PISA: Migranten schneiden besonders schlecht ab
Die OECD hat die PISA-Tests auf einen Detailaspekt ausgewertet. Die Experten gingen der Frage nach, wie erfolgreich Migranten in der Schule sind und wie ihre Schulsituation im Allgemeinen ist. Das Ergebnis ist wenig erfreulich:
Im OECD-Schnitt zeigen besonders Migranten der ersten Generation schlechtere schulische Leistungen bzw. PISA-Ergebnisse. Hier schneidet Österreich weitaus schlechter ab als andere Staaten. Und das obwohl Migranten weitaus motivierter sind als österreichische Kinder – sie strengen sich besonders an.
Die schlechten Schulleistungen hängen wohl auch damit zusammen, dass sich Zuwandererkinder in der Schule kaum angenommen fühlen. Folge: Das Zugehörigkeitsgefühl zur Schule ist in Österreich schwächer ausgeprägt als anderswo. Und die Kinder haben häufiger Schulangst. Zudem sind Migranten auch außerhalb der Schule mit ihrem Leben weniger zufrieden.
Als Migranten gelten für die OECD-Experten all jene, die nicht in Österreich geboren sind oder zumindest ein Elternteil aus dem Ausland stammt, der Begriff ist also sehr weit gefasst.
Schlussfolgerung der Bildungsforscher: "Bildungssysteme, Schulen und Pädagogen kommt eine bedeutende Rolle bei der Integration jugendlicher Migranten zu, insbesondere um sie dabei zu unterstützen, ihre akademische, soziale, emotionale und motivationale Widerstandsfähigkeit zu entwickeln." Konkret empfehlen die Experten eine gezielte Sprachförderung, ein Bewusstsein für die Verschiedenartigkeit von Schülern und zusätzliche Förderungen und Ressourcen für benachteiligte Schulen.
Heinrich Himmer, Wiener Stadtschulratspräsident, fordert deshalb die Bundesregierung auf, dass diese "Brennpunktschulen" so wie zuletzt üblich, weiterhin deutlich mehr Unterstützung bekommen.
Zudem soll bereits im Kindergarten mehr in die Sprachentwicklung investiert werden.
Kontroverser wird der Bericht von den Bildungspolitikern gesehen: Bildungsminister Heinz Faßmann sieht sich in seinen Plänen bestätigt. Etwa bei der frühen Evaluierung von Sprachkenntnissen und der gezielten Sprachförderung mit den neu geschaffenen Deutschförderklassen, die ab Herbst 2018 kommen sollen. Zudem sei eine deutlich intensivere Sprachförderung als bisher geplant, ein eigener Lehrplan, standardisierte Testverfahren. Die Möglichkeit des semesterweisen Übertritts soll eine treffsichere Förderung ermöglichen. Zudem soll ja bereits im Kindergarten mehr in die Sprachentwicklung investiert werden.
Statistisch auffällig ist der extrem hohe Migrantenanteil in Wien gegenüber den anderen Bundesländern: Mit einem Anteil an Kindern mit nicht-deutscher Muttersprache von 72 Prozent sind die Wiener NMS enorm unter Druck. Zum Vergleich: In Niederösterreich liegt der Anteil bei 21,9 Prozent, im Burgenland bei 19,6 Prozent. Einzig ganz im Westen, in Vorarlberg, liegt der Anteil bei 35,3 Prozent.
Eine, die die Herausforderungen Wiens kennt, ist Marion Serdaroglu-Ramsmeier. Sie leitet die NMS Kauergasse im 15. Wiener Gemeindebezirk – der Migrantenanteil ist hier besonders hoch. Verzagt ist die Pädagogin dennoch nicht, im Gegenteil: "Unsere Aufgabe ist es, den Schulalltag so zu gestalten, dass unsere Schüler die Schule erfolgreich beenden."
Die Kinder müssen das Gefühl haben, selbst etwas gestalten zu können
Zwei Faktoren führen ihrer Erfahrung nach zum Ziel: "Die Kinder müssen das Gefühl haben, selbst etwas gestalten zu können. Und die Schule muss ihre Stärken wertschätzen und die Schüler gleichzeitig da fördern, wo sie Schwächen haben."
Klingt alles sehr theoretisch. "Ist es aber nicht", sagt die Direktorin und nennt zwei Beispiele aus der Schulpraxis: "Eine unserer Schülerinnen hat gerade beim zweisprachigen Redewettbewerb ,Sag’s multi’ gewonnen. Sie meisterte bravourös ihre Präsentation auf Deutsch und Kroatisch – sie hat sich so als jemand erlebt, der etwas aktiv in der Schule mitgestalten kann. "Ganz wichtig sind in diesem Zusammenhang unsere Muttersprachenlehrer. Diese vermitteln den Kindern, dass ihre Identität wichtig und von uns wertgeschätzt wird. Das ist von großer Bedeutung für den Selbstwert der Jugendlichen, der wiederum eine Voraussetzung für den Schulerfolg ist."
Die Direktorin nennt noch ein Beispiel: "Eine Seiteneinsteigerin ist vor kurzem aus Griechenland nach Wien gezogen, entsprechend schlecht sind ihre Deutschkenntnisse. Dafür spricht sie sehr gut Englisch, sodass sie einen vertiefenden Kurs in der Fremdsprache erhält. Während elf Stunden besucht sie einen Deutschförderunterricht, den Rest der Zeit ist sie im Klassenverband. " So werden Stärken gestärkt und Schwächen geschwächt.
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