Unter dem ehemaligen Parteichef Norbert Hofer distanzierte sich die FPÖ deutlich von den Identitären – auch via Vorstandsbeschluss, wonach man nicht gleichzeitig Identitären- und FPÖ-Mitglied sein kann. Herbert Kickl vollzog an der Spitze der FPÖ eine Kurskorrektur: Er bezeichnete die Identitären als „NGO von rechts“ und „unterstützenswertes Projekt“.
Österreichs Sicherheitsbehörden bewerten das etwas anders. Der Verfassungsschutz rechnet Identitäre und DO5 der österreichischen Neonaziszene zu. Laut dem Innenministerium würden genau diese Gruppen im Bereich des Rechtsextremismus derzeit die „größte Herausforderung“ sein.
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Auf KURIER-Nachfrage, wie die FPÖ diese Einschätzung beurteilt, setzt es vom Parlamentsklub deutliche Kritik an den Verfassungsschützern: „Grundsätzlich wird der Extremismusbegriff mittlerweile inflationär und populistisch gebraucht, zum Beispiel leider auch vom Verfassungsschutz in Form der DSN, an dessen Spitze eine Person mit ÖVP-Vergangenheit steht.“
Den 2021 neugegründeten DSN leitet Omar Haijawi-Pirchner. Er lobte die ÖVP 2020 in eine TV-Beitrag – und bezeichnete das später als „Fehler“. Dass die Klimaaktivisten der „Letzten Generation“ vor wenigen Monaten vom Innenministerium als nicht extremistisch eingestuft wurden, sage ohnehin alles, so die FPÖ. Diese würden die Gefährdung von Menschen bewusst in Kauf nehmen, um „die Durchsetzung ihrer politischen Ziele“ zu erzwingen.
"Das liegt auf der Hand"
Auf klare Distanz zu Sellner und den Identitären geht die FPÖ jedenfalls weiterhin nicht. Danach gefragt, heißt es: „Bekannterweise war bei besagter Veranstaltung in Potsdam kein Vertreter der Freiheitlichen Partei anwesend.“ Nach Sellners Remigrationsplänen gefragt, verweist die FPÖ auf ihren Asylplan „Festung Österreich“. Die Aberkennung von Staatsbürgerschaften beinhaltet dieser nicht. Kickl distanzierte sich davon in der ZiB2 allerdings auch nicht.
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Der Vorstandsbeschluss, wonach man nicht gleichzeitig FPÖ- und Identitären-Mitglied sein kann, gilt übrigens. Das sei eine technische Notwendigkeit, stellt die FPÖ klar: „Es liegt auf der Hand, dass man nicht gleichzeitig FPÖ-Funktionär und Mitglied einer anderen (partei-)politischen Bewegung sein kann.“
Hindernis bei Koalitionsverhandlungen
Die politischen Mitbewerber versuchen nun, die FPÖ infolge des Potsdamer Treffens und der Massendemonstrationen in Deutschland unter Druck zu setzen. Klar ist: Bisher schadete Kickl die Nähe mit Sellner offensichtlich nicht. Die Freiheitlichen führen in sämtlichen Umfragen souverän, liegen bei rund 30 Prozent.
Sollten sie die Nationalratswahl gewinnen, dürfte das Naheverhältnis auf der Suche nach Koalitionspartnern aber zu einem gravierenden Problem werden. Sämtliche Parlamentsparteien grenzen sich deutlich von der rechtsextremen Gruppe ab. Die ÖVP erhob ein Identitären-Verbot 2019 bereits zur Koalitionsbedingung.
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Linke Demo in Wien geplant
Als Reaktion auf die Demos in Deutschland wird für Freitag in Wien zu einem Protest unter dem Motto „Demokratie verteidigen! Gegen Rechtsextremismus und Rassismus“ aufgerufen. Veranstalter sind die Klimabewegung Fridays for Future Wien, die antirassistische Initiative Black Voices und die Plattform für eine menschliche Asylpolitik.
In den sozialen Medien werden linke Parteien aufgefordert, sich dem Protest anzuschließen. SPÖ-Chef Andreas Babler schloss sich Freitagabend via X dem Aufruf an: "Setzen wir gemeinsam ein Zeichen. Stellen wir uns schützend vor die Grundwerte unserer Republik!" Auch Volkshilfe-Direktor Erich Fenninger unterstüzt die Initiative. Man dürfe nicht zulassen, dass Österreich "mehr und mehr in die Hände von rechtsextremen, antidemokratischen und rassistischen Gruppen" gerate, so Fenninger.
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