Illegale Migration: Das Land am Nil als nächstes Pulverfass
Brot bedeutet in Ägypten Leben. Wortwörtlich. Die Rezeptur ist eine einfache: Wasser, Mehl, Hefe und Salz. Jenes Rezept, nach dem Innenminister Gerhard Karner und Außenminister Alexander Schallenberg (beide ÖVP) auf ihrer dreitägigen gemeinsamen Reise nach Ägypten und in die Türkei suchen, ist weitaus komplizierter.
Es gilt ein Rezept gegen die wachsende illegale Migration aus Nordafrika und andere geopolitische Auswirkungen des russischen Angriffskriegs in der Ukraine zu finden. Stichwort: Nahrungsmittelsicherheit.
Ägypten weltweit führend beim Weizenimport
Denn kein Land der Welt importiert so viel Weizen, wie jenes am Nil. Über 80 Prozent kommen aus der Ukraine und Russland. Seit dem Krieg explodiert der Weizenpreis. Ein Sack Mehl kostet mittlerweile mehr als doppelt so viel wie früher. Brot ist zwar staatlich subventioniert, die Kosten trägt also der Staat. Das bedeutet aber: Ein Staat, der ohnehin hoch verschuldet ist, macht noch mehr Schulden. Brot, auf ägyptisch „aish“, ist hier mehr als ein Nahrungsmittel. „Aish“ steht für Leben – und das ist es auch für die Ägypter. Vorhaben, den Brotpreis zu erhöhen, führten bereits 1977 zum Brotaufstand.
Nun wird der Krieg in Europa zum Brandbeschleuniger. „Putin treibt die Preise in die Höhe und Menschen in Nordafrika in die Armut. Mit unglaublichem Zynismus führt Putin einen Krieg mit Hunger als Waffe“, sagte Außenminister Schallenberg. Ägypten als größter Staat Nordafrikas gilt auch als Stabilitätsanker in der Region. „Doch wenn dieser ins Rutschen kommt, und genau darauf setzt Putin mit seiner Taktik, dann haben wir eine enorme Migration nach Europa“, sagt der Außenminister. Aus einem Land mit 102 Millionen Einwohnern.
Asylanträge aus Ägypten fast verdreifacht
Denn Hunger bedeutet in weiterer Folge Flucht und illegale Migration – spürbar bereits jetzt in Österreich. „Ägypten gilt mittlerweile als Herkunfts-, Transit- und Zielland der Migrationsbewegungen im Raum Ostafrika und im Nahen Osten. Die Zahl der Asylanträge von Ägyptern ist in den ersten fünf Monaten des Jahres 2022 in Österreich um 196,2 Prozent gestiegen“, erklärte Innenminister Gerhard Karner. Insgesamt stellten in den ersten fünf Monaten des laufenden Jahres 21.000 Personen Asylanträge – eine Steigerung von 150 Prozent gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres. Ägypten zählt mittlerweile zu den Top-10-Nationen, Tendenz steigend.
In Österreichs Nachbarland Italien rangiert Ägypten bereits auf Rang zwei bei den Ankünften von Migranten. Besonders junge Ägypter unter 18 Jahren seien es, die sich auf den Weg aus dem Land machen, wie neueste Analysen der International Organization for Migration (IOM) zeigen. Ebenso würden Familien ihre kleinen Kinder als unbegleitete minderjährige Flüchtlinge auf den Weg „in ein besseres Leben“ nach Europa schicken.
Zwei Minister auf Besuch als Zeichen
Entwicklungen, die zentrale Themen bei den Gesprächen von Schallenberg und Karner mit ihren Amtskollegen, Außenminister Same Shoukry und Innenminister Mahmoud Tawfik Qandil, am Sonntag waren. Shoukry betonte, wie wichtig die bilateralen Beziehungen zu Österreich seien. „Der Umstand, dass zwei Minister aus Österreich in Ägypten auf Besuch sind, findet im Schatten des Angriffskriegs Russland auf die Ukraine statt und verdeutlicht die Wichtigkeit“, betonte Außenminister Schallenberg.
Bereits jetzt hat die EU Ägypten zur Sicherung der Lebensmittelversorgung 100 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Vom World Food Programme werden vor Ort im Moment sogar 71 Millionen Dollar mehr jeden Monat zugeschossen.
Marketing der Schlepper
Hinzu kommt, dass Ägypten genau auf der Transitroute jener Schlepper liegt, die den Ukraine-Krieg als eine Art „Marketing Instrument“ nutzen. Die Botschaft an Flüchtlinge aus aller Welt lautet: Europa ist dank der Ukraine-Flüchtlinge offen, kommt und versucht euer Glück! Alleine in Ägypten warten rund neun Millionen Migranten. „Ägypten ist ein Pulverfass, wenn es um illegale Migration geht“, erklärt auch Gerald Tatzgern, Leiter der Zentralstelle zur Bekämpfung der Schlepperkriminalität und des Menschenhandels im Bundeskriminalamt in Wien.
Auch am Montag werden Karner und Schallenberg weiter nach Rezepten suchen. Dann in der Türkei, u. a. bei Gesprächen mit Innenminister Süleyman Soylu und Außenminister Außenminister Mevlüt Cavusoglu. Denn Fakt ist: über 90 Prozent der Migranten halten sich in der Türkei auf, bevor sie nach Österreich einreisen.
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