Portisch: "Für Europa wird es unangenehm"
KURIER: Herr Portisch, vier Tage nach der US-Wahl. Haben Sie den Schock schon verdaut?
Hugo Portisch: Ehrlich gesagt, das war kein Schock für mich. Ich habe es nicht für ausgeschlossen gehalten, dass Trump gewinnt. Das hat für mich im Wesentlichen vier Gründe: Seit drei Jahren müssen die Parteispenden in den USA nicht mehr deklariert werden. Das führte dazu, dass Trump einen Segen an Geld zur Verfügung hatte. Es wurden bei diesem Wahlkampf Rekordspenden gesammelt. Zweitens war Hillary Clinton eine schwache Kandidatin. Sie hatte zu wenig Charisma, während Trump Charisma ohne Gleichen besitzt. Der dritte Grund ist die Anti-Establishment-Stimmung. Heute gewinnt jeder, der sagt, er ist gegen das Establishment. Das reicht schon. Und viertens hat Trump auch mit Hilfe der Social Media den Weg ins Weiße Haus geschafft. Wer einen Auftritt wie Trump bekommt, bekommt gerade auf Twitter und Facebook ein enormes Echo.
Wo orten Sie die Ursachen für Anti-Establishment-Stimmung. Wovor genau fürchten sich die Menschen?
Es herrscht prinzipiell ein Misstrauen gegenüber der Politik. Die Menschen können die Entscheidungen nicht mehr verstehen. Die Themen sind zu komplex geworden. Die Bürger haben das Gefühl, dass sie nicht wissen, was vor sich geht. Das löst eine große Unsicherheit aus. Dazu kommt, dass es in den USA große Jobverluste gab. Riesige Fabriken, etwa in der Stahlindustrie, haben geschlossen. Sie sind der Urbanisierung zum Opfer gefallen. Andere Jobs sind durch die Konkurrenz aus China verschwunden. Zwar haben die Menschen wieder neue Jobs gefunden, aber sie mussten sich neu orientieren. Das Vertraute war weg.
Wie kann die Politik das Vertrauen zurückgewinnen?
Die Politik muss sich bemühen, eine andere Sprache zu finden. Die Regierenden müssen die Menschen mitnehmen. Bestes Beispiel ist CETA. Man kann die Verhandlungen nicht geheim halten. Im Gegenteil die Politiker müssen ihre Schritte gut begründen können. Das ist mühsam, aber in der Demokratie muss man sich plagen können.
Wenn die Anti-Establishment-Stimmung Trumps Erfolgsgeheimnis war, dann war Hillary Clinton die falsche Kandidatin, weil sie mit ihrer Genesis Washington verkörpert.
Sie verlor, weil Sie die Sprache Washingtons sprach. Ihr Programm zeigte den Amerikanern keinen Kurswechsel auf. Aber auch ihre Geschichte, als ehemalige First Lady, die ihren Mann in der Monica Lewinsky-Affäre deckte, hat ihr sicherlich geschadet. Die neuerlichen FBI-Ermittlungen haben dann ihr Übriges dazugetan.
Die USA sind das zweitwichtigste Exportland für Österreich. Trump hat angekündigt, die Freihandelsabkommen aufzukündigen. Wird nun eine Politik der Abschottung folgen?
Donald Trump wird zwar vorsichtiger bei den Freihandelsabkommen vorgehen, als er es im Wahlkampf angekündigt hat. Doch die Maßnahmen werden den Handel für Europa und China erschweren. Eines ist auch sicher, da sind sich alle Experten einig: Europa wird mehr Geld in das NATO-Militärbündnis einzahlen müssen. Amerika wird nicht mehr den großen Bruder Europas spielen.
Fürchten Sie, dass Trump mit Russlands Präsident Wladimir Putin einen Deal eingehen wird?
Ich bin überzeugt, dass beide versuchen werden, einander entgegen zu kommen. Das kann ich mir in der Syrien-Frage vorstellen. Ich schließe nicht aus, dass Trump bereit ist Assad zu akzeptieren. Ein zweiter Punkt ist die Sanktionspolitik, wo Putin auf einen Durchbruch hofft.
Was bedeutet die mögliche neue Allianz zwischen Trump und Putin für Europa?
Europa muss endlich aufwachen und erstarken. Wir haben weder in der Ukraine-Frage ein Gewicht, noch im Syrien-Konflikt. Jetzt ist die Zeit gekommen, wo sich die EU endlich zu einer gemeinsamen Sicherheits- und Außenpolitik durchringen muss. Agieren unsere Politiker weiterhin so schlappschwänzig, wird daraus nichts werden.
Sie feiern in Kürze Ihren 90. Geburtstag , haben einige Weltkrisen und als Kind auch den Zweiten Weltkrieg miterlebt. Wann fühlten Sie sich zuletzt so verunsichert wie jetzt?
Ein Donald Trump als US-Präsident verunsichert mich nicht. Es wird nicht so heiß gegessen, wie gekocht. Aber für Europa wird es unangenehm werden. Wir müssen davon ausgehen, dass es einen Nahost-Deal geben wird, den Obama nie gemacht hätte. Trump muss für Europa ein Weckruf sein, sonst werden wir zwischen den USA und Russland aufgerieben. Wir müssen blitzschnell zusammenrücken und die EU weiterentwickeln. Alle Länder, die das nicht wollen, sind keine echten Europäer. Es ist ein Jammer, dass die Osteuropäer hier auslassen. Passiert das nicht, werden die Le Pens Europas das Wort übernehmen.
Stehen wir in der Politik vor einer Zeitenwende?
Es ist auf jeden Fall eine Tendenz, der man entschieden entgegentreten muss. Die US-Wahl hat den Populisten gezeigt, dass man mit Gemeinheit, Pöbelei und Niedertracht Wahlen gewinnen kann. Die Lehre aus der US- Wahl muss sein: Für die Demokratie muss man immer wieder in den Ring steigen. Man kann nicht zuschauen, wie die Populisten trotz flegelhaftes Verhalten ihren Siegeszug fortsetzen.
Wird die US-Wahl Auswirkungen auf die Bundespräsidentenwahl haben?
Ich hoffe nicht, dass der populistische Weg auch bei uns eine Bestätigung erfährt. Trump hat mit seinem Wahlkampfstil die Ernsthaftigkeit und die Zurückhaltung in Frage gestellt. Das färbt hoffentlich nicht auf Österreich ab.
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