnach bei 7 und 2026 bei 10,3 Milliarden. Dazu zählen der Pendlereuro, ein Kostendeckel für Rezeptgebühren oder das zweite Kindergartenjahr. Diese und weitere "gezielte Investitionen" kosten heuer 613 Millionen und 2026 dann 1,56 Milliarden Euro.

Das ändert übrigens nichts daran, dass sich die Regierung weitere Konsolidierungsmaßnahmen überlegen muss. Eine Taskforce soll mit Bundesländern und Gemeinden bis zum Herbst Möglichkeiten ausloten. Kanzler Christian Stocker (ÖVP) schließt zudem nicht aus, die für 2026 bereits beschlossene Erhöhung der Beamtengehälter noch einmal nachzuverhandeln. Klar ist: Marterbauer betonte zuletzt mehrmals, vor 2027 keine zusätzlichen, größeren Einsparungen mehr vornehmen zu wollen.
"Angesichts des hohen gesamtstaatlichen Budgetdefizits im Jahr 2024 und der schlechten budgetären Ausgangslage für 2025 müssen wir damit rechnen, dass die EU, konkret der Rat für Wirtschaft und Finanzen, nach 2010 neuerlich ein Defizitverfahren gegen Österreich eröffnet. Ich habe überhaupt keine Angst vor diesem Verfahren."
über EU-Defizitverfahren
In den letzten Minuten kommt Markus Marterbauer auf die "langfristigen budgetären Herausforderungen". Die Ausgaben für Pflege und Gesundheit bis 2070 werden aus demografischen Gründen enorm steigen. Laut Fiskalrat beträgt der Anstieg 6,2 Prozent des BIP. "Wir haben zu viele Menschen in teuren stationären Einrichtungen und kümmern uns zu wenig um Vorsorge und rechtzeitige niederschwellige Behandlung. Wir stimmen uns schlecht zwischen den Gebietskörperschaften ab. Wir orientieren uns zu wenig an den internationalen Vorbildern. Diese Probleme müssen wir noch in dieser Legislaturperiode angehen, auch wenn sich die Erfolge erst in der längeren Frist bezahlt machen."
"Vernünftiger und belastbarer Plan für Wirtschafts- und Sozialpolitik"
Gen halb zwölf endet Markus Marterbauer seine erste Budgetrede, indem er die anwesenden Regierungsmitglieder wie das Auditorium um Zusammenarbeit bittet. "Es wird ein gemeinsamer Kraftakt, das im Budget Geplante auch umzusetzen."
Die gute Nachricht sei, dass die "Budgetsanierungen im Ausmaß der vor uns liegenden Herausforderungen auch in der Vergangenheit gelungen sind. Etwa nach der schweren, von Banken und Finanzmärkten ausgelösten Wirtschafts- und Budgetkrise 2009." Österreich komme wieder auf Kurs, man könne mit "gutem Grund zuversichtlich in die Zukunft blicken".
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