Schulklasse statt Redaktion: Was eine Quereinsteigerin erzählt

Eigentlich wollte sie immer Lehrerin sein, das zeigt ihr Freundeskreis. Die Schwester ist Lehrerin, viele Freundinnen auch. Aber zunächst, so mit Anfang 20, entschied sich Julia Schrenk für den zweiten Job, für den sie brannte - und wurde Journalistin. Beim KURIER in Wien. Sie ist eine Ex-Kollegin, damit wäre das an dieser Stelle offengelegt.
Im März 2024 wechselte die Waldviertlerin Job und Wohnort - und wurde Lehrerin am Schulzentrum Gmünd. Sie hat Kommunikationswissenschaften mit Abschluss und in Teilen Germanistik studiert. Deshalb darf sie als zertifizierte Quereinsteigerin Deutsch und Digitale Grundbildung unterrichten - vorausgesetzt, sie holt nebenbei das Pädagogik-Studium nach.

Julia Schrenk wechselte aus der Redaktion ins Klassenzimmer
Mit Mentor
Wie schwer fiel der Wechsel von der Redaktion ins Konferenzzimmer? Hat sie sich das alles so vorgestellt?
Professionell hört sich jedenfalls die Begleitung an. "Als Quereinsteigerin bekommst Du von der Bildungsdirektion eine Mentorin zur Seite gestellt. In meinem Fall war sie nicht nur extrem hilfsbereit, sondern auch sehr erfahren und bestens organisiert."
Schule, das ist eine neue Welt, in der man sich als Lehrerin erst zurechtfinden muss: Wo werden Noten im Computersystem eingetragen, wie redet man mit schwierigen Eltern, was ist bei Exkursionen und Kinobesuchen rechtlich zu beachten, und: Welche didaktischen Tricks gibt es, um in einer Klasse mit 31 Pubertierenden nicht völlig unterzugehen?
"In meinem Fall hatte und hab ich jede Unterstützung von Kolleginnen und Kollegen. Ich darf zugeben, wenn ich etwas nicht weiß - und mir wird sofort geholfen."
Was Schrenk entgegenkommt, ist der Stoff: "In der Oberstufe geht es vielfach um verschiedene Textsorten. Kommentare, Erörterungen, Leserbriefe und anderes - da profitiert man als Journalistin.“ Das Vorurteil des „gemütlichen Lehrerjobs“ kann sie nicht bestätigen. "Ich arbeite stundenmäßig sicher gleich viel wie im Journalismus." Schrenk bringt ein Rechenbeispiel: "Für die Korrektur einer Schularbeit brauche ich pro Schüler zwischen 30 und 45 Minuten." Man lese sie mehrfach, wiege ab. Bei 30 Schülern sind das 15 Stunden Wochenarbeit, die zusätzlich zum Alltag anfallen. Und dazu gehört, dass etwa in Maturaklassen pro Woche und Schüler ein Text mit durchschnittlich 700 Wörtern anfalle, der gelesen und korrigiert werden will. "Da hast du aber noch keine einzige Minute an Vorbereitung erledigt oder unterrichtet."
Eine Herausforderung ist für die Quereinsteigerin die Gruppendynamik. "An der Uni hat man Studenten in der Vorlesung, die sich das Fach ausgesucht haben, man darf ein gewisses Grundinteresse voraussetzen." In der Schule sei das anders. "Da hast Du pubertierende Jugendliche in der Klasse, die nicht im Deutschunterricht sitzen, weil sie wollen, sondern weil sie müssen." Überhaupt sei die Arbeit von Faktoren geprägt, die schwer zu kontrollieren seien. "Es gibt unglaublich vieles, was deine Unterrichtsstunde beeinflusst: Wenn die Klasse in der Stunde davor eine schwere Schularbeit hatte; wenn am selben Tag noch ein großer Test ansteht; oder wenn Jugendliche einfach einen schlechten Tag haben. Im Idealfall achtest du permanent darauf, wie deine Schüler drauf sind.“
Eine Herausforderung ist für die Neo-Lehrerin die systembedingte Straffheit im Tagesablauf. "Bei einem Bürojob gibt es manchmal Gleitzeit, du kannst zum Arzt gehen und mitunter kann man Pausen einschieben, wenns nicht läuft. Beim Unterrichten ist das anders: Der Stundenplan gibt den Takt vor, zwischen den Unterrichtsstunden sind fünf Minuten Pause, und man kann nicht einfach sagen: Ich schnauf durch und halt meine Stunde halt 20 Minuten später."
Tradwives
Aber irgendwann, so könnte man einwenden, sind die Unterrichtsstunden doch vorbereitet und alles wird zur Routine. Bis auf die Korrektur von Aufsätzen, Hausübungen oder Schularbeiten ist dann ja nicht mehr viel Neues zu tun, oder?
Nicht für Schrenk. "Ich habe den Anspruch, im Unterricht aktuelle Themen und Texte zu bearbeiten." Erst vor Kurzem habe sie das Phänomen der "Tradwives" besprochen. "Da kannst Du nicht einfach einen Text aus dem Jahr 2012 hernehmen. Man sucht und recherchiert immer Neues, sonst verlierst Du die Schüler." Sie muss schmunzeln. "Bei solchen Fragen denk ich noch immer wie eine Journalistin."
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