Rede von FPÖ-Politiker mit antisemitischen Codes
Der freiheitliche Parlamentsabgeordnete Johannes Hübner steht wegen antisemitischen Anspielungen unter Kritik. Wie der Standard unter Berufung auf Mitschnitte meldet, hielt der außenpolitische Sprecher der FPÖ im Juni 2016 in Deutschland bei der sogenannten "Gesellschaft für freie Publizistik e.V. (GfP)" eine Rede. Die GfP wird unter anderem vom deutschen Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuft. Das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands (DÖW) spricht gegenüber dem KURIER von einer "Versammlung rechtsextremistischer Geschichtsrevisionisten".
In seiner Rede in Thüringen bezeichnete Hübner Hans Kelsen, den wesentlichen Denker hinter der österreichischen Verfassung, als "Hans Kohn". Das bei der Veranstaltung offenbar mit Gelächter quittierte "Bonmot" ist eine in weit rechts stehenden Kreisen seit Jahrzehnten verwendete Verhöhnung von Kelsen und soll auf Kelsens jüdische Herkunft hinweisen. In einem anderen Zusammenhang ergibt der Seitenhieb kaum erkennbaren Sinn, denn Kelsen hieß in Wahrheit nie Kohn.
"Speziell die Kelsen-Kohn-Aussage hat eine sehr eindeutige Geschichte”, sagt Bernhard Weidinger, Rechtsextremismus-Forscher vom DÖW. Für ihn ist das eine “klare Botschaft”, die man auch nicht zufällig vor der GfP fallen lasse. Die ursprüngliche Verhöhnung des herausragenden Staats- und Rechtswissenschafters stammte offenbar von Carl Schmitt, einem dem NS-Staat nahestehenden konkurrierenden Staatsrechtler. Sie wurde auch vom antisemitischen Uniprofessor und einstigen NSDAP-Mitglied Taras Borodajkewycz verwendet. Dessen Antisemitismus sorgte in der sogenannten Borodajkewycz-Affäre 1961 für Proteste in Wien, bei denen der ehemalige Widerstandskämpfer Ernst Kirchweger von einem Neonazi erschlagen wurde, der bei einer FPÖ-Gegendemo teilnahm.
Hübner sprach in der Rede unter weiteren umstrittenen Passagen außerdem von einer "Umvolkung" Österreichs durch Massenzuwanderung - ebenfalls ein in der rechtsextremen Szene geläufiger Begriff, der ursprünglich aus der NS-Ideologie stammt. Er wurde in den vergangenen Jahren immer wieder von FPÖ-Politikern verwendet. Diese "Umvolkung" werde auch der - damals noch - neue Kanzler Christian Kern nicht verändern.
Kern sei übrigens ein "Friedrich-Torberg-Preisträger der Israelitischen Kultusgemeinde" und "exzellent vernetztes Logenmitlied", fand Hübner berichtenswert. Dieser Bezug könne zwar nicht ausschließlich antisemitisch verstanden werden, sagt Weidinger, aber historisch sei die Verknüpfung von Freimaurern und Juden oft gemacht worden. Allgemein würden die Freimaurer in die “verschwörungsmythische Struktur des rechtsextremen Denkens” passen, in der mächtige Gruppen im Hintergrund die Fäden zögen.
Eine Bitte um Stellungnahme von Hübner wurde vom KURIER eingebracht, eine solche war aber bislang nicht zu erhalten. Hübner wies in einer OTS-Aussendung den Vorwurf des Antisemitismus zurück. Eine alternative Erklärung für die Aussagen überlieferte er aber nicht und für weiterführende Fragen war er nicht zu erreichen. Der FPÖ-Politiker sprach in der Aussendung von einem "Sturm im Wasserglas, um das Sommerloch zu füllen" durch eine "FPÖ-Jagdgesellschaft". Der Freiheitliche Parlamentsklub wollte ansonsten keine weitere Stellungnahme abgeben.
Rücktrittsforderung
Die Israelitische Kultusgemeinde (IKG) forderte am Mittwoch den Rücktritt des FPÖ-Politikers. "Hübner ist eine Schande für das österreichische Parlament und als Abgeordneter untragbar. Er sollte raschest in der politischen Versenkung verschwinden", erklärte IKG-Präsident Oskar Deutsch. Es sei eine "Stunde der Wahrheit" für die FPÖ, wie sie damit umginge. Auch der Grünen-Abgeordnete Harald Walser bezeichnete Hübner als rücktrittsreif. Es sei inakzeptabel, wenn ein österreichischer Parlamentarier bei einem Kongress auftritt, der als "Jahrestreffen der Geschichtsleugner" gilt. Dass Hübner das dortige Publikum auch noch mit "antisemitischen Happen unterhält", bringe das Fass endgültig zum Überlaufen. Der Fall zeige, dass Antisemitismus eine ideologische Klammer der FPÖ ist, so Walser.
DÖW-Forscher Weidinger sagt, Hübner sei zwar schon bislang durch "besonders geringe Berührungsängste" mit der rechtsextremen Szene aufgefallen. So hätte er etwa als Geburtshelfer und Anteilseigner der einschlägigen Wochenzeitung "Zur Zeit" fungiert. Dass er zum Kongress des GfP reist, habe aber auch Weidinger überrascht. Das DÖW sei verwundert gewesen, dass nicht schon die bereits damals bekanntgemachte Reise zu einem größeren Aufschrei geführt hätte.
Der Rechtsanwalt Hübner gehörte gemeinsam mit Johann Gudenus zu der FPÖ-Gruppe, die 2012 den tschetschenischen Diktator Ramsan Kadyrow besuchte und später als Wahlbeobachter beim umstrittenen Abspaltungs-Referendum auf der Krim fungierte. Er ist seit 1988 in unterschiedlichen FPÖ-Funktionen und sitzt seit 2008 für die Partei im Parlament.
Er vertritt die Partei auch immer wieder vor Gericht - etwa HC Strache bei seiner abgewiesenen Klage gegen den ORF-Reporter Ed Moschitz wegen einer "Am Schauplatz"-Reportage über Skinheads, die eine FPÖ-Veranstaltung besucht hatten. Aktuell vertritt er den Aula-Verlag in einem Verfahren. Laut DÖW ist auch dieser als rechtsextrem einzustufen. Hübner vertrat 2007 in seinem Brotberuf auch den selbsternannt antizionistischen Rabbiner Moishe Arye Friedman in einem Streit mit der Israelitischen Kultusgemeinde - laut DÖW unentgeltlich. Friedman hatte Ende 2006 an einer Holocaustleugner-Konferenz in Teheran teilgenommen.
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