"Rauchverbot ist Gewissensfrage"

Gesundheitsausschuss des Nationalrates
Klubzwang wog schwerer als Fakten, Druck auf Abstimmung im Plenum steigt.

Christoph Zielinski wollte eigentlich nicht emotional werden. Er wollte Fakten sprechen lassen. Aber irgendwann gegen Ende des Hearings drückte er doch noch "auf die Tränendrüse", wie er eingestand: "Kein Sterben ist schön, aber das Sterben am Rauchen ist qualvoll."Der Arzt sprach eine Kollegin, die ihm vis-à-vis saß, direkt an – Brigitte Povysil von der FPÖ ist Radiologin: "Wir leben, um dieses Leid zu vermindern." Und er beschwor die Abgeordneten: "Sie haben es in der Hand." Vergeblich. Der Initiativantrag, wonach das Rauchverbot in der Gastronomie aufzuheben ist, passierte dank türkis-blauer Mehrheit am Dienstag den Gesundheitsausschuss.

Wenn am 21. März die Abgeordneten des Nationalrats über das neue Rauchergesetz abstimmen, geht es nicht um Fakten, Vernunft oder Gewissen. Es geht um Klubdisziplin bzw. "Klubzwang". Die ÖVP beruft sich stets darauf, dass das Kippen des Rauchverbots Koalitionsbedingung der FPÖ war. Für Gaby Schwarz, Gesundheitssprecherin der ÖVP, ergab der Ausschuss "nichts Neues", es bleibt also beim Pakt.

Fakten & Vernunft

"Ich bin enttäuscht, dass die hier vorgebrachten Argumente bei ÖVP und FPÖ auf taube Ohren gestoßen sind", sagt SPÖ-Gesundheitssprecherin Pamela Rendi-Wagner, auf deren Einladung der Krebsspezialist Zielinski auftrat. Die Neos schickten den Gesundheitsforscher Florian Stigler, der erklärte, dass "jeder Arzt eine rauchfreie Gastronomie verschreiben würde, weil sie wirkt und ohne Nebenwirkungen ist". Für die Liste Pilz schilderte Palliativ-Medizinerin Daniela Jahn-Kuch, dass jährlich rund 170.000 Kinder weltweit an den Folgen des Passivrauchens sterben. Durch ihre höhere Atemfrequenz nehmen sie Giftstoffe schneller auf als Erwachsene. Während die medizinisch ausgebildete Hälfte der Experten also eindeutig feststellte, dass es ein Rauchverbot dringend braucht, plädierte Ökonomin Barbara Kolm (FPÖ) wirtschaftsliberal für die "Wahlfreiheit der Gastronomen" und warnte, dass ein Viertel der Lokale zusperren müsse, würde man das Rauchen verbieten. Und Zlata Kovacevic aus dem Bundeskanzleramt hob nach ÖVP-Diktion die bisherigen Maßnahmen für den Jugendschutz hervor.

Gewissensentscheidung

Tatsächlich ist es üblich, dass sich ein Klub intern auf eine Haltung einigt, erklärt Parlamentarismusexperte Werner Zögernitz. Das "freie Mandat" wird in Österreich insofern ausgelebt, dass Parlamentarier der Abstimmung fernbleiben, wenn sie eine Entscheidung nicht mittragen wollen. Arzt Josef Smolle von der ÖVP fehlte am Dienstag.

Genauso kann sich ein Klub aber auch darauf einigen, eine "Gewissensentscheidung" freizugeben. Zögernitz hält das beim Rauchverbot für nicht sinnvoll, eher noch bei der aktiven Sterbehilfe oder bei der Homo-Ehe wie in Deutschland.

"Natürlich müsste das Rauchverbot eine Gewissensfrage sein", sagt hingegen Peter Kolba, Klubchef der Liste Pilz, "zumal 28 der derzeitigen ÖVP-Abgeordneten 2015 für das Rauchverbot gestimmt haben." Er hofft auf das "Don’t Smoke"-Volksbegehren, das mittlerweile fast 500.000 Unterstützer zählt.

Ein Anlauf der Opposition, eine verbindliche Volksabstimmung noch vor Inkrafttreten des neuen Rauchergesetzes einzuleiten, ist am Dienstag abgeblitzt. Die Stimmen von SPÖ, Neos und Liste Pilz reichten nicht.

Übrigens stimmte auch Ausschuss-Vorsitzende Dagmar Belakowitsch von der FPÖ mit "Ja" – aus Versehen. Auf KURIER-Nachfrage erklärt sie: "Ich schließe eine Volksabstimmung nicht aus, aber lassen wir erst einmal das Volksbegehren arbeiten, erst danach macht das Sinn – jetzt noch nicht."

Als Sanitätsrat abgewählt. Mitglied im Obersten Sanitätsrat (OSR) zu sein, ist eine ehrenvolle Aufgabe.

Die 31 Experten – Ärzte, Wissenschaftler – bilden das höchste Beratungsgremium des Gesundheitsministeriums. Im November hat dieses Gremium einen einstimmigen Beschluss gefällt: Das Rauchverbot in der Gastronomie, das 2015 beschlossen wurde, sei umzusetzen. Den Antrag soll Josef Smolle gestellt haben. Ein „militanter Nichtraucher“, ein „Verfechter des Rauchverbots“, sagt man im Kollegenkreis über den ehemaligen Rektor der Grazer Med-Uni.

Im Dezember, als klar war, dass er Nationalratsabgeordneter wird, sagte Smolle zum KURIER: „Ich werde für das eintreten, was ich für richtig halte“ – nämlich, dass das beschlossene Rauchverbot bleiben soll. Die Zeiten ändern sich. Der Mediziner unterwirft sich der ÖVP-Klubdisziplin und soll am 21. März die Abschaffung mitbeschließen. Für den Obersten Sanitätsrat ist das ein Problem. „Es war klar, dass ein Interessenskonflikt besteht, sobald er in den Nationalrat geht, deshalb hätte er bei unserer nächsten Sitzung im Juni sein Mandat bei uns zurücklegen müssen“, sagt Präsidentin Sylvia Schwarz.

Die SPÖ hat bereits am vergangenen Mittwoch einen Antrag auf Beibehaltung des Rauchverbots eingebracht – und Smolle stimmte dagegen. Dadurch habe sich die Lage verschärft, erklärt Schwarz: „Wir werden im Präsidium beraten, ob wir das Mandat über einen Umlaufbeschluss aberkennen – so bald wie möglich.“ Smolle sei seit 2002 ein „verdientes Mitglied“ im OSR, betont Schwarz, zwei Jahre lang war er sogar Vizepräsident. „Umso unverständlicher ist es für uns, dass er jetzt einen derartigen Sinneswandel hingelegt hat.“

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