Raab: "Wir wollen kein Chinatown, kein Little Italy"

Integrationsministerin Susanne Raab (ÖVP), flankiert von Expertenratsvorsitzender Katharina Pabel und Statistik-Austria-GD Tobias Thomas
Integrationsministerin spricht sich bei Präsentation des Integrationsberichts gegen Parallelgesellschaften aus.

"Wir haben in den letzten zehn Jahren viel geschafft, auch viel schaffen müssen", sagte Integrationsministerin Susanne Raab (ÖVP bei der Präsentation des Integrationsberichts, der heuer zum zehnten Mal erscheint. Als eine erste Botschaft formulierte sie: "Viel erreicht, viel zu tun." Es gehe "auch um die kulturelle Integration", so Raab. Eines ihrer vorrangigen Ziele: der Kampf gegen Parallelgesellschaften: "Wir wollen kein Chinatown, kein Little Italy", so die Ministerin in Anspielung auf Stadtviertel, in denen sich ausländische Bevölkerungsgruppen konzentrieren und weitgehend unter sich bleiben.

Expertenratsvorsitzende Katharina Pabel nannte als einen wichtigen Punkt das Integrationsgesetz 2017, welches einen umfassenden Rahmen biete. Der Expertenrat lege Wert auf eine evidenzbasierte Arbeit. Integration sei ein wechselseitiger Prozess. Erfolgreiche Integration bestehe aus "Fördern und Fordern".

Der Anteil von Kindern in Betreuungseinrichtungen mit nichtdeutscher Umgangssprache steige ständig – in Wien seien es bereits 60 Prozent. Der Bildungsbereich müsse als Baustelle im Integrationsbereich gesehen werden.

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Was den Arbeitsmarkt betrifft, so seien Frauen schlechter integriert als Männer. Die Corona-Krise habe Auswirkungen für alle - aber Menschen mit Migrationshintergrund seien davon noch stärker betroffen.

Darüberhinaus sei "kulturelle und emotionale Integration" essentiell. Es gebe große Unterschiede zwischen Zuwanderern und autochthoner Bevölkerung in puncto Werthaltungen. Diese ließen sich freilich nicht von heute auf morgen ändern, wichtig sei der persönliche Kontakt.

Statistik-Austria-Generaldirektor Tobias Thomas wies auf Unterschiede zwischen den Migrationsgruppen hin, etwa bei der Erwerbsbeteiligung: Während Personen aus EU-Ländern hier im wesentlichen im österreichischen Schnitt lägen, seien die entsprechenden Werte für Personen aus der Türkei oder - mehr noch - etwa dem Irak, Afghanistan deutlich schlechter.

Susanne Raab erklärte, die Flüchtlingskrise habe unser Land, unsere Gesellschaft stark verändert. Ein Jahr wie 2015 dürfe sich nicht wiederholen. Man habe damals nicht an die langfristigen Auswirkungen gedacht. Die Bilder dieser Tage seien weit weg, "aber wir haben jeden Tag mit den Folgen zu tun".

Fünf Eckpfeiler

Die Ministerin nannte schließlich fünf Eckpfeiler für ihre künftige Integrationspolitik, die sich für sie aus dem Bericht als notwendig ergeben:

- Frauen stärken. Finanzielle Unabhängigkeit sei dafür entscheidend. Viele Migrantinnen kämen aus patriarchalen Strukturen, die sich in Österreich nicht etablieren dürften. Nur jede zehnte Frau, die seit 2015 gekommen ist, habe einen Arbeitsplatz gefunden.

- Identifikation mit Österreich einfordern. Unter Menschen aus der Türkei fühlt sich laut Bericht jeder Vierte mehr seinem Heimatland zugehörig als Österreich, bei Tschetschenen ist es die Hälfte. Es gehe bei der Integration neben Chancen eben auch um Pflichten.

- Ehrenamt als Säule der Integration verankern. Es gebe viel Engagement in der Flüchtlingsbetreuung - aber das solle keine Einbahn sein. Migranten sollten sich noch mehr ehrenamtlich engagieren, das könne ein "Turbo in der Integration" sein.

- Unterstützung der Eltern. Intensive Sprachförderung müsse so früh wie möglich beginnen - die Deutschförderklassen seien ein richtiger Schritt gewesen. Die Eltern müssten verstärkt eingebunden werden, es gelte ihnen klarzumachen, dass sie auch Mitwirkungspflichten haben.

- Entwicklung von Parallelgesellschaften verhindern. Die Vision laute: Miteinander, nicht nebeneinander leben. In Wien gebe es bereits solche Parallelgesellschaften, die Herausforderungen hier seien besonders groß.

Was den letzten Punkt betrifft, so müsse man auch den Einfluss aus dem Ausland auf hiesige Vereine und Communities in den Fokus stellen. Hier sei etwa die Dokumentationsstelle Politischer Islam gefordert. Raab strich hierbei auch die unterschiedlichen Zugänge zum Thema Migration/Integration zwischen Bund und Gemeinde Wien heraus.

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