Schüssel hält Prozess gegen Westenthaler für unnötig

Altkanzler Schüssel schwang sich zum Verteidiger von Westenthaler und anderen früheren Vertrauten auf.
Für den früheren Regierungschef sind Verfahren wie dieses nur Geldverschwendung.

Nicht nur seine getüpfelten Socken vermitteln den Eindruck: Wolfgang Schüssel ist anders drauf, als man ihn in Erinnerung hat. Der „Schweigekanzler“ tritt als Plaudertasche auf, fällt dem Richter ins Wort, fährt einem Anwalt über den Mund und übt in einem laufenden Strafprozess ganz offen Kritik an ebendiesem. Er sei pure Geldverschwendung.

Ex-BZÖ-Chef Peter Westenthaler ist angeklagt, als Bundesliga-Vorstand eine Fördermillion der schwarz-blauen bzw. schwarz-orangen Bundesregierung für den Fußball-Nachwuchs zweckwidrig zur Tilgung einer Steuerschuld verwendet zu haben. Schüssel, mittlerweile Pensionist, ist noch heute stolz auf die Förderung: „Wir wollten uns bei der EURO 2008 nicht blamieren.“ Es sei schade, dass Projekte wie dieses „nachträglich kriminalisiert werden“.

Schüssel hält Prozess gegen Westenthaler für unnötig
Former Austrian parliamentary faction leader Peter Westenthaler (L) shakes hands with former Austrian chancellor Wolfgang Schuessel as Schuessel arrives as a witness at court in Vienna November 13, 2014. Westenthaler is accused of fraud in his former function as head of the Bundesliga Austrian soccer league. REUTERS/Heinz-Peter Bader (AUSTRIA - Tags: CRIME LAW POLITICS SPORT SOCCER)

Überkorrekt

Dass der Regierungschef von 2000 bis 2006 keine Freude hat, wenn seine damaligen Verbündeten wie Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser, Peter Westenthaler und andere strafrechtlich durchleuchtet werden, ist klar.

Der KURIER deckte schon 2010 auf, dass die Bundesliga mit Einbindung des Grasser-Kabinetts ihre Schulden „durch die Hintertür“ beglichen hatte. Aber nun hebt Schüssel im Zeugenstand gleich zur Generalabsolution an: Alles sei überkorrekt gewesen. Dass man den Einsatz der geförderten Nachwuchsspieler mit der Stoppuhr kontrolliert habe, sei schon übertrieben. Und Westenthaler habe persönlich keinen Cent aus der Förderung bekommen, wie könne man daraus einen Straftatbestand ableiten? „Der mehrtägige Prozess kostet mehr als die ganze Förderung, um die es hier geht.“ – „So ist das in einem Rechtsstaat, sonst müssen wir die Tätigkeit einstellen“, kontert Richter Wolfgang Ettl.

Dann ist Schüssel endgültig nicht mehr nach Scherzen. Als er Förderungen via Budgetüberschreitung am Beispiel von Maßnahmen im Katastrophenschutz erklärt, witzelt der Richter: „Also Sie sehen den Zustand des österreichischen Fußballs ähnlich wie eine Hochwasserkatastrophe?“ – „Diese Scherze verbitte ich mir!“
Vorgehaltene Korrespondenz zum Thema Förderung wischt Schüssel mit der Bemerkung weg: „Ich lese keine Mails, das ist ein Prinzip bei mir.“ Oder: „Erinnern Sie sich an alles, was vor elf Jahren gewesen ist?“

Ex-Sport-Staatssekretär Karl Schweitzer (BZÖ) verweigerte damals seine Unterschrift und ließ einen Sektionschef den Fördervertrag unterschreiben. „So geht das in der Republik“, erklärte er als Zeuge. Fortsetzung Dienstag.

Wolfgang Schüssel lässt sich von niemandem nachsagen, dass er um die Sympathie seiner Zuhörer buhle. Der Kanzler a. D. lässt Freund und Feind nach wie vor gerne spüren, dass er schneller denkt als der Durchschnitt. Feigheit vor Freund oder Feind konnte man ihm auch Zeit seines politischen Lebens nicht vorwerfen. Dass er sich im Jahr 2000 als geschlagener Wahlverlierer vom dritten Platz auf den Kanzler-Sessel katapultierte, nötigt in seiner Partei vielen bis heute Bewunderung ab. Weit über seine Partei hinaus Respekt erarbeitet hat sich Schüssel als einer, der als Politiker auch vor dem Boulevard nie in die Knie ging oder sich gar anbiederte. Schon als Wirtschaftsminister hielt er unbeirrt Kurs Richtung Brüssel und mehr Europa. Als Kanzler nahm er trotz heftigem Gegenwind Tabuthemen wie die österreichische Frühpension couragiert ins Visier (auch wenn er dafür die Erfindung der unseligen Hacklerrente in Kauf nahm, um Rot und Blau mit ins Boot zu holen).

Was Schüssel vor Gericht bot, kann freilich nur noch unter dem Stichwort Chuzpe registriert werden. "Ich finde es schade, dass solche Großereignisse wie EURO 2008 im Nachhinein kriminalisiert werden", erklärte ausgerechnet jener Kanzler, dessen "bester Finanzminister aller Zeiten" massiv unter Korruptionsverdacht steht. Schüssel hat sechs Jahre lang entweder fahrlässig übersehen oder schlicht weggesehen, dass in seinem Umfeld gestohlen und in private Taschen gewirtschaftet wurde wie in einer südamerikanischen Bananenrepublik.

Die Justiz-Verfahren, die hinter und vor uns liegen, werden mehr kosten als jenes, das Schüssel am Donnerstag vor Gericht keck infrage stellte. Dieses Geld wird sich in jedem Fall rechnen: Als Investition in eine sauberere Republik als die, die uns Wolfgang Schüssel hinterlassen hat.

Ex-Sportstaatssekretär Karl Schweitzer (BZÖ) hat in seiner Einvernahme bestätigt, eine Unterzeichnung des Fördervertrags verweigert zu haben. Der Grund: Die Sportförderung sei lediglich Amateuren zugedacht, zudem habe das Staatssekretariat kein Geld zur Verfügung gehabt. Peter Westenthaler habe zudem zuvor zwar versucht, Geld für die damals marode Bundesliga zu erhalten, sei aber abgeblitzt.

Westenthaler sei Ende 2003 in Schweitzers Büro gekommen und habe ihm die Situation der Bundesliga geschildert, die ihm von seinen Vorgängern hinterlassen wurde, berichtete der ehemalige Staatssekretär. "Wir haben darüber gesprochen, ob aus den Mitteln der Sporthilfe eine Abhilfe möglich ist, was ich daraufhin verneint habe", meinte Schweitzer. "Es war gutes Recht von Westenthaler, sich zu bemühen, einen Fehler, der vor seiner Amtsübernahme gemacht hat, zu korrigieren", zeigte Schweitzer generell Verständnis für das Anliegen - "und ich habe gesagt, das geht nicht".

Keine Wahrnehmung

Westenthaler habe ihm daraufhin zu verstehen gegeben, dass er den damaligen Bundeskanzler Wolfgang Schüssel diesbezüglich um finanzielle Mittel bitten werde. Was der Angeklagte daraufhin gemacht hat, konnte Schweitzer aber nicht beantworten. Vom Vorhaben, eine daraufhin vom Nationalrat beschlossene Sonderförderung für die Jugend zweckwidrig zu verwenden, wusste Schweitzer in seiner Aussage nichts. Auch einen Zusammenhang mit der in weiterer Folge mittels Sonderbudget beschlossenen Förderung habe er damals nicht gesehen.

Den Beschluss des Budgetüberschreitungsgesetzes, der die Jugendförderung für die Bundesliga möglich machte, habe aber auch Schweitzer nicht verhindern können: "Das ist ja nicht meine Förderung, das ist ein Beschluss des Nationalrats." Allerdings verweigerte Schweitzer laut eigener Aussage die Unterschrift auf dem Fördervertrag, was schließlich der Sektionschef im Bundeskanzleramt - auf einem mit Korrekturlack geänderten Vertrag - erledigt haben dürfte. Auf die Frage, warum dies überhaupt möglich sei, antwortete der Ex-Staatssekretär nur: "So geht das in der Republik."

Rüge für den Richter

Gleich zu Beginn seiner Aussage hatte Schweitzer eine Rüge für den Richter übrig. Dieser war vor einer Woche der Meinung, ein ehemaliger Staatssekretär müsse sich von seiner Amtsverschwiegenheit entbinden lassen - was aber nicht der Fall ist. "Das hat mir nicht wirklich gut getan in der Öffentlichkeit", beschwerte sich Schweitzer, der sich aber betreffend der Rückerstattung seiner Fahrtkosten versöhnlich gab: "Die Republik ist in einem derart maroden Zustand, dass ich darauf verzichte. Vielleicht sollte man die Steuerreform damit finanzieren."

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