Psychologie des Blackouts: Stell dir vor, es geht das Licht aus

Was passiert, wenn es passiert. Wie soll bei einem möglichen Blackout verhindert werden, dass Chaos ausbricht?

Montag Vormittag. Plötzlich wird der Computerbildschirm schwarz, das Licht fällt aus. Die Sicherungen zeigen keinen Schaden, die Zuleitung muss betroffen sein. Beim Blick auf das Mobiltelefon fällt auf: kein Netzempfang.

Die Ampelanlagen sind ausgefallen, auch in den Straßen ringsum scheint kein Strom zu sein. Immer mehr Menschen kommen aus den Gebäuden, schauen hilflos umher und auf ihre Handy-Displays, die auch keine Erklärung für das Geschehen bieten.

Erst über das batteriebetriebene Radio wird klar: Nicht nur das eigene Grätzel, nicht nur die Stadt, sondern ganz Österreich ist ohne Strom. Die Behörden bestätigen einen Stromausfall in weiten Teilen Europas, sie rufen zu Ruhe auf, versprechen, fieberhaft an Lösungen zu arbeiten und sofort zu informieren, wenn es Neuigkeiten gibt. Nach Stunden geht der Weg nach Hause nur zu Fuß, denn U-Bahn, Straßenbahn und Züge stehen still, die Straßen sind mit Autos verstopft.

Auch daheim ist es dunkel. Der Kühlschrank taut ab. Niemand weiß, wie lange das Blackout dauert, wie es Familie, Freunden, Verwandten geht. Die Nacht bricht ein. Ohne warmes Essen oder frisches Wasser. Licht scheint nur von den Krankenhäusern der Stadt, die alle mit Notstromaggregaten betrieben werden – jedenfalls solange Treibstoff in den Tanks ist.

Bei Morgengrauen wird klar: Es gibt nach wie vor keinen Strom. Im Mehrparteienhaus hat sich ein unangenehmer Geruch breit gemacht. "Ein Stromausfall ist eine heikle Angelegenheit für moderne Gesellschaften, aber dennoch nicht mit der akuten Gefahr eines riesigen Erdbebens oder einer gigantischen Überschwemmung gleichzusetzen. Allerdings ist die Dauer des Blackouts der entscheidende Punkt für die Folgen und damit auch für die psychische Verarbeitung", sagt Georg Psota, Chefarzt der Psychosozialen Dienste in Wien.

Auf KURIER-Nachfrage kommt er wie Thomas Niederkrotenthaler von der Med-Uni Wien und Johannes Wancata, Präsident der Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik, zu dem Schluss, dass für die Mehrheit der Bevölkerung ein Blackout "zunächst zwar als unangenehm erlebt wird, aber relativ gut kompensiert werden kann". Selbiges gelte auch für den sozialen Zusammenhalt.

Stresslevel

Einzig für Menschen mit psychischen Erkrankungen, isolierte ältere Personen und solche mit körperlichen Beeinträchtigungen könne eine derartige Situation relativ rasch eine Gefahr werden. "Über die Zeit wird der Stresslevel insgesamt ansteigen, und nach einigen Tagen kann es zu Panik und sozialen Unruhen kommen, wenn Lebensmittel knapp werden."

Hinzu kommt, dass die Wasserversorgung etwa in Wien zwar großteils (95 Prozent aller Haushalte) ohne elektrische Pumpen funktioniert, nicht aber das Abwasser-System. Spätestens nach 24 Stunden wird es deshalb im Ernstfall in der Stadt fürchterlich zu stinken beginnen. Da keine öffentlichen Nah- und Fern-Verkehrsmittel fahren, bleiben auch die Ausfall-Straßen verstopft.

Immer wieder wird die Stromversorgung hochgefahren werden. Hoffnung keimt auf. Dann bricht das System wieder zusammen. Mit solchen Rückschlägen muss man rechnen, sagen Zivilschutzexperten.

Um auf den Ernstfall vorbereitet zu sein, bedarf es weniger Maßnahmen. Jeder Haushalt sollte nach Möglichkeit Wasser und Nahrung für einige Tage und für alle Familienmitglieder in Reserve haben sowie über Taschenlampen und ein Batterie- oder Kurbelradio verfügen. "Es gibt aber kein Patentrezept. Jeder muss sicher selbst fragen, was er im Notfall braucht", erklärt Wolfgang Kastel von "HelferWiens", dem Zivilschutzverband. "Damit helfen Sie sich nicht nur selber, sondern auch der Gesellschaft. Denn jeder, der sich selbst versorgen kann, braucht fürs Erste keine Hilfe vom Staat."

Entscheidend für eine gute Prävention ist "ein ausreichendes Maß an Bewusstsein für alle möglichen Gefahren zu schaffen, ohne dabei eine Panikstimmung zu erzeugen. Die wirklich unbedingt notwendigen Dinge, wie einen Wasservorrat zu Hause zu haben, und zu wissen, wo ich mich in möglichst unmittelbarer Nähe in einem Notfall hinwenden kann. Besonders wenn es darum geht, dass die Möglichkeiten der Kommunikation über Telefon stark eingeschränkt sind oder vollkommen fehlen", weiß Thomas Kapitany, Geschäftsführer des Kriseninterventionszentrums.

Die vielen Ratgeber des Zivilschutzverbandes zu studieren und sich entsprechend zu rüsten, hält Kastel von den "HelferWiens" für kein Zeichen von Angst, sondern für Vernunft. "Sie haben ja auch Brandmelder und Feuerlöscher daheim, falls es brennt. Warum nicht Wasser, Nahrung und ein Kurbelradio, falls was ganz anderes passiert."

Checkliste für Notfälle:

Schnellpackliste:

Bargeld, Ausweis, Dokumente, Ersatzbrille, Medikamente, Taschenlampe, Zünder, Feuerzeug, Handy, Ladegerät, Nähzeug, Hygieneartikel, Taschenmesser, warme Kleidung, Schuhe, Thermosflasche, Notproviant, Batterie- oder Kurbelradio.

Einkaufsliste:

Vorrat sollte für sieben bis zehn Tage reichen. Tagesbedarf: 2000 kcal/Person.

  • Flüssigkeit: 2 l Wasser/Person/Tag, Saft, Sirup, Kaffee, Tee, Kakao.
  • Getreideprodukte:  3,5 kg  Getreide, Brot wie Zwieback, Knäckebrot, Mehl, Haferflocken, Kartoffeln, Nudeln, Reis, Kekse.
  • Gemüse- und Hülsenfrüchte: 4 kg vor allem Konservendosen, da für getrocknete Produkte Wasser benötigt wird.
  • Obst und Gemüse, Nüsse: 2,5 kg eingelegtes Obst, Gemüse, Kompott, Nüsse, Milchprodukte: 2,6 kg u. a. Haltbarmilch
  • Fette, Öle: 0,4 kg Butter, Öl, Schmalz
  • Sonstiges: Gaskocher oder Esbitkocher, Hausapotheke, Wasserfilter

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