"Uninspiriert": Gesundheitsprogramm von Türkis-Rot-Pink erntet scharfe Kritik

ANGELOBUNG DER NEUEN BUNDESREGIERUNG: STOCKER / BABLER / MEINL-REISINGER
Zuletzt betonten die Parteichefs von ÖVP, SPÖ und Neos noch die Wichtigkeit von Gesundheit und Pflege, im Koalitionspakt finden sich aber wenig Konkretes.

Politik-Interessierte mit Langzeitgedächtnis erinnern sich vielleicht noch: Als im Herbst die Sondierungsgespräche zur Regierungsbildung liefen, nannte der damalige ÖVP-Chef Karl Nehammer Gesundheit und Pflege als eines der Kernthemen der künftigen Koalition. Ähnlich auch SPÖ-Chef Andreas Babler.

Im nunmehrigen Regierungsprogramm von ÖVP, SPÖ und Neos spiegelt sich dies allerdings nicht ansatzweise wider. Gerade einmal sieben der 211 Seiten sind dem Thema gewidmet, das laut Umfragen zu den größten Anliegen der Bevölkerung gehört. Im Vergleich zu anderen Kapiteln bleiben die Vorhaben vage, anstelle detaillierter Projekte sind im Wesentlichen bloß Überschriften zu lesen: Wartezeiten verkürzen, den niedergelassenen Bereich ausbauen, Prävention und Gesundheitskompetenz weiterentwickeln.

Von einem „völlig uninspirierten Programm“, spricht denn auch der Wiener Gesundheitsökonom Ernest Pichlbauer gegenüber dem KURIER. „Ich glaube nicht, dass die Verhandler viel miteinander diskutiert haben. Das Kapitel wirkt so, als ob einfach die Überschriften aus den Wahlprogrammen der drei Parteien zusammenkopiert wurden, wohl deshalb kommen einzelne Punkte mehrfach vor.“

Wenig Neues

Viele davon seien zudem Versatzstücke, die seit Jahren, wenn nicht sogar Jahrzehnten in den gesundheitspolitischen Debatten immer wieder auftauchen würden. Als Beispiel nennt Pichlbauer die geplante Verbesserung der Schnittstelle zwischen Langzeitpflege und stationärer Versorgung. „Schon die damalige ÖVP-Gesundheitsministerin Maria Rauch-Kallat (2003–2007; Anm.) sprach davon, dass diese Schnittstelle eine Nahtstelle werden soll.“ Passiert sei das bis heute nicht.

Kein gutes Haar lässt der Experte auch an der Organisation der Gesundheitspolitik innerhalb der neuen Regierung: „Immer wieder wurde gefordert, dass Gesundheit und Pflege aufgrund der Größe der Aufgaben vom Sozialressort getrennt werden und ein eigenes Ministerium bekommen.“ Stattdessen packe man diese Agenden nun in ein Staatssekretariat innerhalb des neuen Riesenministeriums Arbeit und Soziales.

Eine Konstruktion, die an die frühen 2000er-Jahre erinnert, als Sozialminister Herbert Haupt mit Reinhart Waneck (beide FPÖ) ein Gesundheitsstaatssekretär zugeordnet war. „Das hat immerhin insofern funktioniert, dass die beiden als Freiheitliche ohne Rücksicht auf Gewerkschaften und Kammern agieren konnten“, sagt Pichlbauer.

Arbeitnehmer stärken

Von der neuen Sozialministerin, ÖGB-Vizepräsidentin Korinna Schumann, sei dies aus naheliegenden Gründen nicht zu erwarten, so der Experte. Er rechnet damit, dass es vor allem darum gehen wird, den Einfluss der Arbeitnehmer in der Sozialversicherung zulasten der Arbeitgeber zu stärken. „Es wird zudem wohl mehr Geld in die Krankenkassen fließen, echte Reformen wird es wohl eher nicht geben.“

Staatssekretärin wird Ulrike Königsberger-Ludwig (SPÖ), die in NÖ Gesundheitslandesrätin war. Allerdings mit überschaubaren Zuständigkeiten: Der größte gesundheitspolitische Brocken, die Landeskliniken, gehören dort zum Finanzressort.

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