Niessl: Kern hätte auf Rat hören und neu wählen müssen
Hans Niessl hat nie ein Hehl daraus gemacht, dass er Opposition für „Mist“ hält – weil sich die SPÖ in dieser Rolle nicht mehr für die „kleinen Leute“ einsetzen könne. Im KURIER-Interview verweist der mittlerweile längstdienende Landeshauptmann darauf, dass die Roten noch heute den Kanzler stellen könnten, wenn SPÖ-Chef Christian Kern vor rund zwei Jahren auf ihn gehört hätte. Rückblickend betrachtet, so der rote Grande, „hat Kern vielleicht einen strategischen Fehler gemacht, weil er nach seinem Amtsantritt nicht rasch in Neuwahlen gegangen ist“. Er habe seinerzeit jedenfalls mit Kern „darüber gesprochen“, sich aber gegen andere Strömungen in der Sozialdemokratie nicht durchsetzen können. Niessl: „Ich glaube, Kern hätte die Wahl damals gewonnen. Man hätte es so machen können wie später Sebastian Kurz, das ist ja nicht verboten“. Und wer könne sagen, ob der jetzige türkise Kanzler Kurz in diesem Szenario überhaupt in der Regierung geblieben wäre.
Den damaligen Siegern im innerparteilichen Ringen um vorgezogene Neuwahlen ruft Niessl heute zu: „Die Frage ist immer, was ich für einen Preis zahle. Ist es schlimmer, nicht in der Regierung zu sein oder mit allen Gespräche zu führen?“ Damals habe in der SPÖ offenbar die Furcht vor Rot-Blau im Bund obsiegt. Niessl, der im Burgenland seit Juli 2015 mit der 15-Prozent-Partei FPÖ regiert, ist aber überzeugt, dass „die Mehrheit der SPÖ-Mitglieder nicht will, dass man jemanden ausgrenzt“.
Apropos Mitglieder: Mit Blick auf das im Herbst zu beschließende neue SPÖ-Programm plädiert Niessl für eine Urabstimmung über den Bundesparteichef. Nicht sofort aber ab dem „übernächsten Parteitag“, vorher müssten die Statuten beschlossen werden. Kern mache seine Sache als Oppositionschef „durchaus gut“, meint Niessl knapp. Aber der roten Führung sei klar, dass bei der nächsten Nationalratswahl „30 Prozent plus“ erreicht werden müssen, stellt der seit fast 18 Jahren amtierende Landeschef, der am Dienstag 67 wird, die Rute ins Fenster.
Déjà-vu
Als er 2000 erstmals Landeshauptmann wurde, regierte im Bund Schwarz-Blau, gegen Ende seiner Amtszeit Türkis-Blau – der Unterschied? Die FPÖ „ist diesmal besser vorbereitet in die Koalition gegangen“, weil sie aus Schwarz-Blau Lehren gezogen habe, lautet Niessls Befund. „Trotzdem glaube ich, dass die FPÖ auf Dauer nicht mitmacht, wenn die ÖVP ihre neoliberale Politik mit 12-Stunden-Arbeitstagen und Wegfall von Überstunden-Zuschlägen fortsetzt“, ortet Burgenlands Landeschef Spalt-Potenzial auch in der Neuauflage. Kann sich auch ein Koalitionsbruch wiederholen? Niessl: In der Politik kann man nie etwas ausschließen.“
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