Koalitionsverhandlungen: Kanzler sagt Israel-Reise ab

Wird das noch? Heute, Freitag, verhandeln Kern und Mitterlehner weiter über den Fortbestand der Koalition
Bei den Regierungsgesprächen steht es Spitz auf Knopf.

Auf einen Blick:

  • Bundeskanzler Christian Kern sagt die Israel-Reise ab, um am Wochenende verhandeln zu können
  • Leichtfried: "Es wird schon noch ein bisserl dauern"
  • An der Asyl-Obergrenze werden die Gespräche laut KURIER-Informationen nicht scheitern
  • Die Sozialpartner sagten der Regierung ihre Unterstützung der Reformen zu
  • Aus den Ländern kommen Störgeräusche

Die Krise der Koalition ist ernst, wohl weit ernster, als bis zuletzt angenommen: Mitten in den laufenden Verhandlungen mit der ÖVP wurde im Team von SPÖ-Bundeskanzler Christian Kern heute Nachmittag entschieden, dass die ab Sonntag geplante Israel-Reise des Regierungschefs jedenfalls storniert werden soll - die Verhandlungen mit der ÖVP sind zu wichtig und werden offenkundig das gesamte Wochenende dauern. Die Symbolwirkung der Absage ist nicht zu unterschätzen: Kern verzichtet auf Termine mit Premier Benjamin Netanjahu und anderen hochrangigen Vertretern. Dem Vernehmen nach ist die Lage in der Regierung aber zu ernst, um in den Nahen Osten zu fliegen.

Schon in der Nacht auf Freitag hatte der SPÖ-Chef signalisiert, dass die Koalitionspartner noch lange nicht am Ziel sind. "Es ist einiges offen", hatte Kern gesagt. Konkret stehen heute die Themen "Bildung", "Staat/Gesellschaft" und "Innovation/Technologie" auf der Agenda. Und insbesondere bei der Bildung wird es darum gehen, ob und wie die Regierung die Pläne bzw. Wünsche der Sozialpartner umsetzt. Wie berichtet haben Wirtschaftskammerboss Christoph Leitl und ÖGB-Chef Erich Foglar Donnerstagabend an den Verhandlungen teilgenommen und den Regierungschefs informell zugesagt, sie bei den Reformen zu unterstützen - eine Neuwahl sei keine Option, hieß es insbesondere in den Reihen der Gewerkschaft.

Sozialpartner helfen

Deshalb sollten die beiden Sozialpartner bis zum Sommer Vorschläge erarbeiten, wie man den von der SPÖ gewünschten Mindestlohn von 1500 Euro bzw. die von der Volkspartei favorisierte Flexibilisierung der Arbeitszeit erreichen kann. Im Gegenzug für dieses Entgegenkommen erwarten sich Leitl und Foglar, dass die Regierung bei der Bildung und auch der Integration Teile ihrer längst vorgelegten Grundlagenpapiere umsetzt. Die Bildung steht wie gesagt heute im Kanzleramt auf dem Programm. Ob Kern und Mitterlehner die Wünsche der Sozialpartner umsetzen war freilich nicht absehbar.

Eine mögliche Sollbruchstelle, nämlich die gesamte Sicherheitsthematik, scheint derweil entschärft: Wie dem KURIER aus beiden Verhandlungsteams bestätigt wurde, wird die Regierung an der Frage der Obergrenze bei Asylanträgen und Ähnlichem aller Voraussicht nach nicht scheitern. SPÖ-Klubchef Andreas Schieder, der Teil des engsten Verhandlungsteams ist, hat sich am Rande der Gespräche betont gelassen gegeben. Man müsse sich daran gewöhnen, dass es „bei einem Verhandlungsmarathon, wie er derzeit hingelegt wird, Auf und Abs gibt“, meinte er vor Journalisten.

Infrastrukturminister Jörg Leichtfried (SPÖ) kommentierte das Ergebnis der Verhandlungsrunde zum Bereich Innovation: Es seien "sehr interessante Gespräche" gewesen, aber es seien noch einige Details zu bearbeiten, sagte er Freitagnachmittag. "Es wird schon noch ein bisserl dauern." Das Klima sei aber gut.

Länder funken dazwischen

Aus den Bundesländern kamen derweil "Störgeräusche": Der steirische Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer (ÖVP) warf der SPÖ im Ö1-Radio vor, man führe „Scheinverhandlungen“. Der burgenländische Landeshauptmann Hans Niessl (SPÖ) empfahl seiner Partei unterdessen andere Partner als die ÖVP.

Die aktuellen Verhandlungen zum Regierungsprogramm-Update hätten laut Schützenhöfer unter keinem guten Stern begonnen. „Ultimaten zu stellen in einer Familie ist kein guter Start. Zu sagen das muss alles bis Freitag stehen, erweckt den Eindruck, dass es von SPÖ-Seite Scheinverhandlungen sind“, so Schützenhöfer. In der ÖVP bestehe derzeit der Eindruck, dass die SPÖ Neuwahlen will. Die Gespräche liefen laut dem steirischen Landeshauptmann nämlich gut, und es gebe keine unüberwindbare Hürden. „Wenn daher trotzdem eine Partei abspringen will, das wird ja leider vermutet, dass das die SPÖ will, dann wäre das eigentlich eine sehr vordergründige Verhandlung gewesen, die angelegt wurde um zu scheitern.“ Dass die ÖVP selbst den Absprung aus der Koalition suche, sei hingegen eine „bösartige Unterstellung“.

SPÖ-Klubchef Andreas Schieder, der Teil des engsten Verhandlungsteams um den Fortbestand der Koalition ist, hat sich Freitagvormittag am Rande der Gespräche betont gelassen gegeben. Man müsse sich daran gewöhnen, dass es "bei einem Verhandlungsmarathon, wie er derzeit hingelegt wird", bei dem mehrere Projekte fixiert werden sollen, "Auf und Abs gibt", meinte er vor Journalisten.

Die Stimmung zwischen SPÖ und ÖVP, die gerade schauen, ob sie ein neues Regierungsprogramm zustande bringen, hatte sich zuletzt wieder verschlechtert, wie zu hören war. "Da gibt's Momente, da findet man, es läuft alles ganz super, dann gibt es Momente, wo man das Gefühl hat, das steht kurz vorm Platzen - das würde ich alles nicht überbewerten", erklärte Schieder. Man solle erst nach dem Endergebnis eine Bewertung abgeben.

"Verhandeln Details"

Schieder stellte aber auch klar: "Wir verhandeln nicht Überschriften, sondern wir verhandeln Details. Der Hund liegt auch oft in den Details." Die Verhandlungen seien manchmal schwierig, aber es brauche auch Zeit für entsprechende Formulierungen und Gesetzesentwürfe, denn man wolle vermeiden, dass man sich jetzt nur auf Überschriften einige. Es brauche Punkte für das heurige Jahr, die so fixiert seien, dass es nicht nachher wieder "Interpretationsspielraum" gebe. 2017 solle jedenfalls "das Jahr der Arbeit werden", bekräftigte Schieder.

Ob man noch am Freitag - wie vom Kanzler eigentlich vorgegeben - erfahren wird, ob die Regierung weitermacht oder eben nicht, könne man jetzt noch nicht sagen, meinte Schieder am Vormittag. "Wir haben gestern einen ordentlichen Verzug zusammengebracht, was allerdings das Zeichen ist für gute, intensive Verhandlungen." Man habe aber auch Punkte verschoben, die man am heutigen Freitag nachholen müsse, daher könne man nicht sagen, wann man fertig sei. "Ich hoffe, dass wir es heute wissen", wenn nicht, vielleicht am Wochenende, Montag oder Dienstag, gab sich der Klubobmann entspannt. "Zeit ist weniger wichtig als der Inhalt."

Der Wille der Koalitionsspitzen für einen Fortbestand sei vorhanden, betonte Schieder. Dass andere Player nicht daran interessiert seien, wollte sich der Klubchef aber nicht in den Mund legen lassen - er arbeite mit Kanzler und Vizekanzler zusammen und bei ihnen merke er, "die wollen". Das sei auch das Entscheidende. Es spieße sich aber natürlich an inhaltlichen Fragen, räumte er ein.

Koalitionsverhandlungen: Kanzler sagt Israel-Reise ab
Andreas Schieder vor der aktuellen Koalitionssitzung

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