Regierung kommt Lehrer-Gewerkschaft entgegen

Regierung kommt Lehrer-Gewerkschaft entgegen
Doch die Zugeständnisse reichen Lehrersprecher Kimberger noch nicht.

Paul Kimbergers Einsatz scheint sich gelohnt zu haben: Wie der KURIER schon berichtet hat, wird es im Parlament doch noch einige Änderungen beim umstrittenen Lehrerdienstrecht geben. SPÖ und ÖVP haben vor dem Verfassungsausschuss am Donnerstag, in dem es ein Experten-Hearing zum Gesetz geben wird, nachjustiert.

Die wichtigen Punkte: Oberstufenlehrer, die nur Schularbeitsfächer – etwa Mathematik, Deutsch oder Fremdsprachen – unterrichten, sollen nicht zur höheren Unterrichtszeit von 22 Stunden verpflichtet werden. Sie hätten durch die Korrektur 20 Stunden pro Woche. Die Fächerzulage für diese Gegenstände würde aber im Gegenzug von 36 auf 30 Euro pro Stunde sinken.

Pädagogen, die Fächer lehren, für die sie keine Qualifikation haben, sollen dafür nicht längere Zeit herangezogen werden. Nach einem Semester oder spätestens einem Jahr muss der betroffene Lehrer zustimmen.

Das Ausbildungsniveau betreffend, sollen ab 2029 nur noch Pädagogen mit Master-Abschluss unterrichten. Bis dahin werden auch Bachelors eingesetzt, wenn sie sich verpflichten, innerhalb von fünf Jahren den Master nachzuholen.

Druck

Gewerkschafter Kimberger spricht von einem Schritt in die richtige Richtung, er bleibt aber bei seinem Urteil: „Das wird nicht reichen, um den Entwurf zu einem modernen und attraktiven Dienstrecht zu machen.“

Der Druck der Gewerkschaft habe sich jedenfalls gelohnt. „Wir haben wesentliche Änderungen erreicht“, sagt er zum KURIER. Über den von den AHS-Gewerkschaftern in den Raum gestellten vorweihnachtlichen Streik, will Kimberger derzeit nicht reden. „Jetzt warten wir den Verfassungsausschuss ab. Dann werden wir die Situation neu bewerten.“ Klar sei aber auch: „Die Gewerkschaft kann ihren Druck auch noch erhöhen.“

Es brodelt an den Gymnasien. Aber bei weitem nicht genug, befindet Junglehrer Matthias Konzett. Der 26-jährige Wiener unterrichtet seit einem Jahr an einer AHS im achten Bezirk. Bei den Kampfmaßnahmen der Gewerkschaft am 5. Dezember (siehe unten) ist er dabei. Das neue Dienstrecht ist für ihn ein Irrsinn und bestrafe das Engagement der Jungen.

Dabei sollen gerade die Junglehrer am meisten vom neuen Dienstrecht profitieren. Ein höheres Einstiegsgehalt und mehr Zeit mit den Schülern sieht das Modell vor. Wer die Wahl hat, wird sich für das neue Dienstrecht entscheiden, ist Beamtenministerin Gabriele Heinisch-Hosek überzeugt. Genau das Gegenteil ist der Fall, wenn man den Junglehrern glaubt.

80 Wochenstunden Arbeitszeit

Vor allem diese wird es nämlich treffen, sagt Mathematik- und Geschichtslehrer Konzett. Schon jetzt sei der Einstieg in den Beruf alles andere als leicht. Obwohl noch im Praktikumsjahr, ist der Jungpädagoge bereits Klassenvorstand, das ist dem stetigen Lehrermangel in Wien geschuldet. Er hat jetzt wie viele andere Junglehrer auch zwei Verträge: einen als Unterrichtspraktikant, einen zweiten als Sondervertragslehrer. So kommt Konzett statt der für Anfänger vorgesehenen sieben Unterrichtsstunden bereits auf 14 Stunden in der Klasse. Da er dreimal mehr Vorbereitungszeit als ein erfahrener Lehrer braucht („damit ja nichts passiert“) und noch Lehrveranstaltungen besucht, kommt er auf über 50 Stunden Arbeitszeit in der Woche - bei etwa 1500 Euro netto. „Diesen Beruf macht man nicht fürs Geld“, konstatiert Konzett mit ernstem Gesichtsausdruck.

Regierung kommt Lehrer-Gewerkschaft entgegen
Matthias Konzett, Junglehrer

Durch das neue Dienstrecht wird das Praktikumsjahr abgeschafft, der Nachwuchs soll in Zukunft von Anfang an 24 Stunden unterrichten. Hinzukommen in der Einführungsphase Kurse an der Pädagogischen Hochschule, bei den Bachelor-Absolventen ein berufsbegleitendes Masterstudium. „Das wird kein Nachwuchslehrer schaffen“, ist Konzett überzeugt. „Viele werden am Anfang auf Teilzeit umsatteln, weil sie nicht zuletzt durch die längere Vorbereitungszeit und die verpflichtenden Lehrveranstaltungen sonst auf 80 Stunden in der Woche kommen.“

„Schon im ersten Jahr Burn-out-gefährdet“

Das sieht auch Karin R. so, die an einer katholischen Privatschule im 21. Bezirk unterrichtet: „Wie ein kompletter Anfänger das schaffen soll, kann ich mir nicht vorstellen. Ich bin froh, dass das auf mich nicht mehr zutrifft. Sonst wäre ich schon im ersten Jahr Burn-out-gefährdet.“

Die junge Deutsch- und Spanischlehrerin will wie Konzett an den Protestmaßnahmen teilnehmen. Lehrerin ist sie geworden, weil ihr das Arbeiten mit jungen Menschen Spaß macht. Jetzt überlegt sie, ihre Laufbahn abzubrechen: „Keiner zwingt mich, den Beruf auszuüben. Ich werde es auch nicht machen, wenn sich die Situation dermaßen verschlechtert.“ Mehr Geld ist da kein Anreiz: „Ich würde zwar mit einem höheren Gehalt einsteigen, dieses verflacht aber und im Endeffekt ergibt es weniger als bisher.“

Das bestätigt Benedikt Lernhart von der Initiative für ein faires Lehrerdienstrecht, die auch zu Demonstrationen aufgerufen hat: „Das Anfangsgehalt ist, mit manchen Fächerkombinationen, in den ersten Dienstjahren besser. Aber: die Lebensverdienstsumme ist insgesamt schlechter.“

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Modell „ist schulfremd“

Mehr Geld, mehr Stunden. Nur mit Zahlen lässt sich das neue Dienstrecht aber nicht beschreiben. Die Mehrstunden seien auch nicht das größte Problem, sagt Pädagoge Konzett. Mit der Reform können Lehrer Fächer unterrichten, die sie gar nicht studiert haben. Kann ein Matura-Abschluss künftig tatsächlich reichen, Mathematik zu unterrichten? Obwohl man eigentlich Spanisch studiert hat? Matthias Konzett schüttelt den Kopf. Ärgerlich sei das Modell, „von Menschen entworfen, die schulfremd sind“, lautet sein Urteil.

Pflichtschullehrer befürworten Reform

Das neue Dienstrecht hat aber auch Befürworter- vor allem unter den Pflichtschullehrern. Diese werden durch die Reform aufgewertet – auch die Unterrichtszeit ändert sich kaum. So entscheidet sich die Lehramtsstudentin Nora Wastl klar für das neue Modell: „Gerade am Anfang kann ich etwas mehr Geld gut gebrauchen.“ Das Vorgehen der Gewerkschaft findet sie übertrieben, die Aufregung unverständlich. Auch die geplanten Protestmaßnahmen der Pflichtschullehrer sind deutlich weniger scharf: Statt Unterrichtsentfall wie an der AHS werden seit Mittwoch Unterschriften gesammelt.

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APA14425998 - 02092013 - WIEN - ÖSTERREICH: Junglehrer und Lehramtsstudenten am Montag, 02. September 2013, anl. einer Demonstration gegen die geplante Reform des Lehrerdienstrechtes in Wien. APA-FOTO: HERBERT NEUBAUER

Doch keine Wahlmöglichkeit?

An den Gymnasien hingegen seien die Befürworter an einer Hand abzuzählen, sagt Konzett: „Ich habe noch keinen AHS-Lehrer das neue Dienstrecht verteidigen hören.“ Dennoch würden die meisten nicht laut genug protestieren, viele sich nicht betroffen fühlen. Dabei soll die Entscheidungsfreiheit bis 2019 nicht ganz so sein, wie die Regierung sie formuliert hat. Schließlich arbeiten die meisten Junglehrer mit Zeitverträgen. Wer vor Fristablauf keinen unbefristeten Vertrag erhält, wird 2019 wohl automatisch nach neuem Dienstrecht angestellt werden. Viele Junglehrer können sich also keineswegs aussuchen, welches Dienstrecht sie bevorzugen.

Auch die Hierarchie zwischen jungen und älteren Lehrern könnte sich verstärken, befürchtet Konzett: „Das Klima im Konferenzzimmer wird nicht angenehmer, wenn manche mehr arbeiten müssen als andere.“

Den Lehrberuf aufzugeben kommt für ihn aber nicht in Frage: „Ich bin Lehrer. Aus vollem Herzen.“ Da kann es noch so sehr brodeln.

An AHS- und BMHS-Schulen sind am Donnerstag zwei Stunden Unterricht entfallen. In so genannten Dienststellen-Versammlungen wollen die Betriebsräte ihre Kollegen über die von der Regierung geplanten Änderungen im Lehrerdienstrecht informieren. Je nach Schulstandort finden die Veranstaltungen entweder in der Früh oder am Ende des Schultages statt; die Betreuung der Schüler bleibt gewährleistet. Wie etwa die protestierende „Initiative für ein faires Lehrerdienstrecht“ wollen die Lehrer-Gewerkschafter insbesondere die Eltern für ihre Anliegen gewinnen. Das Problem aus Sicht der AHS-Lehrer: Werden, wie im Dienstrecht vorgesehen, Lehrer verpflichtet, mehr in einer Klasse zu stehen, braucht das System insgesamt weniger Lehrer – und das schade der Qualität der Schulen.

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